Im Erdreich befinden sich weit mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde. Die meisten davon so klein, dass wir sie mit bloßem Auge nicht erkennen können. Sie verfügen über einzigartige Fähigkeiten und sind von unschätzbarem Wert für gesunde Böden und intakte Nährstoffkreisläufe.
Und diese beginnen, wenn man so will, im Herbst: Rieselt das bunte Laub von den Bäumen, machen sich fleißige Bodenbewohner sogleich an die Arbeit. Zu tun gibt es genug: Eine ausgewachsene Eiche verliert im Herbst rund 250.000 Blätter. Auf einem Hektar Laubwald fallen jährlich etwa fünf Tonnen Laub und Holzreste von den Bäumen. Doch im nächsten Frühling ist von der dicken Blätterschicht kaum mehr etwas übrig.
Ein eingespieltes Team war am Werk: Regenwürmer ziehen zahlreiche Blätter in ihre Gänge im Boden und warten darauf, dass Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen sie besiedeln und mit der Zersetzung beginnen. Milben und Springschwänze fressen kleine Löcher in die Blätter, Fliegenlarven vergrößern diese. Diese Vorarbeit kommt Regenwürmern zugute, denn die Pflanzenteile werden ihnen mundgerecht serviert. Sie nehmen Laubreste und Erde auf, wandeln sie bei der Verdauung mithilfe von Mikroorganismen im Darm um und scheiden hochwertige Erde aus.
Auch andere Lebewesen haben ein Interesse am Laubhaufen. Ohrwürmer, Schnecken, Käfer und Asseln bedienen sich an den verrottenden Blättern. Asseln sind zudem auf die feuchte Umgebung angewiesen, die zwischen Totholz und Laub entsteht: Im Laufe der Evolution sind die Tiere vom Meer an Land gewandert, Kiemen besitzen sie nach wie vor. Viele Arten haben zusätzlich eine Lunge entwickelt, doch in einer trockenen Umgebung würden die Kiemen verkleben.
Im feuchten Laubkompost fühlen sich auch die Larven des Nashornkäfers wohl, sie verharren darin bis zu fünf Jahre. Frösche schätzen den Kompost im Sommer, weil er kühlt und Feuchtigkeit speichert. Im Winter dient er vielen Amphibien und Reptilien als frostfreies Versteck.
Wer es besonders ordentlich mag, sammelt das Herbstlaub vorsichtig mit einem Rechen ein und schichtet es in einen geschlossenen Komposter. Auch ein Hochbeet dient als Sammelstelle für Laub und kann im nächsten Frühling bepflanzt werden.
Marienkäfern, Spinnen und Wanzen, die es im Herbst vermehrt in die Wohnung zieht, bietet man mit einem solchen Laubhaufen eine gute Alternative. Er ist sogar in der Lage, ein ganzes Hummelvolk zu retten. Denn die befruchteten Königinnen überwintern als einzige Überlebende ihres Volkes, um im nächsten Frühling einen neuen Staat zu gründen. Im Herbst suchen sie Unterschlupf im Boden, in Komposthaufen oder im Laub.
Eichhörnchen und Mäuse suchen zwischen den raschelnden Blättern nach Nahrung, Igel sammeln sie für ihr Nest. Die isolierende Wirkung bringt auch den Gartenschläfer und die Haselmaus, welche gar keine Maus, sondern ein Bilch ist, durch den Winterschlaf.
Unter Nussbäumen werden neben kleinen Säugetieren auch Vögel und Großwild bei der Nahrungssuche fündig. Verzichtet man auf Laubbläser und Rechen, verbessert das Laub die Bodenbeschaffenheit, es spendet Feuchtigkeit und Nährstoffe. Nüsse, die von hungrigen Tieren verschont bleiben, können dann besser keimen. Das Laub einer alten Hasel schützt und nährt somit eine neue.
Aber auch Unscheinbares trägt sich zu: Wer schon einmal kleine Löcher in der Schale von Haselnüssen oder Eicheln entdeckt hat, hat es mit bestimmten Rüsselkäfern zu tun. Haselnussbohrer und Eichelbohrer etwa bohren im Sommer ein Loch in unreife Nüsse und legen darin ein Ei ab. Die Larven ernähren sich vom Inneren der Nuss, ehe sie sie verlassen und sich zum Überwintern im Boden eingraben.
Im vogelfreundlichen Garten ergänzt der Laubhaufen die künstliche Futterstelle, denn Standvögel finden darin reichlich Nahrung. Bis in den Frühling hinein kann man Meisen, Rotkehlchen, Zaunkönige und Amseln im Blattwerk picken sehen. Denn das steckt voller Leben, wenn man es lässt.
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