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Weingut Vigna Palatina
Manchmal ist der Weg zum eigenen Weingut seltsam und lang. Der von Sabine Henrici führte sogar bis nach Usbekistan. Auf einer Reise entlang der Seidenstraße diskutierte die Ingenieurin für Weinbauwirtschaft mit Mitreisenden leidenschaftlich über Winzerei, bis ihr jemand die entscheidende Frage stellte: "Warum baust du eigentlich kein eigenes Gut auf?"

Die Frage traf Sabine Henrici 1998 wie ein Blitz. Nicht, dass es der Tochter aus einer Weinbauernfamilie bei Mainz an Mut gefehlt hätte: Sie kannte sich im Thema aus, hatte schon ihre Diplomarbeit über italienische Winzergenossenschaftskeller geschrieben und 1981 einen Conte, einen Grafen, geheiratet, dem sie auf sein Weingut nach Cerreto Guidi ins Chianti gefolgt war. Die Idee, selbst Wein herzustellen, war ihr aber bislang nicht gekommen. Stattdessen zog sie drei Kinder groß, machte den Sportbootführerschein zur See, ließ sich zur Reisekauffrau und später zur internationalen Vertragsrechtlerin ausbilden, arbeitete als vereidigte Übersetzerin und lernte Wünschelrutengehen. Erst nach der Rückkehr aus Usbekistan fand Sabine Henrici schließlich ihre eigentliche Berufung - Winzerin. Als solide Basis dienten ihr sechs mit 50 Jahre alten Sangiovese-Reben bepflanzte Hektar.
Weitere acht Hektar Land zwischen Cerreto und Vinci kamen hinzu, auf denen sie Sangiovese, Trebbiano und Canaiolo pflanzte. Sie hatte Glück: Die Preise für Weine aus dem Chianti stiegen in den neunziger Jahren, so konnten die Investitionskosten durch den Erlös der ersten Jahr gänge zwar längst noch nicht gedeckt, aber immerhin abgefedert werden. Ein guter Start für Vigna Palatina! Der Name des Guts sei eine Reverenz an die Galleria Palatina in Florenz, erklärt Sabine Henrici. Die Kunstsammlungen im Palazzo Pitti gehen auf eine Schenkung der Medici-Fürstin Anna Maria Luisa im 18. Jahrhundert zurück, die mit Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz verheiratet war, sozusagen einem Landsmann der Winzerin.
"Bio macht natürlich mehr Mühe, aber auch mehr Spaß"
Vom Keller schweift der Blick über die Hügel nach Cerreto. Außer Stachelschweinen, die gelegentlich die Lehm-Mergel-Böden untergraben, gibt es keine direkten Nachbarn, "also auch keine Chemie, die rüberschwappt", sagt Sabine Henrici. Verlässlich vom Apennin wehende Winde halten Böden und Reben trocken und somit Pilze fern. Ideale Bedingungen, die der Winzerin halfen, sich für biologischen Anbau zu entscheiden: Ein Teppich aus Gras und Kräutern bedeckt den Boden zwischen den Reben, und vor jeder Rebenreihe steht ein Rosenstock. "Keine Dekoration", betont Sabine Henrici, "die Rosen zeigen früh Krankheiten an, die den Wein bedrohen." In solchen Fällen wird auf dem Gut mit der Hand statt mit der Spritze gearbeitet; Herbizide oder synthetische Fungizide sind tabu. "Bio macht natürlich mehr Mühe, aber auch mehr Spaß", sagt die Pfälzerin.
Dank gekühlter und dadurch verzögerter Gärung sind die Chianti fruchtig. Die Standardlinie wird im Edelstahltank ausgebaut. Eichenfässer kommen lediglich für die Riserva in Frage und das nur, wenn der Jahrgang die für die Prämiumlinie nötige Qualität aufweist. Beide Weine (die Etiketten ziert ein goldener, stilisierter Blitz, der an die Initialzündung in Usbekistan erinern soll) kommen aber unprätentiös daher. "Ich mache Wein zum Trinken", sagt Sabine Henrici bescheiden und stapelt damit tief. 2007 wurde die Winzerin in den Verwaltungsrat des Consorzio Chianti aufgenommen. Und genau dieses Gremium wacht schließlich über die Qualität des Chianti.
Info:
47 Cerreto Guidi, Via Strognano 9, Tel. mobil 333-649 59 49, www.henrici.org. Besuche nur nach Voranmeldung und vorheriger Absprache. Kein Direkt verkauf!
48 Enoteca Casa del Chianti, Montecatini Terme, Via Solferino 11, Tel. 0572-7 87 90. In dieser Weinhandlung bekommt man die Vigna-Palatina-Weine, Chianti 7 Euro, Riserva 8 Euro.
Weingut Balduccio Azienda Agricola Biologica
"Meine Weinpubertät habe ich ausgelebt." Mit diesem Satz fasst Andreas März seine Anfänge in der Toskana zusammen. Mittlerweile lebt er fast 30 Jahre hier und ist als Winzer längst erwachsen geworden. 1979 zog der gebürtige Basler in die sanftgewellten Hügel von Montalbano, pflanzte die aus Frankreich stammende Rebsorte Cabernet an und baute seine Weine in Holz aus - genau wie viele seiner Winzerkollegen, die damals vom Erfolg der neuen toskanischen Weine profitierten. Solche Barrique-Weine sind März heute ein Gräuel. Trebicchieri-Weine nennt er die mit satten Holznoten veredelten Chianti in Anspielung auf das Bewertungssystem des Gambero Rosso, bei dem die drei Gläser für die höchste Punktzahl stehen.

"Es schmeckt mir alles zu gleich", fügt er hinzu, und erklärt, wo er heute angekommen ist: "Ich mache einen einfachen Wein." Wie einfach, oder besser, wie kompromisslos die Chianti der Balduccio Azienda Agricola sind, steht auf den Etiketten: "komplett ohne Korken" (auf diese verzichtet März wegen immer häufiger auftretender Probleme), "ohne Holz" (vulgo Barrique), "ohne Cabernet und Merlot" (was als Absage an die Supertuscans zu verstehen ist, jene satten im Holz ausgebauten Cuvées aus nicht-toskanatypischen Reben, die bis Ende der neunziger Jahre einen Wein-Boom in der Region auslösten) und natürlich "ohne Holzchips oder Tricks" (eine Kritik an den Möglichkeiten der Moderne). Winzerkollegen aus der Nachbarschaft behaupten, Andreas März sei testardo, habe einen eigenen Kopf. Was ihn wiederum freut.
März, Kennzeichen üppiger Schnauzbart und Halstuch, ist stolz darauf, Winzer zu sein. Nach dem Studium der Landwirtschaft in Zürich fuhr er ab Mitte der siebziger Jahre mit seiner Frau Eva so oft wie möglich in die Toskana. Von Jahr zu Jahr wuchs der Wunsch, für immer zu bleiben. Er ging in Erfüllung, als die beiden die Balduccio Azienda Agricola etwas außerhalb von Lamporecchio entdeckten: ein kleines Weingut auf halber Strecke zwischen Florenz und Lucca, an der Weinstraße des DOCG Chianti Montalbano mit 1,7 Hektar Reben und 15 Hektar Oliven, dazu ein etwas heruntergekommenes Haus. Die beiden Schweizer packten bei der Sanierung selbst an, was ihnen den Respekt der Nachbarn einbrachte. Aber sie steckten auch herbe Rückschläge ein: Wie frostig der Süden sein kann, erfuhr Andreas März im Katastrophenwinter 1985. Fast alle seine Olivenbäume sind damals erfroren. Die Entscheidung, in die Toskana überzusiedeln, hat das Paar dennoch nie bereut. Mittlerweile studiert der 25-jährige Sohn Adrian Landwirtschaft und soll später einmal den Betrieb übernehmen.
Gearbeitet wird fast ausschließlich von Hand
Gearbeitet wird auf der Balduccio Azienda Agricola fast ausschließlich von Hand, angefangen vom Stutzen der an langen Holzpfählen befestigten Reben bis zur Lese. Andreas März pflanzt nur einheimische Sorten wie Sangiovese und Canaiolo an - letztere ist wegen des späten Austriebs wenig frostgefährdet. Die Weine sind im Vergleich zu den wuchtigen Supertuscans von hellerem Rot, geradlinig - und widersprechen den Erwartungen vieler Kunden, die nach Opulenz und schwarzroten Tropfen verlangen. "Fragen Sie mal meine Frau, ob ich marktgerechte Weine produziere", sagt der Winzer. Da lacht Eva März.
Aus seinen Ansichten macht der Weinbauer kein Geheimnis. Im Gegenteil, Anfang der neunziger Jahre gründete er "Merum - Die Zeitschrift für Wein und Olivenöl aus Italien". Chefredakteur ist er selbst, und berühmt-berüchtigt sind seine Editorials, in denen er deutliche Worte nicht scheut und sich vehement für einheimische Rebsorten und Kellertechniken einsetzt. Der sogenannte Montagstreff des Magazins ist längst legendär, an dem im Hof der Azienda Woche für Woche italienische Weine verkostet werden. Zu diesen reicht Eva März im Holzofen gebackene Brote und Pizzen. Nicht weniger als 52 Flaschen wurden bei einem der letzten Treffen geöffnet. Ein Chianti von März war nicht dabei. Das versteht sich für den Winzer wie für den "Merum"-Chefredakteur von selbst.
Info:
49 Lamporecchio, Loc. Balduccio, Fax 0573-8 00 07, www.balduccio.it. "Marzenostrane" Toscano IGT 7,50 Euro, Olivenöl 0,5 Liter 13 Euro. "Merum"-Montagstreff Ostern–Mitte Okt. 14–18 Uhr mit Verkostung, für Abonnenten 10 Euro , für Freunde 25 Euro; Internet: www.merum.info
Weingut Fattoria Le Fonti
Idyllisch schmiegt sich die Fattoria Le Fonti in eine Senke unterhalb von Panzano. Für Kenner des Chianti Classico hat das Weingut trotz seiner Lage einen kleinen Makel: Es liegt nicht in der "goldenen Muschel", der sonnenverwöhnten Südseite des Dorfs, die als Spitzenlage von Panzano gilt. Conrad M. Schmitt kaufte die Fattoria Le Fonti 1993 dennoch. Für den Verleger der "Frankfurter Börsenbriefe" und Nebenerwerbshotelier aus Detmold war die Erfüllung seines Traums vom neuen Leben in der Toskana wichtiger als das kleine Manko der 1b-Lage. Und die Zeit sollte für ihn arbeiten: Heute, 15 Jahre später, gleichen ungewöhnlich heiße Sommer den Standortnachteil aus. Die Winzerkollegen in der "goldenen Muschel" kämpfen zunehmend mit der Trockenheit im Weinberg. Die meisten Lagen der Fattoria Le Fonti bleiben hingegen von der sengenden Hitze verschont.

Als Conrad M. Schmitt das 15 Hektar große Anwesen übernahm, ließ er die Rebenflächen mit Sangiovese, dazu ein bisschen Cabernet und Merlot, neu bepflanzen. Im Keller beschränkte sich der Deutsche auf einen im Barrique ausgebauten Chianti Classico Riserva und den Supertuscan "Fontissimo". Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Von der Zeitschrift "Alles über Wein" wurde Schmitt 2002 für seinen Chianti Classico zum Winzer des Jahres gekürt, das "Decanter Magazine" lobte seine Tropfen in hohen Tönen, die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und sogar die "Los Angeles Times" berichteten. Gute Nachrichten kamen zudem aus der Familie: Tochter Vicky absolvierte in Frankreich das Studium der Volkswirtschaftslehre, machte in Großbritannien ihren Master in Südostasiatischer Wirtschaftskunde und entschied sich dann doch für Italien, wo sie inzwischen in die Fußstapfen ihres Vaters tritt.
Wenn der Zucker langsamer verbrennt, gewinnt der Wein an Frucht
"Ich habe es auf Anhieb geschafft, zwei Fässer zu Essig zu machen", erinnert sich Vicky an den ersten eigenen Jahrgang 2000. Doch sie hat schnell gelernt, nicht zuletzt dank ihres Mannes: Guido ist mit Wein aufgewachsen, sein Cousin hat ein Gut bei Panzano. Zudem belegte die Jungwinzerin an der Technischen Hochschule im schweizerischen Wädenswiel Kurse über Reb pflege und Kellertechnik, und wie schon dem Vater steht auch dem jungen Ehepaar der Önologe Stefano Chioccioli beratend zur Seite. Vor 15 Jahren zählte die Fattoria Le Fonti zu den ersten Weingütern, die Chioccioli betreute. Längst ist aus ihm ein Shootingstar der Branche geworden. So konnte sich Conrad M. Schmitt beruhigt aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Die Palette der Riserva und Supertuscans haben Vicky und Guido um einen im 500-Liter-Fass ausgebauten Chianti Classico und einen Rosé erweitert. Zu den Klängen von Radio Toscana Classica experimentiert Guido mit Edelstahltanks, die zwischen 34 und 79 Hektoliter fassen. Jede geerntete Parzelle wird in den relativ kleinen Tanks einzeln vergoren. Durch eine erste bei 14 bis 15 Grad Celsius gekühlte Gärung verbrennt der Zucker langsamer, der Wein gewinnt an Frucht. Guidos neues Credo heißt Mikrooxidation: "„Wir geben Sauerstoff in winzigen Bläschen am Ende der Gärung hinzu. Das öffnet den Sangiovese und erhält ihm die tiefrote Farbe", erklärt er begeistert. Conrad M. Schmitt sieht die Veränderungen gelassen: "Ich bin froh, einmal ein Weingut ganz neu aufgebaut zu haben."
Info:
50 Panzano in Chianti, Loc. Le Fonti, Tel. 055-85 21 94, www.fattorialefonti.it. Mo–Fr 10–12, 14–18 Uhr, Sa, So auf Anfrage; Rosato 5 Euro, "Vigna della Lepre" IGT 5 Euro, Chianti Classico DOC 10 Euro, Chianti Classico Riserva DOC 15 Euro, "Fontissimo" IGT 18,50 Euro