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Kognition: Ein Gedächtnis wie ein Kolibri

Die kleinsten Vögel haben ein erstaunliches Erinnerungsvermögen: Sie wissen genau, wann und wo sie zuletzt Nektar genascht haben

Elefanten, so heißt es, vergessen nichts. Noch nach Jahren können sie sich an Orte, Ereignisse und Personen erinnern. Unklar war bisher jedoch, ob sich wilde Tiere auch einprägen, wann sie etwas erfahren haben. Eine Studie der Zoologen Jonathan Henderson und Susan Healey von der Universität Edinburgh hat jetzt ergeben: Ausgerechnet die winzigen Kolibris sind von Natur aus in der Lage, sich sowohl an Orte wie auch an Zeitspannen zu erinnern.

Abgeerntete Blüten fliegen sie erst wieder an, wenn ausreichend Zeit für die Nachproduktion des Nektars verstrichen ist. Im Experiment untersuchte das Forscherteam drei männliche Zimtkolibris (Selasphorus rufus), die in einem Tal der kanadischen Rocky Mountains siedelten. Dort offerierten die Ornithologen den Vögeln acht mit einer Zuckerlösung gefüllte künstliche Blüten. Vier der Kelche wurden alle zehn, die vier anderen hingegen alle 20 Minuten aufgefüllt. Bereits nach ein bis zwei Stunden hatten die kleinen Vögel einen Sinn für den Zeitplan entwickelt. Denn im Mittel kehrten sie erst zurück, wenn mindestens zehn Minuten verstrichen waren, die in kürzeren Abständen aufgefüllten Blüten besuchten sie eindeutig öfter.

Für Kolibris ist dieses Talent den Forschern zufolge lebenswichtig: Angesichts der hohen Frequenz ihrer Flügelschläge - bis zu 80 pro Sekunde - brauchen sie viel energiereiche Nahrung. Ohne ihr phänomenales Zeitmanagement würde die Blütenernte zu viel Zeit und somit Energie verschlingen.

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