Einstimmen
Auf den ersten Blick liegt der Hausberg Salève wie ein Stehkragen hinter der Stadt. Vorn imponiert Genf mit Halsschmuck: Wie Klunker auf einer Kette schmiegen sich verzuckerte Grandhotels, glitzernde Banken-Quader, vornehme Mode- und Uhrensalons ums Ufer des Sees. Die diskretesten Orte dieser diskreten Stadt. Passend dazu trägt Genf meist Schleier – aus Wasser, erzeugt vom Wahrzeichen, dem Jet d'eau, einer 140 Meter hohen Fontäne im See. Da Europas internationalste Stadt teuer ist, habe ich mich nach günstigen Vergnügungen umgesehen.
Mein Sommer in der Schweiz
Erleben
Den 200 Stundenkilometer schnellen Strahl des Jet d’Eau darf anschalten, wer um 9.30 Uhr den ehrenamtlichen Aufpasser bezirzt (Steg am Quai Gustave-Ador, Höhe Nr. 24, gratis). Dann am Seeufer flanieren, vorbei an Mini-Strand (Quai Gustave-Ador, gratis), Luxus-Jacht-Ausstellung (Quai de Cologny, Angucken kost’ ja nix), Plakaten zur Stadtgeschichte, beginnend mit 1814, dem Jahr, in dem der Kanton seine Verfassung bekam (Quai Wilson). Von 1920 an tagte der in Genf gegründete Uno-Vorläufer Völkerbund. In Fußnähe zu seinem wuchtigen Palast gehen die Vereinten Nationen baden: in den Bains des Pâquis, einer Schwimmanstalt im Fünfziger-Look (Quai du Mont-Blanc 30, www.bains-des-paquis.ch, ca. 2 €). Araber, Asiaten, Afrikaner, Amerikaner – man meint, Menschen aus allen 193 vertretenen Ländern planschten hier. Ihre Kulturen, Moden, Musik- und Sprachenvielfalt machen die stellenweise graue 200 000-Einwohner-Stadt im westlichsten Winkel der Schweiz zur bunten Weltstadt und zum attraktiven Sitz für mehr als 200 internationale Organisationen, darunter das in Genf erfundene Rote Kreuz. Im modernen, sehr berührenden Red Cross Museum wurden die drei Bereiche der Dauerausstellung – Menschenwürde, Familienbande, Naturgefahren – von Architekten aus Brasilien, Burkina Faso und Japan gestaltet (Avenue de la Paix 17, www.redcrossmuseum.ch).
Steile Kopfsteinpflaster-Gassen, Markisen-verzierte Brasserien, Stöber-Antiquariate und die fürs Kaffeetrinken und Leutegucken ideale dreieckige Place du Bourg-de-Four vor der Kathedrale Saint Pierre: Genfs winklige Altstadt könnte ein französisches Dorf sein. Und Carouge ein italienisches. Die nahe Gemeinde mit ihren verwitterten Fensterläden, der Piazza und den Schau laufenden Großfamilien ist einen Straßenbahn-Ausflug wert. Außerdem kann man dort kostenlos den Streichern des Centre Musical Robert Dunand lauschen, deren Spiel in den Hinterhof perlt (Rue du Marché 9). Abends gibt’s Gratisopen-Air-Kino am See: Beim Festival Ciné Transat sitzen Besucher auf Klappstühlen oder Bierkisten und genießen Filme in OmU, vom Klassiker bis zum Indie-Kino (Parc de La Perle du Lac, gratis).
Einkaufen
Abseits der Luxus-Meile Rue du Rhône machen individuelle, kleine Läden Lust aufs Bummeln und Shoppen: Concept Sud des deutschen Ex-Bankers Bertram Seitz bietet knallbunte Taschen, Kleider und Schmuck (Grand-Rue 13, www.concept-sud.com). Les Enfants Terribles kombiniert bei Geschirr, Deko und Textil Fünfziger-Design mit kühl-nordischem Look (Rue Prevost-Martin 24, www.les-enfants-terribles.ch). Beste Confiserie gibt’s bei Arn (Place du Bourg-de-Four 12, www.swisschocolates.ch), Auer (Rue de Rive 4, www.chocolat-auer.ch) oder Pascoët (Rue Saint-Joseph 12, www.pascoet.ch).
Geniessen
Der 1-a-Start ist ein Brunch im Coup de Girafe – inmitten von Retro-Relikten wie Tastentelefon Schreibmaschine (Rue du Maunoir 18). Das beste Eis hat Gelato Mania, Ananas-Basilikum etwa (Rue Saint-Joseph 43, www.gelato-mania.ch). Abends unschlagbar: die Tapas-Platte im Chat Noir, einem Musikclub mit Durchfeiergarantie (Rue Vautier 13, www.chatnoir.ch).
Schlafen
Die gute Nachricht: Alle Hotels geben kostenlose, von der Stadt finanzierte Tickets für Bus, Bahn und Fähren aus. Die schlechte: Genf ist mit Preisen von durchschnittlich gut 250 Euro pro Nacht Spitze in Europa. Zentrale und günstige Unterkünfte haben ihren Preis: kleine, recht karge Zimmer.
Die im gepflegten City Hostel verfügen über Waschbecken, Toilette und Dusche sind auf dem Flur (Rue Ferrier 2, www.cityhostel.ch). Das Hôtel de Genève hat Nasszellen, die aber sind eng wie im Nachtzug der Deutschen Bahn. Dafür gibt es einen Frühstücksraum mit Felssteinwand im Chalet-Stil (Place Isaac-Mercier 1, www.hotel-de-geneve.ch).
Das von der Heilsarmee in der Altstadt betriebene Bel'Espérance bietet komfortable Zimmer, sympathischen Service und einen Mietgrill fürs Barbecue auf der Dachterrasse mit tollem Blick über die Stadt (Rue de la Vallée 1, www.hotel-bel-esperance.com).