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El Hierro: Trinkkuren für Stressgeplagte

Auf der kleinsten Kanareninsel findet man das einzige Heilbad des Archipels

Inhaltsverzeichnis

Seit ich das Heilwasser des Pozo de la Salud ("Brunnen der Gesundheit") auf El Hierro genossen habe, ist meine Gelassenheit zurückgekehrt. Vielleicht hat es mir einfach nur behagt, ruhig auf einem weißen Stuhl zu sitzen oder in einem zu kleinen Zimmer im Bett zu liegen und den Geräuschen des Meeres und meines Magens zu lauschen. In beiden Fällen handelte es sich um eine Form von innerer Reinigung. Platz machen für neue Energien. Das Heilwasser verhilft, durch den Abfluss der Abfälle, zu einem neuen, fließenden Körpergefühl. Man könnte fast sagen: zu einem schlüssigen.

Im Nordwesten der Insel liegt die Punta de los Palos
Im Nordwesten der Insel liegt die Punta de los Palos
© Hans-Joachim Ellerbrock

Der wohl verlassenste Kurort der Welt

Die Umgebung um das "Hotel Balneario Pozo de la Salud" ist keineswegs unspektakulär. Hinter dem Haus türmt sich das vulkanische Felsmassiv bis über tausend Meter hoch auf. Es streckt seine schwarzen Lavafüße ins Meer, der Verlauf der Küste zickt und zackt, und vielstimmig murmelt und brüllt die Brandung des Atlantiks. Es ist der wohl verlassenste Kurort der Welt. Das Haus könnte ebenso gut die Verwaltung eines Wildparks beherbergen. Es hat trotz stockwerkhoher Palmen im Inneren einen starken Hauch von Institution. Origineller ist das alte Gemäuer daneben, in dem die legendäre Doña Rosa den Gästen bis in die neunziger Jahre Bäder verpasste - bis sie selber nicht mehr konnte.

Ein Gesundbrunnen unter Behördenaufsicht

Eine typische Landschaft im Landesinneren
Eine typische Landschaft im Landesinneren
© Hans-Joachim Ellerbrock

Ein halbes Dutzend Häuser, eine Bar und drei Hunde bilden den Ort. Ablenkungen sind ausgeschlossen. El Hierro, das kleinste und westlichste Eiland im Archipel, hat nicht nur das oft erwähnte "kleinste Hotel der Welt" - in Las Puntas -, sondern auch das einzige Heilbad der Kanaren. Seit 1996 befindet sich der Gesundbrunnen in der Regie des "Cabildo Insular", der Inselregierung, und wird seitdem von der zierlichen Maite Padron, der vermutlich kleinsten und damals sicherlich jüngsten Kurdirektorin der Welt geführt.

Das Wasser macht den Hausmeister trinkfest

Über den Stand des Heilwassers und seinen Gang vom Brunnen am Meer bis zu den Wannen im Haus wacht Benjamin Perez, der Mann, den keine Feier umwirft. Der Hausmeister nimmt seit Jahren kein anderes Wasser zu sich als das aus dem Brunnen. Vor den Feierlichkeiten zum Fest des Heiligen Simon, das Ende Oktober in Sabinosa, dem Ort oberhalb des Bades am Berghang, stattfindet, gehen alle von Haus zu Haus und verkosten den neuen Wein. Um die fünfzig Gläser müssen an so einem Abend durch den Körper.

Einmal im Monat wird der Brunnen geputzt

Im Jahre 1929 gewann das agua aus dem Pozo de la Salud auf einer iberoamerikanischen Ausstellung in der Kategorie "Medizinische Wässer" eine Goldmedaille. Das Wasser entspringt dem Vulkanmassiv, wird aber erst wenige Meter vor der Küste zu Wundertrank und Allheilmittel: In einem 17 Meter tiefen Brunnen mischt es sich mit salzigem Meerwasser. Über die Zuflüsse wacht ebenfalls Benjamin. Einmal im Monat steigt der Wasserwärter in den Schacht und sticht die zugesetzten, zahnstocherdünnen Öffnungen im Gestein wieder frei. Mehr ist nicht nötig, um die Wirkung zu bewahren.

Die Punta de los Palos
Die Punta de los Palos
© Hans-Joachim Ellerbrock
GEO SAISON Nr. 12/2003 - Kanarische Inseln

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