
Reisenden erscheint der Zeitgeist in Londons Osten. Im "Qbic"-Hotel in Shoreditch etwa. Zwischen Loungesesseln steht eine Stellwand in Aluoptik mit integriertem Bildschirm: das Check-in-Terminal. Kaum ist der Nachname eingetippt und die Kreditkarte durchgezogen, spuckt die Maschine meine Zimmerkarte aus und wünscht "a lovely stay". Personal steht zwar bereit, hilft aber nur bei Bedienungsfragen. So sieht der Anfang der digitalisierten Hotellerie aus. Vor allem Low-Budget- und junge Designhotelketten setzen auf Hightech. Im 2014 eröffneten "Bloc"-Hotel am South Terminal in Gatwick checken Gäste per App ein. Die Zimmertür öffnen sie mit vorgehaltenem Smartphone oder einer Karte, die sie an einem Terminal ziehen. Raumtemperatur, Licht und Fernseher steuern sie mit dem Handy oder Tablet. Wer kein Gerät dabeihat, findet eins auf dem Zimmer. Die Hotelkette "CitizenM" setzt auf "Mood Pads". Damit lässt sich der Raum farblich der Stimmung anpassen. Statt Wake-up-Call vom Rezeptionisten gibt’s von Amsterdam bis New York am Morgen Vogelgezwitscher vom iPad.
Das Do-it-yourself-Angebot hat sich längst von Hotels an Flughäfen, wo niemand Urlaub macht, sondern nur ein sauberes Bett haben will, in die Innenstädte verlagert. Denn sparen wollen schließlich alle: Reisende geben lieber weniger für die Übernachtung aus und haben dafür mehr Geld für die Stadt – und Zeit, weil sie beim Einchecken nicht mehr warten müssen. Die Hotels wiederum verringern ihre Personalkosten und können sich als zeitgemäß vermarkten. "Für technikaffine Zielgruppen stellt das Hotel der Zukunft ein positives Szenario dar – nach dem Motto: schnell, direkt, individuell", sagt Christopher Lück, der Pressesprecher des deutschen Hotelverbands IHA. Werde heute noch dem Gast im Hotel jeder Wunsch vor allem von den Lippen abgelesen, "geschieht dies in Zukunft zu jeder Tages- und Nachtzeit ganz einfach per Mausklick, Mail oder App". Der Gast wird zum User, das Hotel zum Endgerät. Auf der Strecke bleiben dürfte dabei das Zwischenmenschliche – oder es wird zum besonderen Merkmal teurer Hotels. Wer wenig ausgeben kann oder möchte, muss wohl in Zukunft auf den netten Concierge verzichten, der die kleine Bar in der Seitenstraße empfiehlt und der dem Hotel ein Gesicht gibt.
Doch ganz anonym soll auch das digitale Hotel nicht werden, wie ein Projekt im Pariser Mutterhaus der Hotelgruppe "Mama Shelter" zeigt. Hier können Gäste in kleinen Videoclips erzählen, was sie noch so vorhaben – aufnehmen, hochladen und per Knopfdruck mit Freunden teilen, aber auch mit Hotelgästen – die Clips laufen dann in der Lobby und im Frühstücksraum. So sehen Neuankömmlinge gleich, wer noch so da ist. Wie das Fraunhofer-Institut in seiner Studie zum "Hotel der Zukunft" herausgefunden hat, kommt es dem Gast heute vor allem auf schnelles, unkompliziertes Ein- und Auschecken an. Auch will er sein Zimmer bereits bei der Buchung auswählen können. Sogar große Ketten reagieren schon auf diese Wünsche. "Best Western" etwa plant interaktive Medienwände und Snackstationen statt klassischer Lobby. Der Hotelriese "Starwood" testet im "Aloft Cupertino" in Kalifornien einen Service-Roboter. Ein ganzes Roboter-Hotel wird in den nächsten Wochen bei Nagasaki in Japan eröffnen. Als Empfangsdamen, Kofferträger, Putzfrauen fungieren im "Henna Hoteru" (dem "Seltsamen Hotel") Androiden. Bewähren sie sich, soll das Konzept exportiert werden. Dass es sich in Europa durchsetzen könnte, scheint fraglich. 2014 ermittelten Experten, was sich Europäer vorrangig auf Reisen wünschen: den Austausch mit Einheimischen. Also mit echten Menschen.