
Freitagabend, 20.30 Uhr, ich habe noch einen Fensterplatz erwischt. Der FlixBus ist restlos besetzt: Viele Alleinreisende Mitte 20, aber auch eine Gruppe Rentner fahren von Hamburg nach Berlin. Drei Stunden, zehn Minuten soll die Fahrt dauern. Ich nutze die Zeit, um E-Mails zu schreiben und in den Wochenend-Modus zu schalten.
Zwar bin ich anderthalb Stunden länger unterwegs als im Zug, dafür fahre ich deutlich billiger als mit dem Normalpreis der Bahn, für die meisten Kunden das entscheidende Argument: Wer Bus fährt, hat in der Regel mehr Zeit als Geld. Zudem verlaufen die meisten innerdeutschen Fahrten ohne Zwischenstopp, und jeder hat einen festen Sitzplatz ohne Aufschlag. WLAN an Bord ist kostenlos und funktioniert oft einwandfrei. Um diese Uhrzeit kostet Hamburg - Berlin bei FlixBus oder MeinFernbus 8 Euro. 31 Euro kostet der Zug mit Sparpreis.
Seit der Liberalisierung des inländischen Fernbusverkehrs Anfang 2013 ist der Bahn echte Konkurrenz entstanden: 9 Millionen Passagiere fuhren 2013 per Fernbus. Von den rund 16 Millionen Fernbus- Kunden im Jahr 2014 waren laut einer Studie der Beratungsfirma IGES die Hälfte zuvor Bahnfahrer, ein Drittel fuhr Auto, der Rest sind "Neufahrer". 2014 konnten sie aus rund 255 Verbindungen zwischen knapp 420 deutschen Städten und Flughäfen wählen, mit mehr als 30 000 Fahrten im Monat. Auch die Zahl der Strecken ins benachbarte Ausland - wie in die Niederlande oder die Schweiz - wächst rasant.
Bei der Deutschen Bahn schrumpfen zugleich die Einnahmen: 2013 verlor sie 50 Millionen Euro Umsatz. 2014 sollen Fernbusse rund 160 Millionen umsetzen, für 2015 werden bis zu 350 Millionen Euro Umsatz prognostiziert. Die Bahn reagiert. Sie ist mit der eigenen Fernbuslinie BerlinLinienBus (BLB) am Start und bietet vergünstigte Städtetrips per Zug. 19,90 Euro kostet der neue Spartarif von Berlin nach Hamburg. So profitieren Reisende auch indirekt vom Fernbus-Angebot. Zudem verzichtete die DB zum Jahreswechsel 2014 zum ersten Mal seit Jahren auf die bislang turnusmäßige Preiserhöhung im Fernverkehr - ebenfalls eine Reaktion auf die Konkurrenz auf der Straße.
Die macht sich auch untereinander das Leben schwer, findet Martin Rammensee, Sprecher des Vergleichsportals busliniensuche.de: "Der Preisdruck ist zerstörerisch." Viele Strecken seien nicht rentabel, es gehe darum, Marktanteile zu erobern und Wettbewerber in die Pleite zu drängen.
Rammensee nimmt an, dass viele der zurzeit 36 Anbieter dem Preisdruck nicht mehr lange standhalten. Aldi, Lidl sowie City2City haben die umkämpften Straßen bereits verlassen, auch der ADAC stieg aus der Kooperation mit der Post wieder aus.
Mein Fernbus und FlixBus machen mittlerweile gemeinsame Sache.
Doch der Kampf um die besten Preise und die meist befahrenen Strecken, vermutet Rammensee, werde im Allgemeinen noch ein paar Jahre anhalten. So lange, bis nur noch eine gute Handvoll Fernbusfirmen übrig ist. Dann allerdings dürften auch die für die meisten Anbieter derzeit ruinösen Preise deutlich steigen. Die Bahn müht sich derweil, ihr Angebot zu verbessern, wie Jürgen Kornmann erklärt, der Kommunikationsleiter Personenverkehr, mit neuen Sparpreisen und preisgünstigeren regulären Bahnverbindungen. Zugleich fordert die DB aber eine Mautpflicht für Fernbusse, sie zahle selbst ja auch für den Erhalt der Schienenwege.
So umkämpft die Gegenwart ist, für die Zukunft ist Martin Rammensee optimistisch: "Jeder wird seine Nische finden. In ein paar Jahren haben wir mit Zug und Bus eines der besten öffentlichen Verkehrsnetze der Welt", prognostiziert er. Auf die Minute pünktlich hält mein Bus um 23.10 Uhr im Berliner ZOB, eine unkomplizierte, preiswerte Reise. An den Busbahnhöfen allerdings, so viel steht fest, muss die Branche noch arbeiten. Die verdienen definitiv keinen Schönheitspreis.
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