Die Tourismusbranche fußt auf zwei fundamentalen Werten: Freiheit und Sicherheit. Wenn ein Virus wie Corona beide weltweit aushebelt, zieht es der Branche damit den Boden unter den Füßen weg. Seit Anfang des Jahres haben sämtliche 217 Staaten und staatenähnliche Gebilde auf der Welt Reisebeschränkungen eingeführt, knapp die Hälfte hatte seine Grenzen teilweise oder vollständig geschlossen - die „gravierendsten Einschränkungen für internationale Reisen in der Geschichte“, so die UN-Welttourismusorganisation.
Und so leiden auch Reiseveranstalter Deutschland. TUI-CEO Fritz Joussen sah sich gezwungen, 8000 der 70.000 Konzernmitarbeiter zu entlassen, viele Unternehmen nehmen staatliche Hilfskredite in Anspruch, einige bangen um ihre Existenz.
Gesucht: Maßnahmen, um während der Pandemie zu reisen
Doch es herrscht kein Stillstand. Die EU empfahl kürzlich eine stufenweise Grenzöffnung der innereuropäischen Grenzen, Deutschland will die Grenzkontrollen zu Luxemburg und womöglich zu Dänemark einstellen, Ähnliches steht für Frankreich, Österreich und die Schweiz in Aussicht.
Auf die ersten beiden Phasen der Pandemie – nachdem deutsche Urlauber schnellstmöglich nach Hause geholt wurden, sahen sich die Anbieter einer Flut von Stornierungen gegenüber – folgt auch für die Tourismusbranche die dritte: Sie muss Konzepte entwickeln, wie Reisen mit dem Virus möglich ist, anstatt zu warten, bis die Pandemie vorüber ist. WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan warnte am Donnerstag davor, voreilig zu hoffen, das Virus werde bald durch eine Impfung ausgelöscht – und plädierte dafür, Maßnahmen zu finden, um angstfrei und sicher mit dem Virus leben zu können.
Gefunden: kostenlose Stornierungen, Reisen in Deutschland, Hygienekonzepte in Hotels
Viele Reiseanbieter sind gerade dabei, solche neuen Konzepte für Reisen rund um den Globus zu entwickeln. „Jede Krise bietet auch eine Chance,“ sagt Dr. Frano Ilic, Pressesprecher von Studiosus. Natürlich müsse man dabei über manche Dinge ganz neu nachdenken und auf aktuelle Entwicklungen der Pandemie ständig reagieren. Bislang sei man mitten in der internen Planung für die im Juli erscheinenden Kalenderprogramme.
DER-Touristik setzt darauf, dass die Deutschen 2020 vor allem innerhalb Deutschlands Urlaub machen werden – eine besonders hohe Nachfrage erwartet das Unternehmen für Regionen wie den Bayrischen Wald sowie die Nord- und Ostsee. Sobald andere Reiseländer ihre Grenzen wieder öffnen, werde man auch dorthin Reisen anbieten, so CEO Ingo Burmester.
Wer wie World Insight ausschließlich Reisen ins Ausland anbietet, braucht andere Ideen. So können viele Kunden ihre gebuchten Reisen kostenlos ins Jahr 2021 verschieben und erhalten zusätzlich einen Reisegutschein. Für neue Buchungen im kommenden Jahr will das Unternehmen keine Anzahlung verlangen – die werde erst fällig „wenn Deutschland und die örtlichen Behörden grünes Licht für die Reise in das Zielgebiet geben,“ so der Kölner Anbieter.
Keine Anzahlungen sollen für mehr Sicherheit beim Kunden sorgen
Auch die FTI Group ändert ihre Anzahlungsbedingungen. Um den Kunden zu ermöglichen, Reisen während der Pandemie ohne eigenes Risiko zu buchen, verlangt das Unternehmen keine Anzahlung mehr. Bis Ende August ist eine kostenlose Stornierung bis 14 Tage vor der Anreise möglich, bis Ende Oktober sind es 30 Tage - ein Konzept, das es so in der Firmengeschichte bei FTI noch nicht gegeben hat. Ebenso neu ist die Umsetzung eines neuen Reinigungs- und Hygienekonzepts, das verbindlich für die Partnerhotels im Ausland gilt. Man wolle regelmäßig Abstrichproben von Oberflächen in der Lobby, den Aufzügen, Restaurants, Spa- und Fitnessbereichen sowie den Gästezimmern, der Küche und Aufenthaltsräumen der Mitarbeiter nehmen und kontrollieren, sagt eine Sprecherin des Unternehmens.
Und auch der Aufenthalt im Hotel wird ein wenig anders als gewohnt: Die Sicherheit der Gäste und Mitarbeiter hat oberste Priorität. So wird regelmäßig die Körpertemperatur der Gäste gemessen, diese müssen nicht mehr jede Rechnung handschriftlich unterzeichnen, es gelten Hygiene- und Abstandsregeln für alle. "Tische werden entsprechend neu angeordnet. Wo Buffets weiter angeboten werden, werden diese durch zusätzliche Schutzmaßnahmen wie Hygieneschutz und Servierservice durch die Mitarbeiter neu organisiert", so die Sprecherin.
Diese Maßnahmen klingen befremdlich und passen so gar nicht in das Bild eines entspannten Strandurlaubs – an viele von ihnen werden sich die Menschen im Alltag jedoch ebenso gewöhnen müssen wie auf Reisen. Denn nur wenn durch ausgereifte Konzepte der Veranstalter die beiden tragenden Säulen der Tourismusbranche – die Sicherheit und Freiheit – wieder hergestellt sind, werden touristische Reisen auch in Zeiten einer andauernden Pandemie möglich sein.