
Es heißt, wer die Seele von Windhuk kennenlernen möchte, der sollte nach Katutura fahren. Während in der penibel gepflegten Innenstadt westliche Einkaufszentren, Bürohäuser und Restaurants die Kulisse prägen, tobt in Katutura das echte Leben. Kinder spielen auf den staubigen Straßen zwischen den Wellblechhütten, Hühner und Hunde laufen kreuz und quer, junge Männer trinken Cola und Bier vor der Kneipe, Frauen tragen ihre Waren auf dem Kopf und bringen mit ihren bunten Gewändern Farbe in den Township-Alltag. Auf den ersten Blick wirkt alles sehr friedlich, doch sobald man die Hauptstraßen verlässt, wird klar: hier herrscht jeden Tag der nackte Kampf ums Überleben. Die Hütten werden ärmlicher, manche von ihnen bestehen nur aus Pappe, einige Menschen wohnen in verrosteten Autokarosserien. Es ist nur schwer vorstellbar, dass hier ganze Familien leben.
Obwohl gesetzlich gleichberechtigt, haben es insbesondere Frauen schwer, sich hier durchzusetzen, Arbeit zu finden und ihr Leben unabhängig vom Mann zu gestalten. Noch schwerer wird es, wenn Krankheit oder Behinderung ins Spiel kommt. Seit zwanzig Jahren kümmert sich das Selbsthilfeprojekt Penduka um genau diese Frauen am gesellschaftlichen Rand. Penduka bedeutet "Wach auf!" und will mit seinem Namen zum Handeln aufrufen.
Eine Chance im Leben mit Handarbeit
Das Projektgelände liegt nur wenige hundert Meter von der Eveline Street entfernt, einer der Hauptverkehrsadern des Townships - dennoch haben Besucher das Gefühl, in eine andere Welt einzutauchen. Das Wasser des Goreanga-Dammes schimmert im Sonnenlicht, aus der Küche des projekteigenen Restaurants duftet es nach Pfannkuchen und Rooibush-Tee, aus der Werkstatt schallt herzhaftes Lachen.
Zurzeit arbeiten hier 29 Frauen teils mit Behinderung oder Krankheit. Den Fokus hat man bei Penduka auf die Handarbeit gelegt. In der hauseigenen Werkstatt wird genäht und gestickt: Kissenbezüge, Topflappen oder Laptoptaschen. Außerdem haben die Frauen eine eigene Technik entwickelt, um aus alten Glasflaschen Perlen für Ketten und Armbänder zu gewinnen. Mithilfe eines Erdofens erhitzen sie das Glas und gießen es in vorgefertigte Schablonen. Die Frauen haben hier nicht nur die Chance zu arbeiten und kreativ zu sein, sie können in ihren Stickereien auch ihre persönlichen Geschichten darstellen und aufarbeiten. Hinter den bunten Kissenbezügen verstecken sich so oft bewegende Schicksale.

Penduka erleben
Die Idee zu dieser Form der künstlerischen Selbsttherapie und dem Projekt hatten 1992 die Niederländerin Christien Roos und die Namibierin Martha Muulyau. Der Staat Namibia war gerade zwei Jahre alt, und Frauen wurden in der Orientierungsphase des Landes kaum berücksichtigt. Christien, Ergotherapeutin und Designerin, ergriff die Initiavie, den Frauen mit Kunsthandwerk eine Verdienstmöglichkeit zu bieten. "Ich lebte bereits fünf Jahre in Namibia und arbeitete in einer Einrichtung mit behinderten Frauen. Dort traf ich auch Martha, die dort stark engagiert war und eine große Vision hatte: Mehr Frauen sollten eine Chance erhalten wie sie", erinnert sich Christien. Martha, erkrankt an Polio, gab den Anstoß, einen besonderen Fokus auf Frauen mit Handikap zu legen.
Zwei Jahrzehnte später hat sich dieser Ansatz bewährt. Neben den kunsthandwerklichen Produkten unterhält Penduka inzwischen ein Restaurant und Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Gelände in Katutura. Die kleinen Hütten liegen idyllisch direkt am Wasser und sind natürlich mit den eigenen Produkten dekoriert. Neben den 29 ständig beschäftigten Frauen, von denen zehn auch im Projekt leben, arbeiten rund 200 freiberuflich von zu Hause. Sie leben auf Farmen rund um Windhuk, aber auch im Norden des Landes. Mitarbeiter des Projektes schulen sie in der bestimmten Stick- und Nähtechnik, danach können sie in die Produktion gehen und werden pro Stück bezahlt.

Damit Penduka auch in den nächsten Jahren Namibias Frauen eine Zukunft bieten kann, hat sich nun auch eine deutsche Frauenhilfe des Projekts angenommen. "Wir möchten die Produkte der Penduka-Frauen auch auf den deutschen Markt bringen. Es geht dabei nicht um Spenden oder andere Gelder, sondern lediglich darum, ihnen eine Plattform zu bieten und Aufträge zu generieren," sagt Irmhild Neidhardt von Frauen Arbeit Bildung (FAB), die selbst zehn Wochen in Katutura gelebt hat und die Frauen von Penduka in Management geschult hat. Sie war so nachhaltig beeindruckt von der Arbeit, die hier geleistet wird, dass sie inzwischen in Deutschland Events und Messestände organisiert, auf denen das Kunsthandwerk ausgestellt wird.
Für die nächsten 20 Jahre wünscht sich Christien Roos, dass Penduka ein sich selbstfinanzierendes und unabhängiges Projekt wird: "Mit Penduka möchte ich noch viele Frauen in Namibia erreichen. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Fähigkeiten zu nutzen, daraus Hoffnung zu schöpfen und sich selbst ein Ziel im Leben zu setzen."