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Ein Versehen machte uns zu Edelcampern. Das war so: Wir hatten ein normales Wohnmobil gemietet, doch die Buchung war verschwunden, was sich erst zeigte, als wir im Büro von McRent in Isny standen – etwa 800 Kilometer von zu Hause entfernt. Da setzte man alles daran, uns den Urlaub nicht zu verderben, und schließlich fanden sie diesen Ferienbus. Ein silber lackiertes Fahrzeug, breit wie ein Laster, hoch wie ein Möbelwagen, acht Meter lang. „Das ist ein Integrierter“, sagt der Mann von McRent. „So nennt man ein Fahrzeug, das nicht teilweise von einem Lieferwagenhersteller kommt, sondern komplett als Wohnmobil gebaut wird. Die Königsklasse der Motorcaravans.“ Er führt uns durch den Wagen mit frei stehendem Doppelbett im Heck, mit Dunstabzugshaube über dem Herd, Kühlschrank mit Gefrierfach, Esstisch mit Ledersofa, CD-Radio mit Bose-Soundsystem, Klimaanlage. Ein geräumiges Fahrzeug, das nur eine Frage offen lässt: Wo schlafen die Kinder?
Der neue Camper-Typus
Darauf scheint der McRent-Mann gewartet zu haben. Er schlendert zum Cockpit, betätigt zwei Hebel, Fahrer und Beifahrersitz klappen vor. Eine Verriegelung wird geöffnet, und das, was ich bisher für den Fahrzeughimmel gehalten habe, senkt sich ab. Der McRent-Mann hängt eine Leiter an und zeigt auf die Konstruktion wie einst Maren Gilzer auf die Buchstaben des Glücksrades. „Cool“, ruft meine große Tochter, und die kleine wiederholt: „Kuhl!“. Die Kinder stürmen das Hochbett.
Geplant oder nicht, wir passen zu einem neuen Camper- Typus: Familie mit Kindern, die ein Fahrzeug mit gehobener Ausstattung sucht, das nicht ihnen gehört. Bereits vor der Finanzkrise zeichnete sich ab, dass erstens immer weniger Wohnwagen verkauft und dass zweitens immer mehr Wohnmobile verliehen werden. Was bei einem Wagen wie dem „Advantage“ von Dethleffs nicht überrascht – der steht mit 70 000 Euro in den Preislisten. Wir finden schon nach wenigen Kilometern, unser „Kli- Kla-Klawitter-Urlaubsbus“ ist jeden Cent wert.
Der große Wagen fährt sich verblüffend gut, der kräftige Motor sorgt für Tempo, Steigungen nehmen wir locker und überholen dabei andere Wohnmobilisten. Ob sie uns deshalb – entgegen der üblichen Praxis – nicht per Handzeichen grüßen? Dass wir nicht in einem gewöhnlichen Motorcaravan unterwegs sind, bekommen wir auf dem ersten Campingplatz zu spüren, den wir ansteuern.
Camping in Deutschland
Die Übernachtungszahlen der letzten Jahre:
1992: 24,6 Millionen
1995: 23,1 Millionen
1998: 19,9 Millionen
2001: 21,3 Millionen
2003: 23,1 Millionen
2005: 21,7 Millionen
2007: 21,9 Millionen
Selbst erfahrene Camper staunen
Der Gitzenweiler Hof am Bodensee zählt mit etwa 500 Stellplätzen zu den großen des Landes. Doch die Einfahrt ist schmal. Zufällig vorbeikommende Camper profilieren sich als Lotsen und wedeln mit den Händen, als müssten sie einen A380 auf einem Segelflughafen unterbringen. Der Platzwart, ein junger Mann in Badelatschen und Shorts, schnalzt mit der Zunge. „Am Angelteich gibt es noch große Plätze“, sagt er. „Fahren Sie mir nach.“ Er schwingt sich auf sein Quad, wir folgen ihm, eine Eskorte rollt durch die Campingstadt. Selbst erfahrene Camper bleiben stehen und sehen uns nach, Kartoffelsalat anrührende Frauen halten inne, Kinder laufen uns hinterher. Eine Traube von Menschen umringt uns, als wir unsere mobile Villa aufbauen, die sechs Meter breite und vier Meter Tiefe Markise ausrollen. Und als wir die Heckgarage öffnen, um Fährräder und Campingmöbel hervorzuholen, geht ein leises Raunen durch die Menge.
Nur Fünf-Sterne-Campingplätze?
Wir hatten überlegt, nur Fünf-Sterne-Plätze anzufahren, etwas anderes schien für unseren Bus nicht angemessen. Schon bald verwerfen wir den Ansatz. Denn die fünf Sterne eines Campingplatzes entsprechen nicht denen am Hotel. Von Luxus keine Spur – es ist bloß alles da: Duschen, Waschmaschinen, Supermarkt, Pizzeria, sogar ein Freibad. Doch vor den sanitären Einrichtungen herrscht morgens und abends Gedränge, man wartet und wartet, und diese Warterei muss der Grund sein dafür, warum Camper so oft mit nacktem Oberkörper herumlaufen, die Klopapierrolle unter den Arm geklemmt.
Später zeigt sich, dass die Sterne auch für Sauberkeit stehen. Wie vorbildlich die Anlage am Bodensee war, erfahren wir am nächsten Platz. Er liegt am Niedersonthofener See, einem landschaftlichen Kleinod zwischen Wiesen und Bergen. Neben einer Badestelle befindet sich der von Bäumen und Hecken unterteilte Campingplatz. Der Inhaber grübelt: „Ich habe nur zwei große Stellplätze.“ Als wir ihn bei der Abfahrt auf die schmutzigen Toiletten ansprechen und die gammeligen Duschen, die morgens nur lauwarmes Wasser abgeben, zuckt er die Schultern.
Keine sinnlose Protzerei
Gerade an solch reizvoll gelegenen, aber einfachen Plätzen zeigt sich, dass ein Luxus-Wohnmobil keine sinnlose Protzerei ist. Wir haben eine eigene Dusche, warmes Wasser für den Abwasch und müssen nicht mit der Klorolle über den Platz laufen. Und wir haben eine Mörder-Stereo-Anlage, die uns vor Volksmusik schützt. Per iPhone finden wir den Platz am Sulzberger See. In der Rezeption empfangen uns zwei Frauen. Die eine ist jung und freundlich, die andere eher das Gegenteil. Die junge sagt, wir können uns einen Platz suchen. Später kommt die ältere und fragt, warum wir uns hierhin gestellt hätten. Weil es uns gefällt, sage ich, und über die Schräge müsse sie sich keine Sorgen machen, wir haben eine Niveauregulierung. Aber hier würden drei Wohnmobile hinpassen, entgegnet sie. Als ich sage, dass doch noch rund 15 Plätze frei seien, stapft sie kopfschüttelnd davon.
Der Campingplatz besteht aus zwei Teilen, einem älteren, von Hecken parzellierten, und dem neueren, offeneren, in dem wir parken. Wir sitzen unter der Markise, drehen unsere Linguine und blicken auf die Berge. Zum ersten Mal haben wir das Gefühl, in einer zeitgenössischen Campingwelt angekommen zu sein. Das ist der Luxus, den so ein hochwertiger Wohnwagen bietet: draußen sein und komfortabel leben.
Zwei Tage später fahren wir weiter. Langsam schiebt sich unser Wagen durch einen schmalen Weg. Hier wohnen die Dauercamper, mit Namensschildern und Gartenzwergen. Unser Außenspiegel schubbert durch eine Hecke, lässt noch die Tontafel der Meyers hängen, reißt eine Lichterkette ab; Zwerge stieben zur Seite. Schnell steige ich aus, stelle die Jungs wieder auf. Dann sind wir nur noch ein Silberstreif am Horizont.