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"Mit den Tieren lebe ich ganz gepardisch"

Matto Barfuss, 34, verwandelt sich von Zeit zu Zeit in einen Geparden. Seit zehn Jahren reist der Naturschützer, Buchautor und Künstler nach Tansania in den Serengeti-Nationalpark, um den Tieren in freier Wildbahn zu begegnen

GEO SAISON: Was hat Sie zum Gepardenmann gemacht?

Matto Barfuss: Die Filme von Bernhard Grzimek haben in mir die Sehnsucht nach Afrika ausgelöst. Vor zehn Jahren bin ich zum ersten Mal in die Serengeti gefahren. Ich wollte eine Reportage machen über Gnus und Zebras, wie sie auf ihrer Wanderung den Fluss Grumeti überqueren. Doch es war wie verhext, in drückender Hitze warteten wir auf der einen Uferseite, die Tiere verharrten auf der anderen. Als in einer Nacht unser Camp von Ameisen überfallen wurde, fuhren wir in die Steppe. Da sah ich eine Gepardin mit fünf Jungen im Gras liegen. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Was geschah, als Sie den Jeep verließen?

Zunächst wollte mich die Gepardin vertreiben. Aber nach drei Wochen kamen die Tiere näher. Ich legte mich ins Gras, die Jungen versuchten mich zu berühren. Bald spielten wir zusammen, auch die Mutter akzeptierte mich. 17 Wochen lebte ich mit der Familie.

Matto Barfuss verwandelt sich manchmal in einen Geparden
Matto Barfuss verwandelt sich manchmal in einen Geparden
© Matto Barfuss

Wie machen Sie das? Wenn ich mit den Tieren zusammen bin, bin ich ganz "gepardisch": Ich spreche nicht, ich gehe auf allen Vieren. Nachts schleiche ich mich ins Camp - meist begleitet mich ein Massai -, da esse ich und trinke viel, vor Sonnenaufgang schließe ich mich der Familie wieder an. Beginnen die Tiere zu wandern, folge ich. Nachts kuscheln wir uns zusammen, in der Serengeti kann es sehr kalt werden.

Die Tiere sind bis zu 110 Stundenkilometer schnell. Wie können Sie da mithalten? Geparden rennen bloß bei der Jagd, schnell sind sie nur über kurze Distanzen. Sie versuchen mit so wenig Kraft wie möglich zum Erfolg zu kommen. Da sie obendrein Tagjäger sind, verliert man sie nicht aus den Augen. Flink bin ich mit meiner Ausrüstung wahrlich nicht: Ich trage Knieschoner, wie ein Skateboardfahrer, und Lederhandschuhe. Als ich zuletzt ein halbes Jahr mit den Tieren gelebt habe, war ich danach körperlich am Ende.

Kommt es auch zu gefährlichen Situationen? Beim Fressen geht es ruppig zu, die Tiere beißen sich, schlagen mit den Tatzen. Da muss man gegenhalten. Es gibt viele harte Momente in der Steppe. Danach freue ich mich auf ein weiches Bett und das erste Bier. Allerdings sind Stille und Einsamkeit in der Serengeti so enorm, dass die Ankunft am Frankfurter Flughafen ein Kulturschock ist.

Fellpflege in der Serengeti: Matto Barfuss lebt mit Geparden
Fellpflege in der Serengeti: Matto Barfuss lebt
mit Geparden
© Matto Barfuss

Aus Ihren Reisen wurde ein Engagement für eine bedrohte Tierart: Sie haben den Verein "Leben für Geparden" gegründet, betreiben ein Auswilderungsprojekt in Namibia und ein Schulprojekt für Kinder in Europa und Afrika. Welches Verhältnis haben Kinder zu den Katzen? Natürlich ist es leichter, sich für einen Geparden zu engagieren als für einen Skorpion. Wenn ich über meine Projekte einen Dia-Vortrag für Kinder halte, sind die so gebannt, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Kinder stellen auch die interessanteren Fragen. Während die Erwachsenen immer nur wissen wollen, wie ich meinen Alltag organisiere, schlafe, trinke oder esse, fragen die Kinder, wie sich Geparden anfühlen oder ob sie auch schnurren.

Und? Tun sie's? Und wie! Das Schnurren hat sogar eine wichtige Funktion. Wissenschaftler haben festgestellt, dass es eine Art Selbstmedikation ist. Katzen nämlich - vor allem wild lebende - verletzen sich oft; die durch das Schnurren erzeugte Vibration des ganzen Körpers fördert die Heilung von Wunden.

Die Serengeti ist groß. Treffen Sie dennoch immer dieselbe Gepardenfamilie? Zwei Jahre nach meiner ersten Kontaktaufnahme habe ich genau diese Gepardin wieder getroffen. Sie hat mich sogar erkannt. Das war ein überwältigender Moment. Geparden leben nicht im Rudel, sie sind Einzelgänger. Dennoch treffe ich häufig auf Mitglieder "meiner" Familie. Für die bin ich längst ein Urgroßvater.

Info

Von Matto Barfuss erschien im vergangenen Herbst das Buch "Ich war ein Gepard" (Moewig, 19,95 Euro). Darin erzählt er über sein Leben mit den schnellen Katzen und erläutert, welchen Bedrohungen die Tiere und ihr Lebensraum ausgesetzt sind. Auf www.matto-barfuss.info

finden Sie Infos zu allen Projekten des Naturschützers.

GEO SAISON Nr. 6/2005 - Sommer an der Ostsee

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