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Cardiff Castle Von Schlössern und Burgen

Insgesamt befinden sich in ganz Wales 641 Schlösser und Burgen - Weltrekord! Cardiff Castle ist das meistbesuchteste von allen und hinter den antiken Mauern wartet die farbenreiche Welt des viktorianischen Architekten William Burges
Cardiff Castle: Der Bute Park war einst der Schlossgarten und ist heutzutage nicht nur frei zugänglich sondern auch eine der beliebtesten Grünanlagen der Stadt
Der Bute Park war einst der Schlossgarten und ist heutzutage nicht nur frei zugänglich sondern auch eine der beliebtesten Grünanlagen der Stadt
© Cardiff Council

Wales hat sich, zugegeben, etwas umständlich einen Weltrekord gesichert. Aber Rekord bleibt Rekord - und darauf sind die rund drei Millionen Einwohner mächtig stolz. Sie nahmen die Gesamtfläche ihres Landes (20.761 Quadratkilometer), teilten sie durch die Anzahl der Burgen (641) und fanden heraus, dass sie das Land mit den meisten mittelalterlichen Gemäuern per Quadratkilometer sind. Alle 32 steht an Küsten und Flüssen, auf Hügeln und Felsen, in Städten und einsamer Landschaft ein Schloss, eine Burg oder eine Ruine, die von ehemaliger Festungsarchitektur zeugt.

Eines der ältesten und beliebtesten Schlösser im Land ist Cardiff Castle, im Herzen der walisischen Hauptstadt. Ein Jahr habe ich hier gewohnt und studiert, bin jeden Tag an den Mauern des Schlosses vorbeigelaufen und habe es am Ende doch nicht geschafft, es mir anzusehen. Mal war die Party am Abend wichtiger, mal drängte der Abgabetermin einer Hausarbeit und mal war einfach schönes Wetter, das man in Wales besser genießt, so lange es da ist. Nun, sechs Jahre nach meinem Studium, stehe ich wieder vor dem Torbogen, aber dieses Mal schreite ich hindurch und sehe mir endlich an, was jährlich fast 270.000 Besucher nach Cardiff kommen lässt. Die ersten Grundsteine des Schlosses wurden bereits in den Jahren zwischen 55 und 66 nach Christus hier am Ufer des Flusses Taff von den Römern gelegt. "Die jetzige Außenmauer ist nachgebaut, aber eine feine Sandsteinlinie, die sich um die komplette Festung zieht, zeigt, wo die Überreste des römischen Kastells aufgehört haben", erklärt Eric Heard, 59, pensionierter Polizist und inzwischen Schlossführer in Teilzeit, während wir im Inneren der Burg auf die originalen Überreste der Festungsmauer schauen.

Genau das hatte ich befürchtet: alte Steine. Auch wenn sie geschichtsträchtige Relikte sind - so richtig konnte ich mich noch nie für sie begeistern. Vielleicht ahnt Eric das und schickt mich nach draußen, in den mächtigen, grünen Innenhof des Castles. Hier formierten sich Revolten und entschieden sich Machtkämpfe. Ein prägnanter Teil der walisischen Geschichte spielte sich auf dieser Fläche, die vielleicht zwei Fußballfelder umfasst, ab. Stummer Zeitzeuge ist auch heute noch der Keep, den die Normannen, als sie 1081 die römische Ruine wiederbelebten, bauten und als Verwaltungszentrum für ihre Herrschaft über die heutige Grafschaft Glamorgan nutzten.

Cardiff Castle: Der "Winter Smoking Room" liegt im Uhrenturm des Schlosses und befasst sich thematisch mit dem Verstreichen von Zeit
Der "Winter Smoking Room" liegt im Uhrenturm des Schlosses und befasst sich thematisch mit dem Verstreichen von Zeit
© Cardiff Council

Die Welt des William Burges

Mit dem Eintritt in das Herrenhaus zu unserer Linken überspringen wir nicht nur mehr als ein Dutzend Besitzer, sondern machen auch einen zeitlichen Sprung in das Jahr 1869, als Cardiff Castle der Familie Stuart gehörte. Genauer, John Patrick Crichton-Stuart, 3. Marquess of Bute, der damals zu den reichsten Menschen der Welt zählte, da ihm ein großer Anteil der walisischen Steinkohlefelder gehörte. Obwohl er maximal sechs Wochen im Jahr in Cardiff verbrachte, scheute er keine Kosten und Mühen, das Herrenhaus zu einem neugotischen Märchenschloss umbauen zu lassen. Dafür engagierte er mit seinem langjährigen Freund William Burges einen der gefragtesten Architekten Europas. Cardiff Castle wurde zu seiner Spielwiese, die er bis zu seinem Tod 1881 stetig erweiterte.

Als wir den ersten von 17 Räumen, die Burges in 25 Jahren umbaute, betreten, bin ich fasziniert. Die alten Steine weichen farbenreichen Malereien, goldenen Skulpturen und einem gewienerten Holzboden. "Jedes Zimmer von Burges hat ein eigenes Thema. Hier im Herren-Raucher-Salon geht es um das Verstreichen von Zeit, was sehr passend ist, wenn man bedenkt, dass sich dieser Raum im Uhrenturm befindet", erklärt Eric. Jedes Detail ist in Perfektion verarbeitet und jedes trägt die Handschrift des Architekten: mal durchtrieben von Witz, mal geprägt von Raffinesse. "Er war ein Genie", befindet Eric, während ich mich frage, ob der Hausherr gleich für eine Zigarette vorbeikommt, denn der Raum wirkt, als wäre er gerade erst fertiggestellt worden. Die Farben im Raum strahlen, die Holzmöbel sind kaum verschlissen, und generell versprüht das Schloss Heimeligkeit.

Cardiff Castle: Auch wenn das walisische Wetter selten Gelegenheit bietet, gibt es einen Rooftop Garden, ebenfalls von William Burges entworfen
Auch wenn das walisische Wetter selten Gelegenheit bietet, gibt es einen Rooftop Garden, ebenfalls von William Burges entworfen
© Cardiff Council

Ein Gefühl, das die Kuratoren des Schloss-Museums gern vermitteln. Denn Stuarts Enkelsohn, der 5. Marquess of Bute, übergab das Schloss nach der Verstaatlichung des Kohleabbaus im Jahr 1947 der Stadt Cardiff – und die machte es zu einem Ort für das Volk. Jeder, der in Cardiff wohnt oder arbeitet, kann ganzjährig umsonst das Castle besuchen, der einstige Schloss-Garten wurde zu Bute Park und zählt inzwischen zu den beliebtesten Grünanlagen der walisischen Hauptstadt. Und da die Waliser gerne feiern, dürfen sie das auch hinter den Schlossmauern zwischen bedeutenden Gemälden und Skulpturen tun: Im prunkvollen Speisesaal, wo vor kurzem noch die NATO gipfelte, finden Hochzeiten und monatliche Dinner-Events statt.

Eric und ich tauchen weiter ein in die Welt von William Burges und der Familie Stuart. Griechische Götter und Mythen im Schlafzimmer, kosmische Kalender und vergoldete Decken in einem der Wohnzimmer, arabische Verzierungen auf der schillernden Dachterrasse. "Burges und Stuart sind auf der Suche nach neuen Einrichtungsideen viel zusammen gereist. Besonders der Mittlere Osten hat sie sehr inspiriert", erklärt Eric. Alle 17 Räume, die Burges eingerichtet hat, nehmen uns mit in eine andere Welt, aber ohne Eric an meiner Seite würde ich nur einen Bruchteil von Burges Detailverliebtheit verstehen. "Ich habe mich schon immer für die Geschichte Cardiffs interessiert und verschlinge alle Bücher, die ich zu Burges oder dem Schloss in die Finger bekomme", rechtfertigt er sein Wissen.

Mit Ausnahme von ein paar italienischen Nonnen, die sich besonders für Stuarts Glauben und die biblische Wandgestaltung interessieren, haben wir die Gänge, die Räume, ja fast das ganze Herrenhaus für uns. "Es ist erstaunlich, wie viele Menschen, die in und um Cardiff wohnen, noch nie im Schloss waren", kommentiert Eric meine Beobachtung. Manchmal dauert es eben sechs Jahre, bis man – wie ich – einen Blick hinter die alten Steine wirft.

Die Recherche wurde unterstützt von Visit Wales und Cardiff Council. Dies hat keinen Einfluss auf den Inhalt der Berichterstattung.

Informationen zum Cardiff Castle

Visit Wales hat eine Liste entworfen zu den imposantesten Schlössern und Burgen im Land.

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