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Slow-Food-Reise Salina - Auf Odysseus' Spuren

Die Äolische Vulkaninsel vor Sizilien ist Heimat von Kapern, Süßwein und großartigen Fisch-Restaurants. Eine Slow-Food-Reise auf Odysseus’ Spuren
Slow-Food-Reise: In die Ferne schauen und Schlemmen, lässt sich auf Salina wunderbar miteinander verbinden, wie etwa auf der Terrasse des Hotel Signum
In die Ferne schauen und Schlemmen, lässt sich auf Salina wunderbar miteinander verbinden, wie etwa auf der Terrasse des Hotel Signum
© Sabine Lubenow/LOOK-foto

Grauer Bauch, grauer Schwanz … eine Ratte!? "No!" Antonello hält das glibbernde Ding über seinen Mund, zuzelt einen von mehreren Zipfeln wie eine Nudel an, schlürft ihn dann ganz in den Mund. Und beißt ab. Knups. Kreisch! Entsetzen bei den Frauen. Verzerrte Mundwinkel bei den Männern. Ein Krake! Gerade hat er noch gelebt. Sieben weitere Male – acht Tentakel hat jeder brave Oktopus – wiederholt Antonello Randazzo genussvoll das Schauspiel, er saugt an, beißt ab und schluckt. "Schmäckte SO gutte!" Antonello plappert und kriegt sich kaum ein: "Das värrstähte die Deutsche nikte …" Aber jetzt bittet er mit schwungvoller Geste an Bord. Weil diese Germanen ungeschlacht und tölpelhaft sind, reicht er ihnen beim Besteigen galant die Hand. Alle sicher an Bord? Meine Reisegruppe verteilt sich, es sind zwölf Deutsche und zwei Schweizer, so von, ich schätze mal, Ende 30 bis Anfang 80. Die alle also verteilen sich auf die Plätze. Antonello senkt machtvoll die Pranke, entdrosselt den Motor und – wvrrrumm, diesel und dröhn!!! – die "Stella di Salina" braust ab.

Ziel: Stromboli, das qualmende Dreieck am Horizont. Die Äolischen Inseln. In der Odyssee beschreibt sie Homer als "schwimmend" im Meer, "glatt erhebt sich der Felsen, ringsum ist eine Mauer, ehern und nicht zu durchbrechen". Da hatte der blinde Seher Recht, so liegen sie da, diese Inseln des Windgottes Äolus, die nach der Hauptinsel Lipari auch die Liparischen heißen. Nördlich von Sizilien liegen sie und sind von dort aus, bei gnädigem Wetter, in wenigen Stunden mit dem Tragflügelboot zu erreichen. Auch via Neapel gelangt man dorthin, mit der Autofähre. Armer Odysseus! Der Dulder hatte es nicht so leicht, er konnte nicht mal eben nach Catania fliegen oder Palermo, konnte nicht nonstop über die Alpen einschweben, dann den Bus zum Hafen von Milazzo nehmen und dort das Flitzboot besteigen.

"Argh! Au! Au." Was soll denn das jetzt?! Ein jäher Schmerz reißt mich aus meinen Gedanken an die Odyssee, denen ich im Spa-Bereich meines Hotels nachgehe. "Bries diepli" – schön tief atmen, haucht die schlanke Schönheit. "Bries normel and trai tu rilääääx." Wie das?! Wie ruhig weiteratmen, wenn diese Maria ihren spitzen Ellbogen gewaltig, tief und lang in eine Stelle meines Schenkels bohrt, von der ich bislang nicht wusste, dass sie so sehr schmerzen kann. Willenlos hatte ich mich den Samtpfoten dieser Wellness-Priesterin ergeben. Nun der Schmerz, doch bald lässt mich Maria zurück ins Gedankliche, in das sedierende Gemurmel der Spa-Brünnlein und die träumerische Klangwelt der äolischen Vögel. Ohne Unterlass herrscht da ein orchestrales Tirili und Tirila, singen Zeisig, Girlitz und Stieglitz, Grasmücken und Orpheusspötter, verwandeln die Zugvögel Europas die Äolischen Inseln in Klangkathedralen. Ich verleihe Salina allein schon wegen ihrer Klangwelt drei Sterne in meinem (hier von mir und nur für diese Passage erfundenen) Akustik-Michelin. Da muss ich gar nicht auf Fische, Wein und Kapern versessen sein, derentwegen ich eigentlich auf Salina bin. Da reicht schon das Konzert.

Salina kulinarisch entdecken

Nun sitzt meine Reisegruppe auf der Terrasse des Hotels und starrt in die Ferne, wo der Stromboli als perfekt gleichschenkliges Dreieck schwimmt und, aus der Ferne betrachtet, Wölkchen schmaucht. Jede Wolke wird kommentiert, denn wir wissen seit dem Vortag, was zwei Bootsstunden von uns entfernt abgeht. Wir dümpelten nächtens ganz wehrlos in Antonellos Boot, wie auf Reize versessene Touristen das so tun, die jetzt – bitteschön! – ein wenig Kitzel erwarten. Und dann spie er mit einem Mal. Der Vulkan spie grell leuchtend senkrecht in die Höhe, er kotzte orange-rot, erbrach sich, spritzte wabernde Lohe empor, die noch in der Luft erstarrte und als glühendes Brockenwerk kullernd, kollernd und polternd zum Meer hinabstürzte, wo es zischend, brühend und merkwürdig aufjaulend versank.

Dies wieder und wieder durchlebend und respektvoll besprechend sitzen wir auf der Terrasse bei einem Glas kühlem Weißwein. Wir glotzen, trinken, trinken und glotzen – kurz, wir entspannen uns. Gleich schlendern wir allesamt in die Küche und lernen dort von der Köchin die Kunst der caponata, das ist ein buntes, essigsüßsaures Auberginen-Ragout, das wie kaum etwas anderes gut zu Lamm und gebratenem Fisch passt. Wir lernen auch Ravioli mit Ricotta zu basteln und erfahren den Trick, wie man filetierte rohe Sardinen würzig füllt, paniert und fettarm ausbackt. Es gibt kunsthistorisch ausgerichtete Reisen, solche mit einem Naturschwerpunkt und selbst spezielle Unternehmungen wie Wal- und Delfin-Reisen. Unsere aber ist eher kulinarisch ausgerichtet. Wir rücken bei einem Winzer ein, der den ortsüblichen Malvasia macht – noch bei Thomas Mann und Fontane ein gängiger Süßwein auch in Deutschland; wir entdecken die Kapernbüsche, die ab April sprießen und von denen ab Mai die Blütenknospen gelesen werden – Kapern sind Knospen, keine Früchte; wir schauen den Fischern in die Kisten, sehen dort Pfeilkalmare und silbrige Brassen. Aber sich zu gruppieren ist kein Zwang. Man kann sich auch abseilen. Bei einem Besuch im abseits gelegenen Hotel "Capofaro" – wo doch Salina schon abseits ist, ist "Capofaro" also abseits vom Abseits – esse ich erst Thunfisch mit Erdbeeren und Thymian (sensationell!) und danach die besten Sepia-Spaghetti meines Lebens. Intensiv meerig schmeckend, aber nicht fischig, mit einer schwarztintigen, leicht sämigen Sauce und leicht widerständig knupsigen Sepia-Stücken. Knups? Da war doch was. Ach ja, nein, Antonello hat natürlich nicht Recht – auch Deutsche verstehen Oktopoden zu essen! Nur müssen es ja nicht die glibberig rohen Tentakel sein. Garen und würzen hilft. Dann essen auch wir sie. Auf Salina etwa, der Äolischen Insel.

Info

Sapio

Das Berliner Reiseunternehmen hat sich auf kulinarische Reisen spezialisiert und ist der einzige Anbieter dieser Art für die Äolischen Inseln. Hauptziel der achttägigen Reise ist Salina. Die Gäste (6–12 Personen) wohnen im "Hotel Signum" (s. u.). Tel. 030-25 56 29 37, www.sapio.de

Essen

Ristorante a Cannata

Einfaches Fisch- und Pasta-Lokal am Wasser.

Lingua, Via Umberto I. 13, Tel. 0039-090-984 31 61, www.acannata.it

’Nni Lausta

Restaurant mit gehobenem Anspruch

Santa Marina, Via Risorgimento 188, Tel. 0039-090-984 34 86, www.isolasalina.com

Schlafen

L’Ariana

Einfaches, freundliches Haus im einzigen Dorf mit Sandstrand.

Rinella, Via Rotabile 11, Tel. 0039-090-98 09-0 75, www.hotelariana.it

Ravesi

Familienhotel mit Pool.

Malfa, Via Roma 66, Tel. 0039-090-984 43 85, www.hotelravesi.it

Mercanti di Mare

Gleich neben dem Fähranleger.

Santa Marina, Piazza S. Marina 7, Tel. 0039-090-984 35 36, www.hotelmercantidimare.it

Mamma Santina

Im sizilianischen Stil eingerichtete Zimmer, tolle Terrasse.

Santa Marina, Via Sanità 40, Tel. 0039-090-984 30 54, www.mammasantina.it

La Locanda del Postino

Hotel-Restaurant im Dorf Pollara, wo "Il Postino" gedreht wurde.

Via Picone 10, Tel. 0039-090-984 39 58, www.lalocandadelpostino.it

Signum

Gediegenes Hotel mit Pool, Spa, Restaurant und Traumterrasse.

Malfa, Via Scalo 15, Tel. 0039-090-984 42 22, www.hotelsignum.it

Capofaro

Fünf-Sterne-Anlage der adeligen Winzerfamilie Tasca. Exzellente Küche, Pool, hinreißender Blick.

An der Nordostspitze, Tel. 0039-090-984 43 30, www.capofaro.it

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