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Spanien Cuenca - Stadt am Abhang

Die Felsenstadt in Kastilien ist eine Hochstaplerin mit Hang zu Kunst und Abgründen. Lohnend als Tagestrip von Madrid oder als Auftakt zu einer Mancha-Wanderung
Spanien: Auf einem Felsplateau zwischen zwei tiefen Schluchten erhebt sich die kastilische Stadt Cuenca
Auf einem Felsplateau zwischen zwei tiefen Schluchten erhebt sich die kastilische Stadt Cuenca
© Freeartist/iStocphoto

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Altstädte thronen ja gern mal auf Anhöhen. Aber diese Unesco-Weltkulturerbe-Stadt treibt es im wahrsten Sinn des Wortes auf die Spitze: Auf einem schmalen Felsplateau zwischen zwei Schluchten, eine davon mit senkrecht abfallenden Wänden, hat sich Cuenca angesiedelt. Das Platzangebot war seit jeher spärlich, deshalb wuchsen die Häuser im Laufe der Jahrhunderte zu einem verschachtelten Gesamtkunstwerk zusammen, mit immer neuen Erkern und Balkonen, Treppen, An- und Aufbauten, bis zu elf Stockwerke hoch. Beziehungsweise: tief. Denn an einigen Stellen wurde über die Hangkante hinweg nach unten gebaut: So sind die berühmten Hängenden Häuser das Wahrzeichen einer Stadt, die höchst kreativ mit ihrer Platznot umging.

Ansehen

Aber nicht alles ist klein in der Altstadt: Die Kathedrale etwa leistet sich eine gewaltige neogotische Fassade. Dahinter geht es allerdings ein paar Nummern bescheidener weiter: Durch die riesigen Fenster des Portals blickt man einigermaßen verblüfft in den Himmel, denn ein großes Kirchenschiff fehlt ebenso wie ein Kirchturm. Innen ist die Kathedrale gleichwohl einer der wunderbarsten sakralen Orte Spaniens. Das liegt vor allem an den hellen, modernen Bleiglas-Fenstern des conquensischen Künstlers Gustavo Torner. Sie übergießen die gotischen Strebepfeiler, die Böden und die Besucher förmlich mit farbigem Licht. Was für ein Unterschied zur sonoren Düsternis, die sonst oft an solchen Orten herrscht! Farben sind das große Thema Cuencas. Wer aus der Kathedrale auf die Plaza Mayor tritt, dem fallen sie sofort ins Auge: die Hausfassaden in warmen Rot-, Orange- und Gelbtönen. Eine Reminiszenz an den Färbe- und Gewürzstoff Safran, bis heute eine Spezialität der Region. Lange vergangen dagegen sind die Zeiten, in denen Teppiche gewebt und gefärbt wurden. Irgendwann riss ein gieriger König diese lukrativen Gewerbe an sich, und Cuenca, bis dahin eine reiche Stadt, verarmte. Einzig im Diözesanmuseum hängen noch ein paar traurige Teppichreste – und ein echter El Greco, den sich ein reicher Händler einst vom "Wollgeld" leisten konnte (Calle Obispo Valero 3, www.museodiocesanocuenca.jimdo.com).

Kunstvoll

Die Conquenser Tradition des Kunstsammelns fand im 20. Jahrhundert eine unerwartete Fortsetzung – und machte das Städtchen sogar zu einem der wichtigsten Orte der abstrakten Moderne in Spanien. Der Maler und Mäzen Fernando Zóbel vererbte 1963 seine Sammlung der privaten Stiftung Juan March, die damit das Museo de Arte Abstracto Español aufbaute und als Ort die Hängenden Häuser aus dem 16. Jahrhundert wählte (Calle Canónigos, www.march.es). Ein einzigartiger Ausstellungsort: In den intimen, labyrinthischen Räumen wirken die Skulpturen und Gemälde nahbarer als in so manch großer Halle, und zwischen den Bildern tun sich immer wieder gerahmte Fenster-Ausblicke auf die bizarre Landschaft der Schlucht auf. Vor allem in Zóbels eigenen Bildern gibt es häufig Bezüge zur Szenerie der Stadt. Eine feine rote Linie etwa spielt wiederholt auf ein weiteres Wahrzeichen an: die 1902 auf den mittelalterlichen Pfeilern ihrer Vorgängerin erbaute rot gestrichene Eisenbrücke Puente de San Pablo, die die tiefe Schlucht Hoz del Huécar unterhalb der Hängenden Häuser quert. Neben dem Museum haben sich etliche Sammlungen zeitgenössischer Kunst in der Altstadt etabliert. Etwa die Fundación Antonio Pérez, eine bis unters Dach angefüllte Wunderkammer (Ronda de Juan Romero 20, www.dipucuenca.es).

Wandern

Cuenca ist eine Station auf dem 380 Kilometer langen Camino de la Lana, der "Woll-Route", die von Alicante nach Burgos führt. Früher ein Handelsweg für Wolle, heute Teil des Jakobswegs inklusive Unterkünften und Stempeln. Die Landschaft nördlich von Cuenca ist bei weitem nicht so zerklüftet wie um die Stadt herum, dafür aber liebenswert kleinräumig, mit Hügeln in wechselnden Erdtönen, zwischen denen man auch heutzutage mehr Schafe als Pilger trifft. Besonders knuffig ist das Dörfchen Albalate de las Nogueras: Die dortigen Hügel sind geradezu durchlöchert von höhlenartigen Stollen, die als Weinlager dienen. In den Eingängen hocken Weinbauern, die Passanten und Pilger gern auf einen Schluck einladen. Kein Teil der Wollroute, aber sehenswert bizarr: Die 30 Kilometer von Cuenca entfernte Ciudad Encantada, die mit ihren surrealen Felsformationen tatsächlich wie verzaubert wirkt.

Essen und Schlafen

Rustikal-einfach, mit minimalistischem Frühstück und Service, steht die Posada Huécar am Fuße des historischen Zentrums (Paseo del Huécar 3, www.posadahuecar.com).

Wie die Altstadt ist auch das Hotel und Restaurant Posada de San José ein Raumwunder, dem man sein verschachteltes Innenleben von außen nicht ansieht. Sowohl von etlichen Zimmern als auch vom Restaurant aus haben Besucher einen grandiosen Blick über den Canyon mit seinen Felsnadeln und Zypressen. Einziges Dilemma: Auch die Kunst an den Wänden und das hervorragende Essen (Tapas!) fordern Aufmerksamkeit. Ein Clou und preiswerte Alternative zu den normalen Zimmern sind die schlicht-schönen ehemaligen Mönchszellen des Klostergebäudes (Calle Julián Romero 4, www.posadasanjose.com).

Auf der gegenüberliegenden Seite der Schlucht befindet sich in einem Dominikaner-Kloster aus dem 16. Jahrhundert die nobelste Unterkunft der Stadt: der Parador de Cuenca (Subida a San Pablo, www.paradores.de/parador-de-cuenca.htm). Auch wenn man nicht dort nächtigt, sind das Restaurant im ehemaligen Refektorium und der Kreuzgang – ebenfalls mit moderner Kunst behängt – auf jeden Fall einen Besuch wert.

Hinkommen

In 50 Minuten mit dem Schnellzug AVE aus Madrid oder Valencia, 1,5 Stunden aus Alicante (www.renfe.es).

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