
Wo mehr als 100 Jahre lang Soldaten salutierten, stehen jetzt Weinflaschen stramm – Grauburgunder statt Gefreite, Rieslinge statt Reservisten, Silvaner statt Stabsoffiziere. Wie Kunstobjekte werden die Werke von 55 Winzern präsentiert, ausgeleuchtet und mit schwarzen Rahmen versehen. So gleicht die neue Vinothek par Terre mehr einer Galerie als einer Weinbar – kühles Design in Kasernenklinker, gestaltet vom Berliner Modemacher Michael Michalsky mit einem Wechselspiel aus Sandstein und Stahl, aus Schwarz und Grau, auf dem Gelände der Estienne-Foch-Kaserne, am Ende des 19. Jahrhunderts als Quartier für bayerisches Militär gebaut und bis 1999 von französischen Streitkräften genutzt (Landau in der Pfalz, Georg-Friedrich-Dentzel-Str. 11, www.parterre.de, Mo/Di geschl.). Schon wachsen Blumenbeete, Spielplätze und Wohnbauten auf dem Truppenterrain, Vorboten der Landesgartenschau im kommenden Jahr (www.lgs-landau.de, 17. 4.–18. 10. 2015).
Dass sich eigenwillige Winzer vom Lande mit einem hauptstädtischen Kreativen zusammentun, belegt die Aufbruchstimmung an der Südlichen Weinstraße (www.suedlicheweinstrasse.de), jenem Landkreis rund um Landau mit seinen beschaulichen Dörfern. Weinberge grenzen an die Hänge des Pfälzerwaldes, Burgen am Waldrand bergen Geschichten und geben den Blick frei auf die Rheinebene. Straßen schlängeln sich so eng durch kleine Orte, dass kaum Platz für Fußgänger bleibt. "Vor einer Generation sprach man noch geringschätzig von der Süßlichen Weinstraße", erinnert sich Joel B. Payne, Herausgeber des Weinguides "Gault Millau".
"Heute ist diese lang unterschätzte Region eine der sichersten Quellen für exzellente trockene Weine." Einer, der diesen Wandel mit anstieß, steht unterm riesigen Blauglockenbaum im Hof seines Weinguts Friedrich Becker in Schweigen-Rechtenbach (Hauptstr. 29, www.friedrichbecker.de). Der Winzer hatte 1991 zusammen mit vier Freunden (www.fuenf-winzer.de) die ehrgeizige Idee, "einen Rotweintyp auf internationalem Niveau zu entwickeln". Heute gilt Becker als Rotwein- Papst, seine Spätburgunder, in Barriquefässern aus Pfälzer Eiche gereift, gehören zu den besten Rotweinen Deutschlands. "Qualität ist ansteckend, und die Jungen möchten zu gern noch eins draufsetzen", sagt Becker. "Wir müssen die besonderen Möglichkeiten unserer Böden aber noch besser nutzen, sie schmeckbar machen." Beckers Nachbar Andreas Grimm, vom gleichnamigen Weingut geht diesen Weg. Auch dank seines tiefroten 2012er Spätburgunders. "Kalkgestein" wurde in diesem Jahr 1. Sieger in der Gesamtwertung des Wettbewerbs "Die junge Südpfalz" (Paulinerstr. 3, www.weingutgrimm.de).
Grimm, oft mit seinem Mountainbike unterwegs, liebt Touren hoch zu den Burgen, und ich folge seinen Tipps. Oberhalb von Klingenmünster steht die Burg Landeck, 1237 erstmals urkundlich erwähnt (www.landeck-burg.de). Einen noch schöneren Blick über Weinberge und das Rheintal erlaubt die Madenburg (www.madenburg-pfalz.de), zu der ich von Eschbach aus durch einen dichten Kastanienwald hochwandere. Von Oktober bis Mitte November prägen die Esskastanien die Küchenzettel, im Pfälzer Kastaniensaumagen oder in der "Pfälzer Keschdesupp", einer Suppe aus Esskastanien mit Wein und Gewürzen. Leider noch unzugänglich ist die ehemalige Sommerresidenz des Malers Max Slevogt oberhalb von Leinsweiler. Werke des berühmten Impressionisten zeigt aber Schloss Villa Ludwigshöhe, das sich Bayerns König Ludwig I. 1846 nach italienischem Vorbild in klassizistischem Stil bauen ließ (Edenkoben, Villastr. 64, www.schloss-villa-ludwigshoehe.de). Und das schönste Dorf der Südlichen Weinstraße? Weinhändler Julius Meimberg (siehe "Schlafen") plädiert für Hainfeld (www.hainfeld.de), das mit Barockbauten an der verwinkelten Dorfstraße aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Burrweiler (www.burrweiler.de), wo schon im März die Mandelbäume blühen, und das von sanftem Klima verwöhnte Gleisweiler (www.gleisweiler.de) sind die Favoriten Christine Ludts, Geschäftsführerin der Vinothek "Par Terre": Sie zieht es vor allem hinauf zur St. -Annakapelle (www.annakapelle.de), die oberhalb von Burrweiler auf dem St. Annaberg steht. Mich hat besonders Rhodt unter Rietburg (www.rhodt.de) fasziniert: Wer über die Theresienstraße spaziert, blickt auf Kastanien, Kletterrosen, Weinreben und die alten Torbögen der Winzerhöfe.
Dass die frühere Festungsstadt Landau (www.landau.de) heute ein lebendiges Zentrum der Südlichen Weinstraße ist, darin sind sich alle einig. Besonders an Dienstagen und Samstagen, wenn auf dem Rathausplatz Marktstände die Kostbarkeiten der Region anbieten. Das Frank-Loebsche-Haus erinnert an dunkle Seiten der Geschichte: In dem Haus wohnte ab 1870 der Urgroßvater von Anne Frank. Eine ständige Ausstellung schildert heute die Geschichte der Landauer Juden bis zum Holocaust. Sie spielten im Pfälzer Weinhandel eine große Rolle (Kaufhausgasse 9, www.kulturzentrum-altstadt.de, Mo geschl.).
Essen und Trinken
Arens Restaurant
Selbst in Dorfgasthöfen wird erstaunliche Qualität bei Küche und Weinen geboten, und teuer ist es auch nicht. Regionale Spezialitäten variiert Arens Restaurant auf leichte Weise, zum Beispiel beim Strudel von Saumagen mit Preiselbeeren auf Ingwer-Lauch-Gemüse (Hainfeld, Roschbacher Str. 3, Tel. 06323-913 90 85, www.arens-restaurant.de, Mo/Di geschl.).
Reuters Holzappel
In Reuters Holzappel, einem restaurierten Winzerhof von 1742, servieren Ulrike und Wolfgang Reuter sowohl knusprige Flammkuchen als auch zarte Barbarie- Entenbrust auf Wirsing (Pleisweiler- Oberhofen, Hauptstr. 11, Tel. 06343-42 45, www.reuters-holzappel.de, Mo geschl.).
Parezzo
Die süße Sensation der Südpfalz kommt aus dem benachbarten Elsass: Feinste Patisserie des Franzosen Daniel Rebert wird im Parezzo zu hausgeröstetem Kaffee serviert (Landau, Marktstr. 53–55, www.parezzo.de). Wer mehr davon will, fährt kurz über die Grenze ins nahe Wissembourg, dort können Besucher dem Meister sogar über die Schulter schauen (Pâtisserie Daniel Rebert, Place du Marché aux Choux 7, www.rebert.fr).
Schlafen
Weingut Hechtmann
Beim Winzer übernachten Gäste im Weingut Hechtmann, wo die Zimmer entweder nach Weinlagen oder - wirkung ("Seligmacher") benannt sind (Ilbesheim, Alte Schulgasse 4–5, Tel. 06341-94 28 86, www.weingut-hechtmann.de).
Julius in der Pfalz
Der Herner Weinhändler Hartmut Julius Meimberg und seine Frau Ulrike haben ein Winzergut zum Aparthotel Julius in der Pfalz umgebaut, mit vier großzügigen Apartments in modernem Design und einer Sauna im Weinkeller, genauer gesagt in einem alten Weintank (Hainfeld, Weyherer Str. 6, Tel. 06323-913 87 55, www.julius-pfalz.de).
Hotel-Restaurant zur Krone
Mit einem Michelin-Stern glänzt das Hotel-Restaurant zur Krone, wo Karl-Emil Kuntz von Kritikern hoch gelobte regionale Esskultur zelebriert (Herxheim-Hayna, Hauptstr. 62–64, Tel. 07276-50 80, www.hotelkrone.de).