Hier dreht sich das Leben ein bisschen schneller als in anderen norditalienischen Städten: Ferrara gehört zu den Orten mit der höchsten Fahrraddichte der Welt. Die Stadt in der Emilia-Romagna (www.ferraraterraeacqua.it) ist ständig in Bewegung, morgens, abends, bis in die Nacht hinein radeln die Bewohner durch die Straßen. In den Einbahnstraßen fahren viele in die falsche Richtung, die Polizisten lassen sie gewähren, denn Radwege gibt es im Zentrum so gut wie nicht. Das Erstaunliche: Jeder fährt, wie er will, aber die ferraresi gehen trotzdem tolerant miteinander um; oberlehrerhafte Belehrungen alla tedesca hört man selten. Auf der großen Piazza Trento e Trieste veranstalten Kinder Wettfahrten, selbst alte Frauen erledigen ihre Einkäufe auf zwei Rädern, und auch viele Touristen sind so unterwegs, denn in den Hotels gibt es la bici, so das Kosewort fürs Rad, häufig umsonst. Im autofreien Zentrum liegen die Prachtbauten und großen Plätze, an denen Besucher unbedingt vom Rad steigen sollten: die Kathedrale, architektonisch ein Mix aus Romanik und Gotik (Piazza della Cattedrale), und das gewaltige Castello Estense vom Ende des 14. Jahrhunderts (Largo Castello, www.castelloestense.it). In der Nähe steht der Palazzo dei Diamanti (Corso Ercole I d’Este 21, www.palazzodiamanti.it), ein Renaissance-Palast, in dem heute eine Pinakothek und eine Ausstellungshalle untergebracht sind, die ältere Werke von Malern aus Ferrara und moderne Kunst zeigen.
Während um Kathedrale und Kastell herum Weite und Großzügigkeit herrschen, sind die mittelalterlichen Straßen mit ihren roten Backsteinhäusern eng und verwinkelt. Obwohl das Kopfsteinpflaster holprig ist, zwängen sich auch hier die Radler durch die Gassen, etwa durch die berühmte Via delle Volte. Mit ihren vielen Bögen und Durchgängen ist sie eine der schönsten Straßen, literarisch verewigt übrigens von Giorgio Bassani in seinem Roman "Die Gärten der Finzi- Contini". Wer das Gewusel hinter sich lassen möchte, umrundet mit dem Rad die Stadt – entlang der neun Kilometer langen Stadtmauern, wo majestätische Platanen Schatten spenden und Reste der Verteidigungsanlagen mit Wachtürmen und Schutzwällen zu sehen sind. Im Nordosten der Stadt lohnt ein Abstecher durch die weitläufigen Grünanlagen, in denen Gemüse angebaut wird und der Agriturismo Principessa Pio Landküche serviert (Via delle Vigne 38, www.principessapio.it). Am Parco Urbano G. Bassani beginnt ein Radweg, der zum Fluss Po führt und dort auf den Destra Po trifft, einen Radwanderweg am Ufer.
Essen und Trinken
Wer ordentlich Kalorien verbrannt hat, wird sich auf die reichhaltige Küche der Emilia-Romagna freuen: viel Fleisch, Wurstwaren und Pasta mit üppigen Soßen. Sie sehen aus wie kleine Kunstwerke: die Cappellacci di Zucca bei Da Noemi, handgefertigte, mit Kürbis gefüllte Teigtaschen. Die Chefin Maria Cristina serviert auch andere regionale Spezialitäten wie salamina da sugo ferrarese, eine fette, kräftig gewürzte Wurst, zu der Kartoffelpüree gereicht wird (Via Ragno 31, Tel. 0039-0532-769070, www.trattoriadanoemi.it).
Il Sorpasso liegt in einer versteckten Ecke im historischen Zentrum, wo Luchino Visconti einst Szenen seines Erstlings "Besessenheit" abdrehte. Wer Glück hat, bekommt einen Tisch auf der kleinen Terrasse. Wirt Saro ist Sizilianer, die Küche hat einen wunderbar mediterranen Einschlag (Via Saraceno 118, Tel. 0039-0532-790289, www.trattoriailsorpasso.it).
Mara Farinelli liebt nicht nur Weine und gutes Essen, sondern auch Literatur. Deshalb hat sie Quel Fantastico Giovedí nach John Steinbecks Roman "Sweet Thursday" benannt. Feine regionale Küche, innovativ weiterentwickelt, und damit etwas leichter als die typische cucina emiliana, sowie köstliche Fischgerichte, hübsch anzusehen der Tintenfisch im Glas (Via Castelnuovo 9, Tel. 0039-0532-760570).
Das geräumige Cusina e Butega hat Bistro-Charakter, einen prompten Service und viele einheimische Gäste. Große Auswahl regionaler Gerichte, der Aufschnitt – Salami, Mortadella oder Schinken – wird als Vorspeise auf Holzbrettern angerichtet und auch zum Mitnehmen verkauft (Corso Porta Reno 28, Tel. 0039-0532-209174, www.cusinaebutega.com).
Die Enoteca Al Brindisi nahe der Kathedrale wurde 1435 zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Angeblich war sie damals schon berühmt und beliebt bei Künstlern wie Tizian oder Torquato Tasso. Beachtliche Auswahl an Weinen aus ganz Italien, ein paar warme Gerichte gibt es auch. Unter der Decke hängen Fahrradteile, Federico, der Wirt, gesteht aber, dass er selbst lieber Motorrad fährt (Via Adelardi 11, Tel. 0039-0532-473744, www.albrindisi.net).
Im Panificio e Pasticceria Perdonati gibt es das typische Brot, die x-förmige, knusprige coppia ferrarese. Die kleine Bäckerei verkauft 80 Brotsorten, in Italien wirklich etwas Besonderes. Und Süßes hat sie auch, etwa pampapato, einen Gewürzkuchen mit kandierten Früchten, überzogen mit einer dicken Schicht Bitterschokolade. Eignet sich auch als Mitbringsel (Via San Romano 108, www.fornoperdonati.it).
Übernachten
Künstler der Emilia stellen hier aus und verkaufen ihre Werke. Im Hotel de Prati geht es zu wie in einer Galerie. Dazu freundlich-familiäre Atmosphäre inmitten schöner, alter Möbel, und zum Kastell sind es nur ein paar Schritte (Via Padiglioni 5, Tel. 0039-0532-241905, www.hoteldeprati.com).
Das Vier-Sterne-Haus Hotel Annunziatamit seinen modernen Zimmern hinter historischer Fassade ist toll gelegen – gegenüber dem wuchtigen Kastell, von einigen Zimmern hat man es im Blick (Piazza Repubblica 5, Tel. 0039-0532-20 11 11, www.annunziata.it).
Der Name des B & B Alchimia kommt nicht von ungefähr: Bei Grabungen im Garten wurden kleine Gefäße, Reagenzgläser und Teile eines Destillierkolbens gefunden, zu sehen in der Vitrine. Das Haus aus dem 15. Jahrhundert liegt ruhig, aber zentrumsnah, hat sechs moderne Zimmer, und der Frühstücksraum mit Gartenblick siehtaus wie ein italienisches Café (Via Borgo dei Leoni 122, Tel. 0039-0532-186 46 56,www.alchimiaferrara.it).
Die adelige Familie der Este, die Ferrara lange Jahre regierte, hatte hier früher ihr Jagdgebiet: Die Villa Horti della Fasanara ist von einem riesigen Park umgeben. Die Zimmer sind elegant in Weiß gehalten, ein paar dunkle Möbel schaffen einen gelungenen Kontrast. Man fühlt sich wie auf dem Land, mit dem Rad ist es jedoch nicht weit bis zum Centro (Via delle Vigne 34, Tel. mobil 0039-338-154 37 21, www.hortidellafasanara.com).