Für 19 Euro nach London, für 29 Euro nach Venedig - längst haben wir uns daran gewöhnt, dass ein Flugticket viel weniger kostet als ein Fahrschein für die Bahn. Und auch daran, dass der Spaß dann doch teurer wird, als die Werbung versprochen hat, weil Steuern, Service- und Flughafengebühren aufgeschlagen werden. Darüber regt sich niemand mehr auf. Die versteckten Kosten aber, die jedem Steuerzahler aufgebürdet werden, ob er nun mit Günstig-Airlines fliegt oder nicht - die bleiben meist unbeachtet.
Provinzpisten
Allein in Deutschland gingen in den vergangenen Jahren ein gutes Dutzend Billigfluggesellschaften an den Start. Ryanair, Easyjet, Germanwings, Air Berlin, Deutsche BA und andere profiitieren von der "Geiz ist geil"-Mentaliät. Schon jetzt heben 28 Prozent der Passagiere in Europa "zum Taxipreis" (Hapag-Lloyd Express) ab. Die meisten Luftverkehrsexperten rechnen damit, dass der Marktanteil der Billigflieger weiter zunehmen wird. Schon bald dürften mehr als 40 Prozent aller Passagiere in Flugzeuge der so genannten "no frills"-Airlines (kein Schnickschnack) steigen. Und das, obwohl sich auch die Tarife der großen Fluggesellschaften ändern - inzwischen fliegt sogar Lufthansa für 99 Euro von Hamburg nach Barcelona. Viele Gründe, warum Billigflieger so günstig fliegen, sind bekannt. Die Fluggesellschaften haben gelernt, die Kosten zu reduzieren: Sie haben weniger Personal als etablierte Linien, zahlen niedrigere Gehälter, Kaffee und Snacks an Bord kosten extra, die Anschlussflüge werden nicht aufeinander abgestimmt, dafür sind die "Umlaufzeiten" kürzer (schnellere Abfertigung am Boden, die Flugzeuge sind länger in der Luft). Zudem werden bevorzugt abgelegene Airports und Provinzpisten angeflogen, auf denen nur wenig Verkehr herrscht. Dort wird zügig abgefertigt, die Flughafengebühren sind niedriger. Doch Airports wie Hahn im Hunsrück, Altenburg-Nobitz in Ost-Thüringen oder Weeze am Niederrhein locken nicht nur mit Dumpingtarifen für die Abfertigung. Oft bieten sie den Airlines obendrein auch noch "Marketing-Zuschüsse" für die Eröffnung neuer Strecken.

Finanzielles Fiasko
Das kann den Fluggesellschaften erhebliche Zusatzeinnahmen bescheren. Da die Regionalflughäfen in aller Regel der öffentlichen Hand gehören, werden die Tickets der Billigflieger mit Steuergeldern subventioniert. Laut einer Studie der Deutschen Bank arbeiten nur fünf der 39 Regionalflughäfen in Deutschland wirtschaftlich. 33 von ihnen fertigen weniger als 100 000 Passagiere pro Jahr ab. Branchenexperten zufolge aber liegt die kritische Größe für den kostendeckenden Betrieb eines Flughafen bei 500 000 Fluggästen im Jahr. Häufig seien die Pisten in der Provinz "teure Prestigeobjekte der Regionalfürsten". Denn Flughafenbau ist Ländersache, ein bundesweit abgestimmtes Konzept existiert nicht. Manche Landesregierung scheint nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" zu investieren: Man errichte einen Flughafen - etwa den in Erfurt -, locke mit Subventionen eine Airline an - in diesem Fall Ryanair -, und kaum zieht sich die Fluglinie zurück, brechen die Passagierzahlen ein, und es droht ein finanzielles Fiasko.
Bezeichnend auch der Fall des Airports Niederrhein in Weeze, den die Billigairline V-Bird ansteuerte: V-Bird musste schon nach einigen Monaten Betrieb im Jahr 2005 Insolvenz anmelden, in Weeze ging die Zahl der Fluggäste daraufhin um satte 26 Prozent zurück. Die Banken wollten für den Flughafenausbau in der beschaulichen 10 000-Einwohner- Stadt kein Geld geben. Da sprang die Kommune ein, zusammen mit dem Landkreis Kleve stellte sie ein Darlehen in Höhe von 20 Millionen Euro zur Verfügung. Nach Expertenschätzungen belaufen sich die Zuschüsse für die vielen Mini-Airports in Deutschland auf mehrere hundert Millionen Euro - pro Jahr.
Unfairer Wettbewerb

Auch bei größeren Flughäfen fließen reichlich Subventionen. Beispiel Dortmund: 1,7 Millionen Passagiere hoben im vergangenen Jahr von der Ruhrpott-Piste ab - 48 Prozent mehr als 2004. Doch das Plus wurde teuer erkauft, mit niedrigen Flughafengebühren, "passagiervolumenabhängigen Rabatten" und "substanziellen Marketingbeiträgen" für die Eröffnung neuer Routen (so lautet das Versprechen in der Broschüre für Investoren). Nicht zuletzt diesem Förderprogramm ist es zuzuschreiben, dass der Airport trotz seiner stattlichen Zuwächse Verluste in zweistelliger Millionenhöhe schreibt.
Mehrheitlich gehört der Flughafen den Dortmunder Stadtwerken. Und die "begleichen das Minus mit den Gewinnen aus der Lieferung von Strom, Gas und Wasser", so Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler. Dass man mit dem morgendlichen Duschbad den Billigflieger Easyjet unterstützt, nennt Kanski einen "Skandal". Für genauso ungeheuerlich hält der Steuerexperte, dass auch große Verkehrsflughäfen wie Köln/Bonn üppige Vergünstigungen erhalten. Der einstige Regierungsairport entrichtete bisher für das 1000 Hektar große Flughafengelände eine Jahrespacht von nur rund einer halben Million Euro. "Der Düsseldorfer Airport muss für ein kleineres Gelände ein Vielfaches an die Stadt abführen", so Kanski. Kein Wunder, dass sich Köln/Bonn und nicht Düsseldorf zu einer der größten Drehscheiben für Billigflieger in Deutschland entwickelt hat. 6,1 Millionen Gäste reisten im vergangenen Jahr mit Low-Cost-Airlines vom Konrad- Adenauer-Flughafen aus in die Welt. Zwar muss Köln/Bonn nach einem Gerichtsurteil jetzt 1,65 Millionen Euro für das Gelände berappen, ein weiteres Verfahren ist noch anhängig. Doch unter dem Strich ist das immer noch günstig. "Für derart komfortable Sonderkonditionen muss letztlich jeder einzelne Bürger aufkommen", sagt Rainer Schwarz, Chef des Düsseldorfer Flughafens, ab Juli Leiter der Berliner Flughäfen. "Das ist nicht akzeptabel. Wettbewerb muss fair geführt werden."
Doch was ist die Alternative? Nur noch von wenigen Flughäfen aus teuer fliegen? Würden alle Vergünstigungen über Nacht abgeschafft, wäre mancher Billigflieger flugunfähig. Um Arbeitsplätze nicht zu gefährden, geht die EU nicht grundsätzlich gegen regionale Beihilfen vor.
Üppige Steuergeschenke
Nur allzu üppige Steuergeschenke sollen unterbunden werden. Wie etwa das Subventionspaket, von dem Ryanair am Brüsseler Flughafen Charleroi profitierte: Der Airport erließ den Iren die Hälfte der Landegebühren, zudem sollten sie 15 Jahre lang pro Passagier vier Euro für Werbezwecke erhalten. Doch auch nach der EU-Entscheidung gegen die Praktiken in Charleroi treibt die Subventionitis Blüten. Seit Mai fliegt der kleine Regionalcarrier Cirrus vom Airport Kiel-Holtenau nach München. Weil außer den Lufttaxi-Unternehmen Sylt Air und Rheinair keine andere Linienfluggesellschaft den Flugplatz an der Küste ansteuert, spendierten die Stadt Kiel und das Land Schleswig-Holstein fast zwei Millionen Euro Starthilfe, verteilt auf zwei Jahre. Nicht einmal Cirrus Airlines rechnen mit mehr als 35 000 Fluggästen im Jahr. Das würde bedeuten, dass der Steuerzahler jedes Ticket mit rund 29 Euro sponsert. Manche Airports, munkelt man in der Branche, missachten die Brüsseler Direktiven konsequent und verlangen im Prinzip gar keine Flughafengebühren. Gerüchten zufolge lässt sich Ryanair vom Flughafen Hahn sogar die Ausbildung von Piloten und Crews bezahlen.
Nichts gegen Tickets, deren günstige Preise sich gutem Kostenmanagement und effizienter Auslastung verdanken. Darüber hinaus aber dürften die meisten Urlauber ehrliche Flugpreise bevorzugen - und diese auch bezahlen, selbst wenn sie ein paar Euro höher liegen als die jetzigen Angebote. Besser so, als den eigenen Urlaub und den anderer Reisenden per Steuererklärung teilzufinanzieren.
