Die Hazienda-Resorts, außerhalb von Puerto Plata, liegen in der Hitze des Mittags. Eine Million Quadratmeter, 800 Zimmer. Ein variables Angebot; vom Drei-Sterne-Bungalow bis zur Villa mit Dienstmädchen. 35 Rezeptionisten, 50 Küchenjungen, 35 Köche, 100 Putzfrauen. 15 europäische Manager. Über allen wacht Helmut Maurerbauer, Pionier des All-inclusive-Tourismus, Bauherr der Hazienda-Resorts. Die Gäste sind ins Angebot versunken, heißer Sand, kühle Drinks; Helmut Maurerbauer aber steht bei den Pferden, Schweißflecke unter den Armen, Melancholie im Gesicht. Hat er es so gewollt? Ein Vier-Sterne-Hotel in bester Blüte, an ausländische Reiseveranstalter für täglich 28 Dollar pro Urlauber verchartert, alles inklusive?
Mal sehen, wenn es Abend wird, sagt er, im österreichischen Dialekt. Und lebt auf, als von der Morgendämmerung die Rede ist, keine zwei Jahrzehnte zurück. Als die Dominikanische Republik ein Land war mit Hunderten von Kilometern unberührter Strände und ohne demokratische Traditionen; Paradies für einfallsreiche Pioniere des Fernwehs. Als es keine Straßen gab, geschweige denn Straßenschilder, und am Flughafen von Santo Domingo mehr Kofferträger als Ankömmlinge. Das waren die richtigen Voraussetzungen für den Erfolg des All-inclusive-Konzepts. Die ängstlichen Gäste, die zum ersten Mal den fernen Archipel für sich entdeckten, wollten nicht mehr als das: einen geschützten Strand, ein Bett, ein Büfett und eine einzige Rechnung.
Im Jahr 1990 bot Helmut Maurerbauer, selbstständiger Reiseunternehmer, die Neuigkeit, 14 Tage Ferien auf der Karibikinsel, alles inklusive, für 4000 Mark in Deutschland an. Zwischen 1992 und 1995 verdoppelte sich die Zahl der deutschen Urlauber in der Dominikanischen Republik. Veranstalter und Reisende erlagen zunehmend der All-inclusive-Verlockung, inzwischen gibt es auf der ganzen Insel kaum noch ein Strandhotel, das es sich leisten kann, Halbpension oder ein Zimmer mit Frühstück anzubieten. Und die Preise sind gesunken; zwei Wochen mit Flug und Vollpension gibt es inzwischen schon für 900 Mark.
Der Tourismus hatte einen Bauboom ausgelöst. Zwischen 1994 und 1999 erhöhte sich die Zahl der Hotelzimmer von 29.000 auf 50.000. Das Kapital kam aus dem Ausland, vorwiegend aus Spanien. Die Entwicklung verlief ohne Plan und Kontrolle, wer über die richtigen Beziehungen verfügte, durfte jede schöne Bucht verbauen. Dafür glänzt die Dominikanische Republik heute mit dem höchsten Wirtschaftswachstum Lateinamerikas; der Tourismus verschafft dem Land die Hälfte der Deviseneinnahmen, dem Staat ein Fünftel des Steueraufkommens. Doch nur 20 Prozent dessen, was ein Tourist für seine Reise bezahlt, bleibt im Lande. Und auch dieses Geld fließt in die Taschen von nur wenigen. Mehr als die Hälfte der rund acht Millionen Einwohner lebt immer noch am Existenzminimum, nur einer von drei Erwachsenen hat eine Sekundarschule besucht.
Doch nicht das All-Inclusive-Konzept ist falsch, sagt Maurerbauer, der sich längst seine eigene Ferienkolonie aufgebaut hat. Falsch ist die schnelle, industrielle Abfertigung der Touristen, das Einebnen all ihrer speziellen Wünsche und Ansprüche, um die Kosten zu drücken.
Seufzt.
Ich glaube, dass wir wieder mehr Wert auf Individualität legen müssen. Er schwärmt vom neugebauten Golfplatz, tätschelt die Pferde in seinen großzügigen Stallungen. Das ist es, was der künftige Kunde schätzen wird.
Schmunzelt.
Denn der kommt, mit anderen Bedürfnissen als der Europäer, immer häufiger aus den USA. Die Amerikaner stellen inzwischen die meisten Gäste, vor den Deutschen. Sie haben in der Regel nur zwei Wochen Jahresurlaub, aber viele Dollars. Und die geben sie meist mit vollen Händen aus: für candlelight dinners, für fassgereiften Rum, Segeltrips. Qualität eben. Die Amerikaner weichen die Abhängigkeit der Hoteliers von den europäischen Reiseveranstaltern immer mehr auf.
Und deshalb, sagt Maurerbauer, wird der Abend vielleicht ein anderer sein. Noch aber ist es heißer Mittag, und die Dominikanische Republik, schönstes Land, das Menschen je sahen, wie der Entdecker befand, ist das Schnäppchen der europäischen Reisebranche; ein günstiger Spaß für deutsche, italienische, spanische Touristen: Sand und Sonne im geschützten Resort.
Das staatliche Tourismus-Ministerium hat deshalb eine große Image-Kampagne initiiert, in der, vor allem in Nord- und Südamerika, eine andere Dominikanische Republik gezeigt wird: ein umfassendes Ferienvergnügen auf einer Insel, die über eine lange Geschichte verfügt, kulturellen Reichtum und eine vielfältige Landschaft.
Es braucht mehr als ein bisschen Werbung, knurrt Frank Rainieri. Er ist einer der Könige von Punta Cana, dem boomenden Ferienparadies. 30 bis 40 Kilometer Sandstrand. Ein künstliches Riff aus biologisch verträglichem Material. Ein Golfplatz aus einer Grasart, die die salzige Küstenerde als Unterlage akzeptiert, in den USA entwickelt. Und mittendrin die von Frank Rainieri gemanagten Bungalows des Punta Cana Beach Resorts, die nirgendwo jenes Maß überragen, das von den Kokospalmen vorgegeben wird.
Der Pionier von Punta Cana steht mit seinem schweren Geländewagen vor dem Elektrizitätswerk der Hoteliers, dessen Tor verschlossen ist.
Er öffnet die Tür seines Autos, stampft auf den Boden, schreit, rot im Gesicht: Wer ist der Unfähige, der hier stehen und das Tor öffnen sollte! Dann, als der Zorn verflogen ist, lächelt er wieder, der König von Punta Cana, streckt seine Arme: In Lateinamerika, säuselt er, braucht es immer zwei Hände, eine, die schlägt, und eine, die Gutes tut. Als Frank Rainieri Punta Cana erschuf, war sein Bruder eine Zeit lang Tourismusminister. Als sich Leute auf seinem Land niederließen, um den Urlaubern Schmuck zu verkaufen und die Haare zu zöpfeln, ließ er sie von der Polizei verjagen. Er tut auch Gutes. Baut Häuser für seine Angestellten, eine Schule für deren Kinder, bislang einzigartige Anstrengungen in der Dominikanischen Republik, von keinem ausländischen Hotel kopiert.
Aber wieso sorgt Frank Rainieri, der Mächtige, nicht dafür, dass der Staat mehr Geld in die touristische Infrastruktur, in die Förderung eines individuellen Qualitäts-Tourismus steckt? Der Tourismus hat keine Lobby hierzulande, klagt er, und das ausländische Kapital ist zu ängstlich, sich in die Politik zu mischen. Das Land lebt zwar nicht mehr vom Zuckerrohr, sondern vom Tourismus. Aber das haben unsere Politiker noch immer nicht ausreichend begriffen. Die Straße nimmt eine Kurve und dahinter, hinter den Palmen, hinter dem weißen Strand, leuchtet wieder das Meer, unentschieden zwischen türkis- und smaragdfarben. Que belleza, seufzt Frank Rainieri leise, welche Schönheit.