Wenn Christian Brugner und seine Freundin Maika Wüscher die Tür ihrer kleinen Berliner Wohnung am Prenzlauer Berg zum Abendessen für Fremde öffnen, sind sie immer gespannt, wer kommt. Einmal stand ein Pärchen aus Tel Aviv vor ihrer Tür, dazu ein pensioniertes Ehepaar aus New Jersey und zwei junge Leute aus Israel und Südamerika.
"Wir hatten kurz Bedenken, ob der Altersunterschied in dieser Runde zu groß sein könnte", sagt Brugner, "aber am Ende war es einer der nettesten Abende überhaupt." Zusammen mit Maika hat der gelernte Koch und Betriebsleiter in einem Berliner Restaurant schon fast ein Dutzend Mal Fremde daheim bewirtet. "Jeder bringt seine eigene Geschichte mit. Es sind viele Künstler dabei, Studenten, Psychologen." Dann nimmt Brugner sich einen Tag Zeit, um Gemüse der Saison zu orientalischem Schweinebauch oder gefüllter Kalbsbrust auf den Tisch zu bringen.
Seine Gäste kommen aus aller Welt und finden ihren Gastgeber über die Website www.eatwith.com. Wer sich kostenlos registriert, kann in Bild und Wort seine Menüs anbieten oder auch nach einem Abendessen in der Nähe suchen und sich als Gast anmelden. Der Gastgeber bestimmt, wer kommen darf und was es kostet. Fünfzehn Prozent seiner Einnahmen gehen dann als Gebühr an Eatwith.
Im Urlaub kam die Idee
Die Idee, Touristen mit Einheimischen übers Essen zu verbinden, kam den israelischen Gründern Guy Michlin und Shemer Schwartz bei einem Urlaub auf Kreta. Dort aßen sie auf Empfehlung eines Freundes bei einer griechischen Familie, er hielten Tipps für den Inselbesuch, die besten Restaurants und einen Blick auf die Situation in Griechenland, die ihnen keine Zeitung der Welt hätte geben können. Der Abend wurde zum Motor einer Idee: Wie wäre es, Reisende an den Tisch von Einheimischen zu einem landestypischen Abend essen zu bitten? Das Unternehmen mit Hauptsitz in San Francisco bietet heute Menüs auf allen Kontinenten an und versichert seine Köche mit bis zu einer Million Dollar für eventuelle gesundheitliche Nachwirkungen.
Einer von ihnen ist Ravi Lopes Calamita. Der Italiener (31) kann in seiner Wohnung im Zentrum Barcelonas ein Dutzend Gäste bewirten. "Dining with Marco Polo" nennt er seine italienisch-asiatischen Abende; sie bilden die Reise des Entdeckers von Italien in den Fernen Osten kulinarisch nach. Dazu lädt er auch mal in seine Heimatstadt Rom oder nach Berlin. Mindestens einmal in der Woche kocht er für Fremde oder ist selbst Eatwith-Gast.
Vom Supperclub zur Kontaktbörse
Dass ein Dinner mit Fremden ein Erfolg sein kann, haben bereits die Supperclubs in London (www.theartofdining.co.uk), Paris (www.parissoirees.com) oder Berlin (www.thyme-supperclub.com) bewiesen. Bei diesen Abendessen lassen Hobby- und Profiköche ihre Wohnzimmer oder andere Locations für einen Abend zum edlen Restaurant werden. Tickets gibt es meist über die Websites.
Der Freiburger Manuel Ufheil möchte mit www.joinmymeal.de vor allem neue Leute kennenlernen. Hier werden Gerichte wie Backkartoffel mit Quark zubereitet. "Niemand muss allein zu Hause essen." Bisher machten etwa 700 Nutzer mit, vor allem junge Leute aus München, Freiburg, Leipzig und solche, die neu in der Stadt sind.
Das Berliner Start-up www.letsmealup.com kommt ohne heimische Herde aus. Hier treffen sich Touristen und Einheimische in Restaurants in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und München. Wer allein reist, muss also nicht mehr länger allein essen – und keine Angst haben vorm Katzentisch.