
Die Farben des Meeres sind atemberaubend: Vom hellen Türkis bis zum tiefen Dunkelblau. Dahinter ein blendendweißer Strand, Kokospalmen, sanfte Hügel.
Vor eineinhalb Stunden hat das Schnellboot am Laem Ngop-Pier abgelegt, etwa drei Autostunden von Bangkok entfernt. Zwei kräftige Außenborder, jeder 250 PS stark, haben die "Leelawadee" über das spiegelglatte Meer gejagt. Der Tacho pendelte zwischen 40 und 50 Stundenkilometern. Dann taucht sie am Horizont auf: Koh Mak, das kleine Paradies im Golf von Thailand, das auf dem Weg ist, vom Geheimtipp zur Wochenend-Insel der Großstadt-müden Bangkoker zu werden. Glücklicherweise liegt das nur 16 Quadratkilometer große Eiland aber immer noch im Schatten seiner überlaufenen großen Schwestern Koh Samet und Koh Chang. Auf Koh Mak gibt es (noch) keine Hotelbunker, keine Go-Go-Bars. Die "Betelnuss-Insel" hat sich die Beschaulichkeit bewahrt, die Thailands heutige Touristen-Hochburgen vor 20 oder 25 Jahren so reizvoll gemacht haben.
Am hölzernen Pier haben sich die Mitarbeiter der Resorts versammelt, um die Gäste abzuholen, die an diesem Tag eintreffen. Wer zum zweiten Mal kommt, wird schon als Freund begrüßt. Jeder kennt jeden auf der Insel. Schließlich gibt es nur rund 500 Einwohner, aber über zehntausend Kokospalmen und einige Kautschukplantagen. Noch überwiegt die Landwirtschaft den Tourismus als Einkommensquelle. Zwei Internetcafés, ein kleiner Tempel, Grundschule, Gesundheitsstation, ein paar kleine Märkte, die Hauptstraße mit ihren Buden, in denen allerlei Krimskrams angeboten wird und den einfachen Restaurants - das ist Koh Mak.
Etwa zwei Dutzend Resorts gibt es inzwischen - von einfachen Bambushütten für Rucksacktouristen bis zum Boutique-Resort. Die Bewohner sind stolz darauf, dass ihre Insel zu den wenigen gehört, auf denen es keinen einzigen Geldautomaten gibt, dafür aber lange, weiße, einsame, meist naturbelassene Strände, wie sie auch in Thailand selten werden.
Familiär geht es zu auf Koh Mak. Wenn Not am Mann und niemand sonst von der Familie verfügbar ist, setzt sich Khun Tarin deshalb selber ans Steuer seines Pick-Ups, um Gäste seines "Koh Mak Seafood Restaurant" in ihren Resorts abzuholen. Tarin achtet sorgfältig darauf, dass Fisch und Meeresfrüchte nur fangfrisch auf den Tisch kommen, sorgsam zubereitet von ihm selbst oder einem Mitglied seiner großen Familie. Aber Khun Tarin ist mehr als ein Restaurantbesitzer. Er ist eine Institution auf der kleinen thailändischen Insel: Tarin ist ein direkter Nachkomme einer der Gründerfamilien, die die Insel im 19. Jahrhundert gekauft und besiedelt haben. Noch heute haben sie dort das Sagen. Gleich neben seinem Restaurant hat Tarin in einem alten Holzhaus ein Ein-Raum-Museum eingerichtet, in dem er - meist anhand von Fotos - das Leben der Menschen auf Koh Mak und seiner Familie in den vergangenen 80 Jahren zeigt.
Bungalows, Suiten und ein Geisterhotel
Die ersten, bescheidenen Bungalows für Touristen sind vor gerade einmal 30 Jahren auf Koh Mak gebaut worden, als Pattaya schon boomte. Heute hat Koh Mak für jeden Geldbeutel etwas: Hoch oben, auf einem Hügel zwischen zwei Stränden, thront das stilvolle "Good Time Resort", komfortable Häuser im Thai-Stil in einer gepflegten Gartenlandschaft. Gleich unten am Pier, an dem die Boote vom Festland ankommen, das "Makathanee Resort" mit seinem weiten, weißen Strand. Auf der anderen Insel-Seite das traditionelle "Koh Mak Resort". Und schließlich, nur einen Steinwurf entfernt, das "Cococape Resort", mit dem sich zwei thailändische Architekten ihren Lebenstraum erfüllt haben: Von einfachen Bambus-Hütten über gut ausgestattete Bungalows bis hin zu geschmackvollen Suiten findet sich im "Cococape Resort" ein Bett in fast jeder Preislage und dazu eine sehenswerte Pool-Anlage. Der Clou ist eine sorgsam restaurierte Reis-Barke direkt am Meer. Wer dort wohnt, kann sich wie der Kapitän auf eigenem Kiel fühlen, Meeresrauschen inbegriffen. Die beiden Gründer hatten ursprünglich überall in Thailand nach solch alten Teakholz-Booten gesucht, um sie dann auf Koh Mak zu komfortablen Unterkünften umzugestalten. Aber irgendwann ging ihnen die Lust aus. Einige der Barken liegen noch immer auf dem Grundstück, die Nostalgie weicht langsam einem morbiden Charme - wie so oft in Thailand, wenn die Natur sich zurückholt, was ihr einst gehört hat.
Einmal hat es den Versuch gegeben, Koh Mak mit einer Fünf-Sterne-Herberge herauszuputzen. Die Einheimischen erzählen heute noch von der Eröffnungsgala mit befrackten Kellnern und geladenen Gästen in Smoking und Abendkleid. Der Champagner sei geflossen, die Buffets hätten sich unter Köstlichkeiten aus aller Welt gebogen. Doch der Erfolg blieb aus. Die gemütliche Familien-Insel Koh Mak reizt die Schickeria offensichtlich nicht. Der reiche Investor brach seinen Ausflug in die Hotellerie ab und schloss seinen Palast. Langsam verfiel der Luxus-Tempel. Heute fragen Touristen hin und wieder nach dem "Hotel, das der Dschungel sich zurückgeholt hat" und stehen staunend vor einer Ruine, aus deren leeren Fensterhöhlen sich Schlinggewächse ranken.
Die erste Touristengruppe, die es auf die "Betelnuss-Insel" zog, waren deutsche Taucher. Rund 25 Jahre sei das her, berichten Einheimische. Nicht wegen der Betelnüsse, die ohnehin schon seit langem nicht mehr auf Koh Mak wachsen, sondern wegen der malerischen Unterwasserwelt zog es die Deutschen auf die Insel im damals gerade vom Fernreise-Tourismus erschlossenen Thailand. Und es gibt in der Tat viel zu sehen und zu bestaunen im und am Meer rund um "Moo Koh Mak", wie die Gruppe der neun Inseln um Koh Mak heißt. Nur vier davon sind bewohnt. Mit dem Boot ist es ein Katzensprung zu diesen Tauch- und Schnorchelparadiesen. Zur Smaragd-Insel Koh Kham kann man von Koh Mak aus bei Ebbe manchmal sogar zu Fuß waten und dann dort schnorcheln, schwimmen oder einfach unter Palmen liegen. Oder man lässt sich mit dem Boot in fünf bis zehn Minuten nach Koh Rayang übersetzen, eine winzige Privatinsel mit einem wunderschönen Sandstrand. Auf Koh Rayang kann man auch übernachten: Sehr einfache Holzhäuser stehen hier, nur zwölf Betten insgesamt, und vielleicht sind sie etwas zu teuer für das, was sie bieten - vom Robinson-Crusoe-Gefühl abgesehen.
Die meisten Resorts auf Koh Mak arrangieren private Boots-Ausflüge zu den nahegelegenen Inseln. Auch dabei geht es gemütlich zu. Ein Picknickkorb gehört dazu, eine Eisbox mit Getränken - und viel Zeit. Wo es schön ist, wird der Anker geworfen. Die Bootsführer wissen ganz genau, wo die schönsten Korallen, die farbenprächtigsten Fischschwärme zu finden sind. Und sie springen mit in das kristallklare Wasser, um den Fremden zu zeigen, welche Schätze "ihr" Meer beherbergt. Wer abends dann, satt von Sonne und Meer, zurückkommt nach Koh Mak und am Strand die Abendstimmung genießt, der fühlt schnell, dass er angekommen ist auf dieser Insel, die sich ihren ursprünglichen Charme bewahrt hat.