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Wandern auf den Kanaren Inselumrundung auf La Gomera

La Gomera, Roque de Agando
Markanter Blickfang im Hochland: Ein Vulkan erschuf den Roque de Agando (1251 Meter) beim Nationalpark Garajonay. Auf dem Felsen stand einst ein Heiligtum der Guanchen
© Dmitrij Leltschuk
Früher gab es hier für Wanderer nur Tagestouren. Nun lässt sich La Gomera auf einem neuen Fernweg entdecken. Er folgt den alten Pfaden der Bauern und Hirten durch Lorbeerwälder und dramatische Schluchten. Aber Vorsicht: Manche Aussichten machen schwindelig vor Staunen

Die Pneumatiktür macht zwei Sekunden lang »pfffft!«, dann entweicht dem Auspuff eine Dieselwolke, und der Bus ist weg. Außer mir steigt mitten in La Gomeras Bergen niemand aus, und das ist auch nachvollziehbar: Am Startpunkt meiner kleinen Inselexpedition fetzen nasse Wolken über die Straße, der Wind bläst fauchend und lässt meinen Arm immer wieder ins Leere stechen, weil das Ärmelloch der Regenjacke längst woandershin geflattert ist. Aber kaum habe ich sie übergestreift, ist der Regen schon fast vergessen, er kommt und geht und ist ohnehin lauwarm. Die Wolken reißen kurz auf, durch eine Lücke leuchtet weit unten die Sonne auf Atlantikwellen. Durchatmen, den Pflanzenduft einatmen, schwer und feucht und würzig wie Weihrauch.

La Gomera zu Fuß erkunden, das war bisher nur auf getrennten Tagesetappen möglich. Nun folge ich dem neuen Fernwanderweg GR 132. Er wurde erst kürzlich offiziell fertig: als Angebot zur Inselumrundung auf alten Verbindungswegen. Man kann ihn in sechs bis neun Etappen bewältigen. Ungewöhnlich ist nur der Startpunkt in der Inselmitte, den man am besten per Bus erreicht. Von hier führt der Weg zunächst Richtung Westküste, dann im Uhrzeigersinn auf einem halbkreisförmigen Bogen über die Nordhälfte der fast kreisrunden Insel.

La Gomeras Ruf als Wanderziel ist makellos. Das meist frühlingshafte Kanarenwetter ist süßester Lockstoff. Die zweitkleinste der kanarischen Hauptinseln ist ein 20 000-Seelen-Dorf am dunkelblauen Atlantik, bis 1500 Meter hoch, mit verstreuten Häuschen in Terrassenfeldern, gespickt mit Palmen und durchmarkiert mit Wanderwegweisern. Abends reicht ein sauberes Hemd, um korrekt gekleidet zu sein. Am Weg gibt es tagsüber alle paar Stunden zumindest eine Bar und am Abend ein kleines Hotel oder ein Privatzimmer.

La Gomera, Agulo
Agulo liegt an der Nordküste La Gomeras, ist die kleinste der sechs Gemeinden – und gilt als Schmuckstück der Insel. Über die verschachtelten Dächer geht der Blick zu den Klippen und bis hinüber zur großen Schwester Teneriffa
© Dmitrij Leltschuk

Am Erfolg des Eilands als Wanderziel ist Ramón Herrera Castro maßgeblich beteiligt. Für die Inselregierung kümmert er sich um Wanderwege, und damit auch um die große GR-132-Runde. »Wer auf La Gomera wandert«, sagt er, »benutzt Wege, die es schon lange gibt. Viele sind Hunderte Jahre alt. Ziegen und Menschen, Zuckerrohr und Wein – alles verkehrte über diese Wege zwischen den Siedlungen und von der Küste hinauf in die Berge.«

Viele sind heute als Wanderrouten markiert. Über gut 140 Kilometer heißt der neue Weg GR 132, Beiname »Costas de La Gomera«. Eine costa, das bezeichnet auf La Gomera allerdings nicht die Küste. Darunter versteht man die landwirtschaftliche Fläche rund um ein Dorf. Und weil unten die Wellen des Atlantiks gegen steile Klippen schlagen, liegen die Dörfer weit oben, oft getrennt durch tief eingeschnittene Schluchten, die barrancos. Wandern am Meer? Von wegen. Flaches Land? Unbekannt. Deswegen windet sich der GR 132 durch Schluchten und über Bergrücken von Dorf zu Dorf, von costa zu costa.

Die gesamte Reportage gibt es in GEO Special

Ein roter und ein weißer Lackstrich, waagerecht übereinander und etwa zehn Zentimeter lang: Das ist das Zeichen, das mir den Weg weist. Mal geht es zwischen Wein- und Bananenterrassen über grobe Betonrampen, mal über glänzend ausgetretene Treppen aus Lavagestein; dann knirscht fein gekiester Boden unter den Wanderstiefeln, als ginge ich auf Parkwegen, schließlich ziehen sich lehmig-rote Trampelpfade auf breiten Felsbändern dahin.

Auf einem dieser Felspfade haut es mich schon am ersten Tag aus meinem wohlig schnurrenden Wander-Modus. Ein tiefes »Boah!« höre ich mich selbst ausstoßen, denn vor mir knickt der Weg einfach an einer Geländekante nach unten weg – und ausgebreitet liegt da das Valle Gran Rey. Es ist schon spät, die tiefe Sonne macht das Meer zum grausilbrigen Spiegel, und in der Stunde vor Sonnenuntergang versieht sie alle Konturen dieses Tiefblicks mit scharfen Lichtkanten. Unten am Talboden glänzen Palmen in den Strahlen wie puschelige Cocktailspießchen. Terrassenfelder stapeln sich die Hänge hinauf bis unter die vulkanischen Abbrüche des Hochlandes. Das »Tal des großen Königs« liegt mir zu Füßen – ein herrschaftliches Bild.

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