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Kosmetik ohne Tierversuche: "Das ist ein Meilenstein"

Ab dem 11. März 2009 sind EU-weit Kosmetika verboten, die im Tierversuch getestet wurden. Doch Schlupflöcher gibt es nach wie vor. Warum Tierschützer dennoch von einem Erfolg sprechen, erläutert Christiane Baumgartl-Simons vom Bundesverband "Menschen für Tierrechte"Mit Forum

GEO.de: Nationale und EU-Richtlinien zum Tierschutz sind schon viele erlassen worden. Warum ist der 11. März 2009 ein besonderes Datum?

Dr. med. vet. Christiane Baumgartl-Simons: Mit diesem Tag tritt ein Vermarktungsverbot für im Tierversuch getestete Kosmetika in Kraft. Dieses Verbot gilt nicht nur für das fertige Produkt - das gibt es ja schon seit 2004 - sondern auch für seine sämtlichen Inhaltsstoffe. Das ist ein Novum. Allerdings gibt es noch ein großes Schlupfloch, denn dieses Verbot betrifft nur Stoffe, die ausschließlich für die Verwendung in Kosmetika hergestellt wurden. Kosmetika bestehen nun aber zu 80 bis 90 Prozent aus Stoffen, die auch in anderen Bereichen eingesetzt werden, etwa in Reinigungsmitteln. Solche Chemikalien werden weiterhin nach Chemikalienrecht geprüft. Ersatzverfahren müssen zwar nach EU-Recht angewendet werden. Gibt es aber keine, kann weiterhin im Tierversuch getestet werden.

Dr. med. vet. Christiane Baumgartl-Simons ist stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Tierversuchs- gegner
Dr. med. vet. Christiane Baumgartl-Simons ist stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Tierversuchs- gegner
Im Draize-Test wird Kaninchen der zu prüfende Stoff direkt ins Auge geträufelt. Die Folge sind schmerzhafte Verätzungen
Im Draize-Test wird Kaninchen der zu prüfende Stoff direkt ins Auge geträufelt. Die Folge sind schmerzhafte Verätzungen
© Ärzte gegen Tierversuche e.V.

Also doch kein Grund zur Freude?

Doch, auf jeden Fall. Denn der große Fortschritt bei der neuen Kosmetik-Richtlinie ist, dass sie bestimmte Tests ab einem bestimmten Datum unwiderruflich verbietet - unabhängig davon, ob alternative, tierfreie Testverfahren zur Verfügung stehen oder nicht. Also ganz anders als im Chemikalienrecht. Dafür kämpfen wir seit 23 Jahren, seit das deutsche Tierschutzgesetz erstmals Tierversuche für dekorative Kosmetik wie Lidschatten und Wimperntusche verboten hat, wenn auch mit Ausnahmen. Jetzt kommt endlich auch auf EU-Ebene Bewegung in die Sache.

Wann wird Kosmetik, deren Inhaltsstoffe im Tierversuch getestet wurden, tatsächlich verboten sein?

Erst dann, wenn alle Chemikalien tierversuchsfrei geprüft werden. Für Chemikalien gibt es zurzeit allerdings genauso wenig zugelassene alternative Testverfahren wie für die Kosmetik. Ich habe aber die große Hoffnung, dass die Botschaft in der Politik und in der Wissenschaft angekommen ist, dass endlich in Ersatzverfahren investiert werden muss. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nicht noch einmal 20 oder 30 Jahre warten müssen, bis auch die Chemikalienforschung nur noch tierversuchsfreie Verfahren einsetzt.

Warum gibt es zurzeit noch so wenig tierversuchsfreie Testmethoden?

Es wird zu wenig an solchen Verfahren geforscht. Darum ist die neue Richtlinie so wichtig. Sie ist schon jetzt ein großer Schrittmacher für die tierversuchsfreie Forschung. So haben der europäische Kosmetik-Herstellerverband Colipa und die EU-Kommission jeweils 25 Millionen Euro bereitgestellt, um alternative Tests für die Langzeit-Toxizität zu entwickeln. Bei diesen Tests werden die Stoffe Nagern oder Hunden über ein Jahr hinweg verabreicht: auf die Haut, über eine Sonde direkt in den Magen oder per Inhalator.

Hat der Kosmetiksektor eine Vorreiterrolle beim Schutz von Versuchstieren?

Ja. Die Unausweichlichkeit der neuen Richtlinie wird auch der Chemikalienforschung neue Impulse geben. Die Kosmetikforschung ist ja so etwas wie die kleine Schwester der Chemikalienforschung.

Manch einer befürchtet vielleicht, dass der Tierschutz zu Lasten der Verbrauchersicherheit geht. Was entgegnen Sie dem?

Ich stelle die Gegenfrage: Glauben Sie, dass Tierversuche die Unbedenklichkeit eines Stoffes erweisen können? Die Aussagekraft von Tierversuchen ist wissenschaftlich nicht untermauert. Heute ist in wissenschaftlichen Kreisen unumstritten, dass die Vorhersage gar nicht möglich ist, wie ein Mensch auf einen Stoff reagiert, allein aufgrund von Tierversuchen, etwa mit Ratten. Wir wiegen uns schlicht in falscher Sicherheit.

Was kann jeder Einzelne tun, um Kosmetik ohne Tierversuche zu fördern?

Wer jetzt schon tierversuchsfreie Kosmetik kaufen möchte, sollte sich an dem Logo mit der schützenden Hand über dem Kaninchen orientieren. Das ist das älteste und zuverlässigste Label vom Deutschen Tierschutzbund und dem Internationalen Herstellerverband gegen Tierversuche in der Kosmetik (IHTK). In anderen EU-Ländern gibt es weitere Labels, wie zum Beispiel das Logo der European Coalition to End Animal Experiments (ECEAE), ein springendes Kaninchen. Allerdings muss man einschränkend sagen, dass es kaum Substanzen gibt, die nicht irgendwann einmal im Tierversuch getestet wurden. Jedes Label muss also mehr oder weniger willkürlich einen Stichtag festlegen, nach dem die Inhaltsstoffe nicht mehr an Tieren getestet worden sein dürfen. Da verfährt jedes Label anders. Im Zweifel müssen Sie sich beim Hersteller erkundigen.

Die Homepage des Bundesverbands "Menschen für Tierrechte"

Die Homepage des Vereins "Ärzte gegen Tierversuche"

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