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Südafrika Imagewechsel für Johannesburg

Einst Südafrikas Sorgenkind, entwirft sich die Stadt jetzt neu, und einstige No-go-Areas vibrieren vor Kreativität. Wir stellen die spannendsten Viertel vor

Inhaltsverzeichnis

Maboneng - Heimat für HipsterJohannesburgs neue Mitte: In alte Industriehallen sind Künstler eingezogen, die aus dem schäbigen Arbeiterviertel mit hoher Kriminalitätsrate und illegal besetzten Häusern einen Szenebezirk gemacht haben. Die Backsteinmauern sind nun Kulisse für Shops, Bars und Galerien

David Krut steht vor großformatigen Bildern, Linolschnitten auf signalroten Farbfeldern, eines zeigt die Silhouette von Johannesburg auf einem Rollkoffer - eine Stadt am Start. "Es gibt sehr viele junge Talente, überall entstehen neue Kunstprojekte“, sagt Krut, ein Mann um die sechzig mit weißem Haar und schmaler Brille. Seine Galerie in einer alten Lagerhalle in Maboneng ist Ausstellungsraum, Buchladen, Druckwerkstatt und Künstlerkooperative in einem. Als Banker hat der Südafrikaner in England viel Geld verdient, kam in seine Heimatstadt zurück, eröffnete erst eine Galerie im reichen Stadtteil Parkwood, dann eine in Maboneng. Inzwischen ist daraus der angesagte Künstlerkomplex Arts on main (Main/Ecke Berea Street, www.mabonengprecinct.com) geworden. "Hier sind wir mittendrin, der Ort hat sich zu einer Hauptattraktion von Johannesburg entwickelt.“ Wie andere innerstädtische Viertel war Maboneng lange eine No-go-Area für Touristen. Dann kam Jonathan Liebmann: Der Investor kaufte vor fünf Jahren ganze Straßenzüge auf und entwickelt die Gegend seither zu einem Bohème-Quartier mit Modeläden, Restaurants, Loft-Wohnungen und Rooftop-Bars. Die Zimmer des Design-Hotels 12 Decades (Fox St 286, Tel. 0027-11-26 56 01, www.12decadeshotel.co.za ) haben Künstler gestaltet, eines heißt "A part love, a part hate“ - in die Kloschüssel ist die Apartheid-Gesetzgebung aufgebracht. Private Sicherheitsleute in Uniformen stehen an den Straßenecken und wachen über das neue Maboneng. Liebmann hat einen Kokon für Touristen, Kreative und Neureiche geschaffen, auch der angrenzende Central Business District ist sicherer geworden. Langnasige Sicherheitskameras überblicken die Straßen, Schnellbusse halten an bewachten Stationen. "Früher hätte ich keinen Fuß hierher gesetzt, es war wie im Wilden Westen“, sagt David Krut. Im Innenhof seiner Galerie trinken gut gekleidete Menschen Smoothies und hören elektronische Musik, Street Art klebt an Backsteinmauern. "Die ganze Innenstadt wird von der Entwicklung Mabonengs profitieren.“ Von "Arts on Main“ aus starten Rundgänge ins nahe Geschäftsviertel zum Carlton Center (Commissioner St 150), von dessen 50. Stock aus Besucher die ganze Stadt überblicken können, und zum Gandhi Square, wo der Freiheitskämpfer einst seine Anwaltskanzlei betrieb. Was früher undenkbar war, ist heute möglich: Johannesburg lässt sich zu Fuß entdecken.

Südafrika: Sonntags (10–15 Uhr) ist Market on Main: Hier gibt es Selbstgekochtes und Design von lokalen Händlern www.marketonmain.co.za
Sonntags (10–15 Uhr) ist Market on Main: Hier gibt es Selbstgekochtes und Design von lokalen Händlern www.marketonmain.co.za
© Ann Hermes/The Christian Science Monitor via Getty Images

3 Tipps für Maboneng

Auf den Main Street Walks erkunden Touristen Maboneng und den Finanzdistrikt zu Fuß.

www.mainstreetwalks.co.za

Drei Etagen voller Bücher, Platten und Trödel. Unbedingt Geoffrey, den Eigentümer von Collector's Treasury, nach abwegigen Themen fragen - und ihm durch die Bücherberge folgen.

Commissioner St 244

Westafrikanische Küche, etwa in Zitrone mariniertes Lamm mit Oliven, serviert das House of Baobab.

Kruger St 50, Tel. 0027- 11-039 16 32

Braamfontein - Öko-Avantgarde

Noch vor ein paar Jahren waren in dem nördlich der Innenstadt gelegenen Viertel vor allem Studenten der nahen Witwatersrand-Universität unterwegs. Nun findet jedes Wochenende ein großer Öko-Markt statt. Urlauber und Einheimische aus den reichen Vorstädten kommen, um Galerien oder das neue Kunstmuseum zu besuchen.

Spät am Abend sollten Urlauber vielleicht immer noch nicht nach Braamfontein kommen. Aber tagsüber werden sie Zeugen des Aufschwungs. In einem betongrauen Parkhaus in der Juta Street trifft sich jeden Samstag die Öko-Szene auf dem Neighbor Goods Market (Juta St 73, www.neighbourgoodsmarket.co.za Sa 9–15 Uhr), drängelt sich zwischen Ständen mit bunten Stoffen, Schmuck, Kleidung und Essen - vom Cupcake bis zum Straußenfleisch-Burger. Eine Band spielt Funk-Musik, die Besucher trinken Cocktails und den Saft grüner Kokosnüsse auf der Sonnenterrasse. Anders als das etwas zerfaserte Maboneng entwickelt sich Braamfontein organischer. Gegenüber vom Parkhaus-Markt liegt 70 Juta (Juta St 70), ein bunter Komplex mit Läden von Mode- und Möbeldesignern, überall eröffnen Restaurants und Galerien, die Witwatersrand-Universität betreibt das Wits Art Museum (University Corner, Bertha/Ecke Jorissen Street, www.wits.ac.za/wam Mo/Di geschl.) für Kunst, das moderne Werke und afrikanisches Kunsthandwerk provokativ nebeneinander zeigt. "Kein Tourist ist früher nach Braamfontein gekommen, ich finde es toll, dass jetzt so viel los ist“, schwärmt der Kunststudent Neo Matloga. Im Neighborgoods Market wendet die Australierin Genevieve Maynard türkische Gözleme-Fladen auf einer heißen Platte. "Ich wohne in einem Vorort“, sagt die 48-Jährige. "Wenn ich dort erzähle, dass ich zum Verkaufen nach Braamfontein fahre, sind die Leute entsetzt. Sie haben noch die alten Bilder im Kopf und merken erst langsam, dass sich ihre Stadt verändert hat.“

Südafrika: Auf dem Parkdeck eines hässlichen Bürogebäudes, drängeln sich gut gelaunte Menschen auf dem Neighborgoods Market
Auf dem Parkdeck eines hässlichen Bürogebäudes, drängeln sich gut gelaunte Menschen auf dem Neighborgoods Market
© Pettersson/laif

3 Tipps für Braamfontein

Im Hof zwischen Bambusbüschen sitzt man im Narina Trogon, wo Paul Barrett köstliche Rote-Bete-Rösti mit Räucherlachs zaubert.

De Korte St 81, Tel. 0027-11-339 66 45,

www.narinatrogon.com

Die hippe Roof-Top-Bar Randlords residiert im 22. Stock eines Hochhauses.

De Korte St 41, www.randlords.co.za

Das Wits Art Museum hat auch ein nettes Café, wo riesige Muffins und superstarker Espresso serviert werden.

University Corner, Bertha/Ecke Jorissen Street, www.wits.ac.za/wam Mo/Di geschl.

Newtown - Newcomer von morgen

Dutzende von geschnitzten Holzköpfen weisen den Weg vom Mary-Fitzgerald-Platz zum "Museum Africa“ in der Markthalle, im Herzen des einstigen Marktviertels. Heute gilt Newtown als das gewachsene kulturelle Zentrum der Stadt. Im "Market Theatre“ im ehemaligen indischen Fruchtmarkt saßen bereits zu Apartheidzeiten Schwarze und Weiße nebeneinander und sahen kritische Stücke an.

Money Naidoo steht hinterm Tresen und zerreibt Heilkräuter zwischen den Fingern. "Das hier ist für Glücksbäder und das da,

um mit den Ahnen zu sprechen“, sagt sie. Pferdeschädel, Tierfelle und Antilopenhörner hängen von der Decke herab, Kunden müssen sich ducken, wenn sie tiefer hinein wollen ins Kuriositätenkabinett, zu den getrockneten Affen, den Trommeln, Perlenketten, Puppen, Pfoten und Schwänzen. Ein krummer alter Mann nestelt an kleinen Kästchen, neben ihm baumelt ein Bündel bleicher Knochen. "Bei mir kaufen sangomas, die traditionellen Heiler, was sie für ihre Sitzungen brauchen“, erzählt Naidoo. Ihr vollgestopfter Laden Kwa Zulu Muti (Diagonal St 14) liegt am Rande von Newtown in der Diagonal Street zwischen indischen Händlern und kleinen Drogerien. Weil manchmal auch Touristen kommen, hat sie ihn "Museum für Mensch und Wissenschaft“ getauft und beantwortet geduldig Fragen. "Manchmal kauft einer einen Heilerstab oder eine Trommel“, sagt sie und verschwindet schnell in die Eingeweide afrikanischer Glaubenswelten. Seit die Stadtverwaltung vor gut zehn Jahren die öffentlichen Plätze saniert hat, sind Musikkneipen, Restaurants, Fotoschulen und Kunsthandwerksläden in verlassene Industriegebäude gezogen. Sonntagmorgens stöbern Einheimische wie Touristen gern auf dem Flohmarkt herum, und gleich um die Ecke der Edwardianischen Markthalle, nahe der Oriental Plaza, reihen sich kleine Shops mit Alltagskram, von Stoffen bis zu Elektronik und Eisenwaren. Jenseits der Märkte und Kunstorte aber scheinen die einst so geschäftigen Straßen zuweilen wie ausgestorben zu sein, noch hat kein Hotel eröffnet. Das Stadtviertel wartet noch immer auf den verdienten großen Auftritt.

Südafrika: Eintauchen in Südafrikas Geschichte: Im Museum Africa in Newtown
Eintauchen in Südafrikas Geschichte: Im Museum Africa in Newtown
© Jon Hicks/Corbis

3 Tipps für Newtown

Zu Apartheidzeiten war das Market Theatre eine Plattform des künstlerischen Widerstands, heute veranstaltet es Bühnenspiele, Konzerte und Comedies.

Bree/Ecke Miriam Makeba Street, www.markettheatre.co.za

Das Kulturzentrum The Bus Factory in einem alten Busdepot ist Heimat mehrerer Kunstprojekte, darunter das "Artist Proof Studio", wo es günstige Drucke junger Künstler gibt.

President St 3

Äthiopischer Kaffee, vor Ort geröstet, warme Zimtschnecken und vegane Gerichte gibts bei Kaldi's.

Central Place 1/ Jeppe Street; Tel. 0027-837 57 02 77

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