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Snowdonia Aktiv durch den größten Nationalpark in Wales

Wandern, Klettern, Gipfeltouren? Windsurfen, Kajaken, Canyoning? Abenteurer schwärmen vom Nationalpark Snowdonia als atemberaubendem Spielplatz. Wir haben ihn ausprobiert
Snowdonia: Grüner wird's nicht: Das verträumte Gwynant Valley macht Kletterer happy. Oder hapus, wie die Waliser sagen
Grüner wird's nicht: Das verträumte Gwynant Valley macht Kletterer happy. Oder hapus, wie die Waliser sagen
© mauritius images / Sebastian Wasek / Alamy

Adele haucht gerade ein "Hello" aus dem Radio, als ich die Grüne Grenze zwischen England und Wales passiere. Frühnebelschwaden wabern über die Weiden, und mit Flechten überzogene Mauern begrenzen die Landstraße, die nun immer schmaler wird. Ein runzliger Tankwart steht mit Teetasse an seiner einzigen Zapfsäule, und im kleinen Bala verlassen die ersten Menschen ihre mit Schiefer bedachten Häuschen. Snowdonia trägt noch Schlafrock.

Moore und sattgrüne Weiden mustern diese Hügellandschaft, und mehr als 100 Seen schmücken sie. Mit jedem Lichteinfall erstrahlt sie in einer anderen Farbgebung und findet ihr Ende an dramatisch abfallenden Klippen oder lieblichen Buchten. Von ihr hatten mir die Waliser in den Hauptstadtpubs vorgesungen, als ich ein Jahr lang in Cardiff studiert und an jedem Wochenende eine andere Gegend von Wales entdeckt hatte. Bis auf den entlegenen Nordwesten, von dem die Waliser behaupteten, dass Feen in der Dämmerung aus Wasserfällen schweben und dass er all das beherberge, was ihr kleines Land so groß macht. Den hatte ich mir als Höhepunkt aufgespart – und dann doch nicht geschafft. Bis jetzt. Vor der Weltwirtschaftskrise florierte hier der Schieferabbau. Anfang der Fünfziger entstand der erste und größte Nationalpark des Landes, benannt nach dem mit 1085 Metern höchsten Waliser Berg Snowdon. Sir Edmund Hillary hatte unter seiner Schneespitze einst für die Besteigung des Mount Everest geübt. Wobei sich diese unter ihrem Wolken-Tschador recht selten sehen lässt: Nebel, Regenschauer und Wind sind selbst im Juni ständige Begleiter in der nassesten Landschaft des Vereinigten Königreichs.

Wales in Bildern erleben

Bala, das Städtchen am östlichen Zipfel des Parks, ist das Dorado der Wassersportler. Am Ende der Hauptstraße lässt sich auch schon der Grund erkennen: der Llyn Tegid oder Bala Lake, der größte natürliche See in Wales. Der leichte Wind lässt die Wasseroberfläche tanzen. Kajaks, Stand-up-Surfbretter und Segelboote liegen am Ufer, und Mark Lind steckt bereits im Neoprenanzug. Sein Wassersportzentrum kennzeichnet das Ende der Ortschaft und den Startpunkt für Ausflüge auf den über sechs Kilometer langen Bala Lake. "Wer Snowdonia erleben möchte, muss sich die Landschaft erarbeiten: wandern, paddeln oder aufs Rad", ruft mir Mark aus dem hölzernen Unterbau zu, in dem er nach einer Schwimmweste für mich kramt. Seit gut 15 Jahren ist der See seine Arbeitsstelle. "Ich kam eigentlich nur für eine Saison. Um bleiben zu können, habe ich kurzerhand die Chefin geheiratet", sagt er und lacht. Nach ein paar Paddelübungen im seichten Gewässer geht es a uf den offenen See. Bekannt ist er für einen Überlebenden der letzten Eiszeit: den Gwyniad. Ein unspektakulär aussehender Fisch mit Alleinstellungsmerkmal: Er existiert nirgendwo mehr auf der Welt außer in den hiesigen Tiefen. Doch die meisten Besucher kommen wegen des Landschaftskinos: Tiefgrüne Wälder und die Bergkette Berwyns umschmeicheln den See. Rund um ihre Wipfel üben sich Sonne und Wolken im Tauziehen. Windsurfer kreuzen rasant am westlichen Ufer, unsere Paddel verschwinden mit Glucksen im klaren Wasser.

Snowdonia: Die Bucht von Harlech beherbergt den längsten Strand des Nationalparks und zählt mit zum Wales Cost Path
Die Bucht von Harlech beherbergt den längsten Strand des Nationalparks und zählt mit zum Wales Cost Path
© mauritius images / David Lyons / Alamy

Auf einer Lichtung ziehen wir die Kajaks an Land und lassen uns die Sandwiches schmecken. Mark kommt ins Erzählen – über Winterstürme und Fluten. Dann plötzlich dieser verschwörerische Blick, den jeder Waliser beherrscht. Aus Erfahrung weiß ich: Jetzt kommt eine mystische Geschichte. "Nicht weit von dieser Lichtung entfernt wanderte um 1800 ein armes Mädchen barfuß durch die Landschaft. Sie kam aus dem fast 45 Kilometer entfernten Llanfihangel-y-Pennant nach Bala, nur, um eine Bibel zu kaufen." Die Legende von Mary Jones führte nicht nur zur Gründung der British and Foreign Bible Society, sondern auch zur Erschließung des schönsten Wanderwegs rund um den Bala Lake. Von den insgesamt 13 Routen ist der Mary Jones Walk zwar die längste, aber auch die grandioseste. Mächtige Bergrücken wie der Cadair Idris verlieren sich im Wasser, die Farbgebung der Landschaft pendelt mit jedem Lichteinfall zwischen Rostbraun und Tiefgrün. Verlassene Schieferhäuser und Bauernhöfe säumen den Weg, der an Marks Wassersportzentrum endet.

Während wir uns vom Wind zurück ans Ufer tragen lassen, macht Mark mir das Canyoning schmackhaft: rutschend und schwimmend eine Schlucht erkunden. Mit Steißbeinschutz. Kurz darauf stecke ich samt Neoprenanzug in einer Schwimmweste, Kletterseile und Karabinerhaken baumeln herunter. Seit Jahrhunderten bahnt sich der Fluss Prysor seinen Weg durch Nordwales. Geformt hat er einen gleichmäßig abfallenden Flusslauf, der sich perfekt zum Canyoning eignet. Wir springen ins erste tiefe Becken, gewöhnen uns an die Temperatur, und dann geht es schwimmend und auf dem Hinterteil rutschend die Trawsfynydd-Schlucht hinab. In Ottermanier passieren wir auf dem Rücken treibend Überreste alter Steinbrücken, die von einer einstigen Handelsstraße erzählen. Wie eine natürliche Wasserrutsche liegt der letzte Abschnitt der Schlucht vor mir. Mark stürzt sich jauchzend hinunter, auf sein Zeichen rutsche ich vorsichtig los. Es ist glitschig, ich komme schnell in Fahrt, meine begeisterten Rufe hallen an den Wänden wider. Das Finale präsentiert sich als 12 Meter hoher Wasserfall, von dem wir uns abseilen. Das Wasser prasselt auf meinen Helm, mit jeder Seillänge, die es hinabgeht, wünsche ich mir, hinter dem letzten Wasserbecken würde es einfach weitergehen.

Adrenalin-Schübe an der Zipline

Plopp. Plopp. Plopp. Die Spur aus erdigen Wassertropfen führt unweigerlich zu den Schuhen in meiner Hand. "Das sind wir gewöhnt. Fast all unsere Gäste sehen so aus", sagt Marie, Rezeptionistin im "Royal Goat Hotel", lächelnd, als ich ihr den Grund für meine derangierte Ankunft nenne. Das viktorianische Wanderhotel liegt in dem kleinen Ort Beddgelert, einem der Ausgangspunkte für Tagestouren auf den Snowdon. "Wenn du aufregende Erlebnisse magst, solltest du unbedingt nach Blaenau Ffestiniog fahren. Da gibt es unterirdische Hüpfburgen und die längste Seilrutsche Europas", schlägt Marie vor. Im Aufenthaltsraum, wo Ladies mit gewellter Kurzhaarfrisur auf knarrenden Sofas ihren Tee einnehmen, widmet sich der Adrenalin-Junkie in mir Maries Vorschlag. Meine Vernunft packt indes beleidigt die Koffer.

Blaenau Ffestiniog ist ein mausgraues Minenstädtchen, das aufgrund der großen Abraumhügel bewusst aus dem Nationalpark ausgegrenzt wurde, obwohl es geografisch das Herz Snowdonias bildet. Inzwischen nutzen die Waliser die verlassenen Abbaustätten für touristische Projekte. Auf dem Gelände der Llechwedd Slate Caverns sind in einem Gewölbe, das die St. Paul’s Cathedral zweimal fassen würde, mehrstöckige Netztrampoline gespannt worden. Das Höchste schwingt auf rund 54 Metern über dem Höhlenboden und liegt dabei selbst 30 Meter unter der Erdoberfläche. Alle Ebenen sind über Rutschen oder Tunnel verbunden. Auch wenn es kühl und feucht ist und Felswände die Juchzer der Besucher dämpfen, ruft der Ort keine Beklemmungen hervor, sondern macht Lust aufs Abenteuer.

Ausgestattet mit Overall, Helm und Schutzbrille, schließe ich mich einer Gruppe an, die gerade eine Einführung in Karabinerhaken und Seilrutschen erhält. Klick. Einrasten. Klick. Ausrasten. Eine Stunde üben wir am Boden. Vor mir der zehnjährige Tom, hinter mir seine Oma Betty, die sich nach anfänglicher Skepsis als Erste in den Caverns-Parcours einhakt. Einen Stollen neben den Trampolinen rauschen wir an gespannten Stahlseilen kreuz und quer durch die Katakomben, erklettern uns die Wände in 20 Meter Höhe und entdecken das Höhlensystem der Stollenarbeiter. Am Ende raunt mir Betty zu: "Jetzt will ich noch die lange Zipline oben machen. Kommst du mit? Tom ist müde!" Nach drei Stunden Dunkelheit schlüpfen wir über Tage und lassen uns auf den höchsten Punkt des rund 800 Hektar großen Geländes chauffieren, zur Zip World Titan, der mit insgesamt 8000 Metern längsten Seilrutsche Europas.

Sattgrüne Wiesen, tiefblaue Seen, die in der Sonne blitzen und die Sicht auf die verfallenen Schieferhäuschen von Blaenau Ffestiniog lenken mich kurz davon ab, dass ich wenig später mit bis zu 80 Stundenkilometern über diese friedliche Szenerie hinwegfegen werde. Gespannte Stahlseile transportieren uns in drei Etappen Richtung Tal, die Schafe im Tal blöken zurück. Unten angekommen, erzähle ich ihr, dass mir die Waliser in den Pubs von Cardiff besonders von Portmeirion vorgeschwärmt haben, dem Schauplatz der legendären BBC-Serie "The Prisoner". "Klar, da musst du unbedingt hin", sagt Betty und schält sich aus ihrem Geschirr. "Zum Entspannen."

Snowdonia: Die Seebrücke von Llandudno ist die längste in ganz Wales. Das viktorianische Seebad liegt im Norden von Snowdonia und ist ein guter Ausgangspunkt für eine Wanderung auf dem Wales Coast Path
Die Seebrücke von Llandudno ist die längste in ganz Wales. Das viktorianische Seebad liegt im Norden von Snowdonia und ist ein guter Ausgangspunkt für eine Wanderung auf dem Wales Coast Path
© mauritius images / Alan Novelli / Alamy

Portmeirion liegt am Westrand von Snowdonia. Jenseits der Küstenstadt Porthmadog führt eine märchenhafte Allee durch kleine Wälder. Am Horizont leuchtet hinter den Kuppen das Meer in der Abendsonne. Die schmale Straße endet an einem türkisfarbenen Gatter. Dahinter stehen bonbonbunte Häuschen und verschnörkelte Türme mit runden Kuppeln. Portmeirion ist das schrille Erbe des Architekten Sir Bertram Clough Williams-Ellis, dessen Ziel es war, mit seinem Küstendorf ein wenig Farbe in die zerrüttete Welt nach dem Ersten Weltkrieg zu bringen, eine Insel für Schönheitssuchende zuschaffen.

Seine versponnenen Prunkbauten, die in Großbritannien als "follies" Tradition haben, entwickelten sich zu Publikumsmagnet, pro Jahr kommen mehr als 250 000 Besucher. "In den Zwanzigern erwarb er die Ländereien und baute 50 Jahre an seinem Lebenswerk", erzählt John, der mir ein Eis verkauft. "Als Erstes stellte er das Hotel fertig, in dem sich fortan Künstler wie George Bernard Shaw erholten. Was er mit dem Hotel verdiente, steckte er in die Erweiterung", erklärt er. So wurde aus der einstigen Anlegestelle für den Schiefertransport in der Bucht von Tremadog ein mediterran anmutendes Dorf, das auch an der Amalfiküste stehen könnte, errichtet mit Bauelementen, die er überall in Europa zusammensammelte. Ich bestaune rosafarbene Häuser mit Freskenmalereien, Zwiebeltürmchen, kleine Tempel, römische Säulen und gotische Pavillons sowie eine prachtvolle Gartenanlage. Portmeirion hat eigene Geschäfte, Cafés und sogar ein Rathaus, obwohl hier niemand permanent lebt. Vielmehr sind es die Besucher, die sich in den bunten Häusern mit Meerblick für ein paar Tage einmieten. Auf merkwürdige Art fügt sich dieser Portofino-Klon bestens ein in die raue Szenerie zwischen Mooren, smaragdgrünen Tälern und windumbrausten Felsflanken. Denn der Ästhet Sir Clough liebte Natur und Architektur gleichermaßen. Deshalb, um seine geliebte Heimat zu bewahren, war der engagierte Umweltschützer auch maßgeblich an der Entstehung des Nationalparks beteiligt. Seine Grenzen steckte er einst persönlich ab – getrieben von "Schönheit, dieser seltsamen Lebensnotwendigkeit".

Snowdonia: Das Hotel von Portmeirion liegt maerlisch gleich an der Bucht und hat bereits die Beatles beherbergt
Das Hotel von Portmeirion liegt maerlisch gleich an der Bucht und hat bereits die Beatles beherbergt
© mauritius images / Alan Novelli / Alamy

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