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Süddeutschland Warum ihr Ulm besuchen solltet

Ulm, Fachwerkaus
Das einst verfallene Fischer- und Gerberviertel lädt inzwischen zu romantischen Spaziergängen
© mauritius images / Westend61 / Holger Spiering
Die Stadt an der Donau zeigt überragende Eigenschaften: den höchsten Kirchturm, das schiefste Fachwerk-Hotel, eine Pyramide aus Glas und, klar, den Schneewittchensarg

Einstimmen

Drehwurm garantiert! 768 steile Wendeltreppenstufen muss der Besucher erklimmen, will er den 360-Grad-Ausguck knapp unter der höchsten Kirchturmspitze der Welt genießen: 161,53 Meter ragt der Turm des Münsters auf. Von oben blickt man auf das Altstadtensemble, das die gotische Kathedrale in respektvollem Abstand umlagert – und auf zwei moderne Bauten, die daraus hervorstechen. Zwischen Spitzgiebeln, Gassen und Rotschindel-Dächern glitzert eine XXL-Glaspyramide: die Stadtbibliothek (Vestgasse 1, www.stadtbibliothek.ulm.de). Zusammen mit dem Glas-Beton-Kubus der Kunsthalle Weishaupt (Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 1, www.kunsthalle-weishaupt.de) ist sie ein Blickfang in Ulms geschickt verkehrsberuhigter "Neuer Mitte".

Erleben

Es macht Spaß, die wie tätowiert wirkende Fassade des Rathauses zu enträtseln: Meterlange, comicartige Mittelalter-Fresken künden von „Krigserbarkait“ und „Künhait“. Mittendrin: die Astronomische Uhr von 1581. Sie gleicht einer riesigen, reich verzierten Brosche mit Goldhand als Stundenzeiger, dazu überladene Monats-, Tierkreis- und Sonnenfinsternis-Ringe (Marktplatz 1). Um die Ecke liegen Ulms ehemalige Slums: Fischer- und Gerberviertel, verfallen in den Achtzigern, heute restauriertes Revier für Flaneure – mit Fachwerk, schmalen Stiegen, Mühlrad und Plätscherbach. Das war einst das Reich des „Königs von Ulm“. Von Studenten dazu ernannt, defilierte der 2006 verstorbene Rudolf Dentler mit Krone, Samtpulli und Ledermantel per Damenrad durchs Viertel, hielt Reden vom noch heute an seinem Haus hängenden Thron. Fotos des schrägen Juweliers zeigt dessen Tochter Ira in ihrer Goldschmiede (Gerbergasse 3, www.rexdentler.de). „Stüble oben, Zimmerle unten“: Die einstigen Soldatenhütten auf der Stadtmauer sind Puppenstuben-Häuschen in Bestlage mit Schlenderpfad und Schrebergarten vor der Tür (Frauengraben/Seelengraben). Dösen, sonnen, Leute beobachten kann man am besten im Judenhof, einem schattigen, von Läden und Lokalen gesäumten Karree, sowie am Donauufer. Achtung:
Entenfüttern ist auf baden-württembergischer Seite streng verboten (§ 13 Ulmer Polizeiverordnung), am gegenüberliegenden Ufer der bayerischen Stadt Neu-Ulm aber erlaubt. Abseits der Altstadt zeigt das Mini-Museum der vor fast 50 Jahren geschlossenen Hochschule für Gestaltung einige hier entwickelte Designklassiker wie den Plattenspieler „Schneewittchensarg“, das Jugendherbergs- Stapelgeschirr oder den Ulmer Hocker (Am Hochsträß 8, www.hfg-archiv.ulm.de).

Ulmer Münster
Der Ulmer Münster hat den höchsten Kirchturm der Welt und überragt die Altstadt
© mauritius images / Westend61 / Holger Spiering

Einkaufen

Robuste, modisch gestylte Arbeiter- und Army-Wäsche, coole Gürtel, Stiefel, Jacken hat der mit Werkstattcharme eingerichtete Lederladen (Platzgasse 13, www.lederladen-ulm.de). Nur in der herrlich nostalgischen
Bäckerei Zaiser gibt’s noch Ulmer Zuckerbrot mit Anis, Kümmel, Fenchel und Malagawein (Herrenkellergasse 17). Umhängetaschen mit austauschbaren Klappen aus Kuhfell, LKW-Plane oder Samt entwirft Sigrid Sigel in ihrem Atelierladen SI (Hafenbad 3, www. Sigrid-sigel.de).

Genießen

„Naturbursche“ oder „Tanzender Gorilla“ heißen Smoothies im Fruchtrausch, dem rosa-grasgrünen Souterrain-Imbiss mit Suppe-Sandwich- Menüs für zwischendurch (Hafengasse 1, www.fruchtrausch.de). Maultaschen und Spätzle genießen Gäste im Restaurant Ofaschlupper, benannt nach den typisch schwäbischen Desserts, die es hier natürlich auch gibt: altes Brot, aufgebacken mit Äpfeln, Rosinen und Mandeln (Kohlgasse 21, www.ofaschlupfer-ulm.de). Edel sind die Gerichte im Bootshaus, einem Ponton-Restaurant auf der Donau (Gänslände 10, www.bootshaus-ulm.de).

Schlafen

1-a-Ausblicke auf die Glaspyramide der Bibliothek, das Rathaus und das Ulmer Münster bietet das Hotel am Rathaus (Kronengasse 8–10, www.rathausulm.de, DZ/F ab 74 €). Von Münster-Glocken geweckt werden Gäste im zentralen Hotel Goldenes Rad. Die dezent modernisierten Zimmer haben Holzklotz-Nachttische und Felsstein-Dusche.Gutes Frühstück (Neue Str. 65, www.goldenes-rad.com, DZ/F ab 107 €). Als weltweit schiefstes Hotel steht das Hotel Schiefes Haus im Guinness-Buch der Rekorde. 1406 erbaut, sackte das Fachwerkgebäude stetig in Schräglage, die seine Besitzer ausglichen, indem sie innen so lange neue, waagerechte Böden einlegten, bis ihre Köpfe an die Decke stießen. 1994 restaurierte der Hotelier Günter Altstetter das verfallene Haus liebevoll. Alle elf Zimmer haben –irritierend fürs Auge – schiefe Balken, Böden und Fenster. Immerhin steht das Bett, wie die eingebaute Wasserwaage beweist, gerade (Schwörhausgasse 6, www.hotelschiefeshausulm.de, DZ/F ab 119 €).

GEO SAISON Nr. 08/2016 New York - 122 Insider-Tipps und neue Adressen

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