Weibchen fragen, Männchen antworten - so singen Fraser-Zaunkönige (Thryothorus euophrys) im Chor. Die beiden Gruppen wechseln sich dabei innerhalb von Sekundenbruchteilen ab, meist ohne dass sich ihre Einsätze überschneiden. Bei dieser Darbietung, die ein Team um Nigel Mann und Peter Slater von der University of St. Andrews in Schottland beobachtet hat, handelt es sich um den komplexesten bisher entdeckten Vogelgesang. Zwar sind Chöre auch von anderen Vogelarten bekannt, doch ist das Musizieren nirgendwo so aufeinander abgestimmt wie bei den Fraser-Zaunkönigen in Ecuador.
Um die Regeln des Gesangs zu entschlüsseln, wurden die Tiere mit Farbringen an den Füßen gekennzeichnet, die Chöre mit Mikrofon aufgenommen und die Lautfolgen mit einem Spektrographen analysiert. Das Ergebnis: Je zweimal antworten die Männchen auf den Gesang der Weibchen, bevor eine winzige Pause entsteht und der Zyklus wiederholt wird. Bis zu zwei Minuten dauert ein solcher Wechselgesang.
Für jeden Gesang gibt ein Weibchen ein neues Motiv vor, auf das die Männchen jeweils unisono mit einer eigenen Phrase reagieren. Die Forscher zählten für jeden Vogel ein Repertoire von etwa 40 verschiedenen Gesangsstücken.
Über Sinn und Ursprung der Gruppengesänge gibt es nur Hypothesen. In tropischen Gefilden bleiben Vogelpärchen oft das ganze Jahr zusammen und verteidigen ihr Gebiet gemeinsam gegen Eindringlinge - genug Zeit, um den Gesang zu "üben". Einen solchen Zusammenhang vermuten die Forscher auch bei den Fraser-Zaunkönigen, die in Gruppen zusammenleben. Dass die Sinfonie eine Abwehrfunktion besitzt, legt auch eine weitere Beobachtung nahe: Als die Wissenschaftler die aufgenommenen Gesänge über einen Lautsprecher abspielten, scharten sich die Vögel um die Schallquelle und versuchten, diese zu übertönen.