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Norwegen: Mit 24 Pfotenstärken

Im Sechser-Gespann durch die Winterlandschaft Norwegens – und der ganz besondere Thrill: Die Teilnehmer steuern ihre Hundeschlitten selbst. Was zunächst gelernt sein will

Sie bellen, jaulen, knurren, fletschen die Zähne und springen an ihren Ketten hoch. 54 Hunde, angeleint vor 54 kleinen Hütten. Angesichts des Empfangs, den uns die Tiere bereiten, besteht kein Zweifel: Sie haben uns zum Fressen gern. Ein Hund scheint besonders garstig zu sein. "Nilek", so das Namensschild an der Hütte, grollt in unsere Richtung. Sein schwarzbraunes Nackenfell ist gesträubt, seine kobaltblauen Augen sind zu wütenden Schlitzen verengt. "Und jetzt", sagt unser musher - so nennen sich die Schlittenführer -"schirrt ihr eure Hunde an."

Ein Team auf großer Fahrt: Mit Vorfreude lassen sich die Hunde an den Schlitten spannen
Ein Team auf großer Fahrt: Mit Vorfreude lassen sich die Hunde an den Schlitten spannen
© Alaskan Husky Tours

Das Thermometer zeigt minus 16 Grad

Vor weniger als zwei Stunden sind wir angekommen, drei Frauen, zwei Männer. Das Camp liegt in der Nähe des Dorfes Narjordet, etwa eine Autostunde südlich der Kleinstadt Røros und noch einmal eine knappe Flugstunde nördlich von Oslo. Ein entlegener Flecken Winterwildnis, den sich sogar der erfahrene Pilot der Coast-Air zunächst nicht anzufl iegen traut. Über Lautsprecher erklärt er, es schneie sehr stark, die Maschine könne vereisen. Auf dem Rollfeld gebe es keine Enteisungsanlage, das Risiko, nicht wieder aufsteigen zu können, sei groß. Darum überlege er, ohne Stopp nach Oslo zurückzufliegen. Doch dann dreht er eine enge Kurve, drückt in einem rabiaten Manöver die Nase der Propellermaschine nach unten und landet. Am Flughafen werde ich abgeholt. Wir fahren durch eine tief verschneite Landschaft, manchmal ähnelt die Straße zwischen aufgeschobenen Schneewällen eher einer Bobbahn. Schon vor ein paar Jahren habe ich an einer Hundeschlittentour teilgenommen, in Grönland. In Robbenfelle eingeschlagen, lag ich auf dem Schlitten, während hinter mir ein musher stand und die Peitsche schwang. Auf die Tour in Norwegen bin ich neugierig geworden, als ich las, dass man den Schlitten selbst lenkt. Zuerst müssen wir uns gegen die Kälte wappnen; das Thermometer zeigt minus 16 Grad, Tendenz sinkend.

Hören Sie, wie Dirk Lehmann seine erste Schlittenhundfahrt erlebte

Mathias Unger führt durch die Sendung. Die Themen: Aktuelle Reisetipps, Hundeschlittenfahrt in Norwegen, Neues aus Downtown Los Angeles, Rätsel

In der Kleiderkammer der Alaskan Husky Tours erhalten wir dickgefütterte Overalls, wie sie Ma trosen in der arktischen Beringsee tragen, dazu gibt es wattierte Gummistiefel, in die wir mit Filzpantoffeln steigen, warme Handschuhe und riesige Mützen, die unsere Gesichter weitgehend verhüllen. Sjur Åsgård, unser musher, erklärt, wie die Schlitten funktionieren und wie die Hunde angespannt werden. Während sie in Grönland im Fächerprinzip laufen, sechs bis acht Tiere nebeneinander, schnallt man sie hier nach dem Alaska- System an der etwa fünf Meter langen so genannten gang line paarweise hintereinander. Das Grönland-Prinzip setzt voraus, dass die Hunde den Schlitten über breite Schneefelder ziehen. Hier geht es aber durch dichten Wald mit engstehenden Bäumen.

Zuerst müssen die Hunde ins Geschirr. Sjur schnappt sich eines der Tiere, klemmt es zwischen die Knie, zieht das Halfter über den Kopf und dann die Vorderpfoten durch die entsprechenden Laschen des Brustharnischs. Jetzt lässt sich der Hund an den Gurten gut halten. Sjur führt es vor, indem er das Tier kurz hochhebt: Klaglos und ohne zu bellen, aber mit verwundertem Blick, schwebt es über dem Boden. Erst wenn der Hund sicher im Halfter steckt, dürfen wir ihn von der Leine lösen, um ihn am Schlitten festzumachen. Wer diese Regel nicht beherzigt, verbringt unter Umständen den Nachmittag damit, seinen Hund zu suchen. Nachdem uns Sjur gezeigt hat, wie die beiden Leinen - eine Führungs- und eine Zugleine - mit dem Gespann verbunden werden, steigt er auf die Kufen des Schlittens. Eine der Bremsen gleicht einem Anker, der sich in den Schnee krallt; erst wenn sie gelöst wird, kann sich das Gespann in Bewegung setzen. Die andere wird wie eine Fußmatte hinter dem Schlitten hergeschleppt, je fester man darauf tritt, desto stärker die Bremswirkung. Gelenkt wird durch Gewichtsverlagerung auf den Kufen.

Vorfreude

Sjur verteilt die Hunde auf die Schlitten. Mein Leithund ist ausgerechnet Nilek, der mit gesträubtem Nackenfell auf mich wartet. Doch als ich mit dem Geschirr vor ihm stehe, scheint alle Wildheit verflogen. Der Hund wedelt mit dem Schwanz und leckt mir sogar die Hand. Er lässt sich ohne Widerwillen die Gurte überstülpen - mir kommt es vor, als hebe er die Pfoten, damit es leichter geht - und in den Schlitten einspannen. Es scheint, als hätte er nur darauf gewartet, dass es endlich losgeht - so wie die anderen Hunde auch, die im Geschirr ihren wahren Charakter zeigen: Einer ist scheu, einer wild, einer faul, einer verspielt und einer engagiert. Nach einer Dreiviertelstunde heißt es: "Auf geht’s."

Kaum ist die Hauptbremse gelöst, ziehen die Hunde mit enormer Wucht, sie rennen unbeirrt hinter Sjur her, der mit seinem Schlitten voranfährt. Es geht durch einen nackten, dürren Birkenwald, an einigen Stellen ähnelt die Strecke einem Slalom-Parcours. Ständig muss ich auf den schmalen Kufen hin- und hertänzeln. Mal vor, mal zurück, mal zur Seite. Und zwischendurch immer wieder auf die Bremse treten. Doch alles geht mühelos, Pfoten trommeln über den Schnee, die Hunde hecheln, von einem wundervoll blauen Himmel scheint die Sonne auf die Berge. Wir gleiten durch die enorme Weite des norwegisch- schwedischen Grenzlandes, nirgends ein Haus, nur Wald und zugefrorene Seen. Und obwohl die Temperaturen inzwischen 20 Grad unter Null erreicht haben, ist mir auf dem Schlitten, der wie ein Boot über den Schnee tanzt, nicht eine Sekunde lang kalt. Ich könnte endlos so weiterfahren. dirk lehmann

HUNDESCHLITTENFAHREN

In Norwegen werden in einigen Bergregionen HUSKY-TOUREN angeboten. Empfehlenswert: die Alaskan Husky Tours mit Ketil oder Sjur (Tel. 0047-62 49 87 66, www.husky tour.no). In Deutschland kann man im Allgäu zum musher eines HUNDESCHLITTENS oder zum Beifahrer werden (Tel. 09926-7 31, www.waldschrat-adventure.de)

RODELN

In der Schweiz gibt es mehr als 200 SCHLITTELWEGE in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Eine der längsten Pisten führt über 13 Kilometer von Fiescheralp nach Lax (Tel. 0041-27-970 10 70, www.goms.ch). In Oslo kann man sich auf dem RENNSCHLITTEN die Rodelpiste hinabstürzen, auf der die erste WM stattfand. Ein großes Vergnügen, erst recht, da die Natureisbahn direkt an einer S-Bahn-Station endet, die zum Start zurückfährt (Tel. 0047-23 36 85 77, www.skioslo.no).

GEO SAISON Nr. 11/2006 - Neuseeland

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