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Knödel-Kultur Die Geschichte der Südtiroler Leibspeise

Knödel mit Pilzfüllung
© mauritius images / foodcollection
Geformt in der hohlen Hand, war der Knödel womöglich die erste Konserve der Menschheit. In Südtirol hat sich daraus eine Tradition entwickelt,die kulinarische Höhenflüge inspiriert

So ein Speckknödel hat dochalles, was man zum Leben braucht!“ Gutgelaunt, wie Paul Grüner – Knödel-König, Gastwirt der Goldenen Rose im Schnalstal – das erklärt, kann es nur bedeuten: Was braucht es mehr als Genießerfreude, Humor, Appetit und die Neugier auf alles, was als Nächstes kommt?

Natürlich ist auch zu sehen und zu schmecken, dass diese tennisballgroße Kugel im Teller aus gewürfeltem altbackenem Brot, Speck und Zwiebeln, Eiern und Petersilie gemacht ist. Ein klassischer Südtiroler Specknödel, „uaner zu Wasser“, also ineiner klaren Suppe serviert.

Wein kommt auf den Tisch, ein Pinot Grigio. Dann der nächste Knödel: „uaner zu Land“ diesmal, ein Spinatknödel, wie ihn seit je die Südtiroler Hausfrauen und Gasthausköche drehen, wenn sie frischen Spinat oder Mangold zur Hand haben.

„Und altes Weißbrot – denn das ist die letzte Chance, darausnoch etwas zu machen“, scherzt Grüner und wird philosophisch: „Die Erfolgsgeschichte der Knödel reicht 4000 Jahre zurück. Sie bewahren unsere Tradition und stiften Heimat.“

Wohl wahr, denn wenn die einschlägige Forschung recht hat, stammen die ersten archäologischen Knödelfunde im Alpenraum aus jungsteinzeitlichen Pfahlbaudörfern am Mondsee.

In der hohlen Hand – nicht anders als heute! – formten die Urahnen essbare Zutaten zu runden, transportablen Klumpen. Als Proviant für die Jagd,oder vielleicht sogar als „erste Konserve der Menschheit“, wie österreichische Kulturhistoriker vermuten.

Später gelangten die Knödel nach Südtirol, so rechtzeitig und eindrucksvoll, dass sie als heimische Urspeise gelten dürfen. Ein Fresko in der Burgkapelle von Hocheppan aus dem 13. Jahr- hundert zeigt ihre erste bildliche Darstellung. „Die Knödelesserin“, eine Magd am Wochenbett der biblischen Maria. In einer Pfanne hat sie fünf Knödel auf dem Feuer, den sechsten führt sie gierig zum Mund. Sie warenalso bereits im Mittelalter ein populäres Essen, vor allem für ärmere Leute.

Eine frugale Bauernkost blieben Knödel denn auch quer durch die Jahrhunderte. Gemacht wurden sie meist aus dem, was an Resten greifbar war. Mit Mehl, Brot, Kartoffeln. Mit Speck, Wurst, Leber, Blut, Käse,Kräutern.

Auf den Tisch kamen sie anden „Knödeltagen“: Dienstag, Donnerstag und Sonntag. Kein Wunder, dass die Nouvelle Cuisine sie als Trauerklöße links liegen ließ. Doch diese Zeiten sind längst vorbei, heute ist jeden Tag Knödeltag, und erlaubtist, was schmeckt.

So zeigt sich, dass in der uralten Leibspeiseder Südtiroler noch viel Leben steckt: Von kreativen Köchen veredelt mit Garnelen oder Trüffeln, erhält das Armeleuteessen zu guter Letzt die Weihen der hohen kulinarischen Kunst.

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