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Astrobiologie: Unsere Verwandten im All

Die Anpassungsfähigkeit irdischer Mikroorganismen nährt die Vermutung, dass sich ähnliche Kreaturen auch auf anderen Planeten entwickelt haben könnten - jedenfalls dort, wo es flüssiges Wasser gibt

Inhaltsverzeichnis

Zum Beispiel: der Mars

Sie nennen es den "kühnen Reisenden": In Jahrmillionen ist das Bakterium Desulforudis audaxviator tiefer und tiefer in die Erdkruste gewandert. Im Jahr 2006 haben Wissenschaftler den Einzeller, der sich von Wasserstoff und Sulfat im Gestein ernährt, fast drei Kilometer unter Tage in der südafrikanischen Mponeng-Goldmine entdeckt. Christopher McKay vom "Ames"-Forschungszentrum der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA hält den Sonderling für die wichtigste Entdeckung der vergangenen Jahre auf dem Feld der Astrobiologie - also jener Disziplin, die nach Lebensformen im All sucht und dafür vor allem extreme Regionen der Erde in Augenschein nimmt. Funde wie jener von Desulforudis audaxviator lassen es immer wahrscheinlicher werden, dass auch auf anderen Planeten Leben existiert.

Zum Beispiel: der Mars

Wie brutal die Herausforderungen sind, vor denen Einzeller - von höheren Kreaturen ist keine Rede - dort jedoch stehen würden, zeigt ein Blick auf den Mars: Nachts fällt dort die Temperatur auf minus 85 Grad Celsius. Die UV-Strahlung ist intensiver als im Zentrum des irdischen Ozonlochs. Mineralien deuten auf ehemals äußerst saure und äußerst alkalische Gewässer hin. Der Boden ist über weite Strecken eine Salzwüste. Viele der inzwischen auf der Erde entdeckten extremophilen Einzeller kommen mit vergleichbaren Härten klar:

Nächstes Ziel der Extremophilen-Forschung: Könnten unter der Mars-Oberfläche Bakterien hausen? Forscher nehmen an, dass einst große Mengen flüssiges Wasser die Gestade des Roten Planeten umspülten
Nächstes Ziel der Extremophilen-Forschung: Könnten unter der Mars-Oberfläche Bakterien hausen? Forscher nehmen an, dass einst große Mengen flüssiges Wasser die Gestade des Roten Planeten umspülten
© ESA/DLR/FU Berlin/G. Neukum
  • Die Archaeen-Art Haloarcula marismortui
  • vermehrt sich noch im äußerst salzigen
  • Wasser des Toten Meeres.
  • Arten der Archaeen-Gattung Picrophilus
  • gedeihen in einem Milieu, das den pH-Wert
  • dreiprozentiger Salzsäure aufweist.
  • Es ist also etwa achtmal so sauer wie
  • menschlicher Magensaft, der viele der
  • von uns geschluckten Bakterien abtötet.
  • Die Archaeen-Art Natronomonas pharaonis
  • besiedelt extrem basische Sodaseen -
  • wie sie womöglich vor Jahrmillionen im
  • Gusev-Krater des Mars existierten.
  • Deinococcus radiodurans, ein Bakterium,
  • überlebt 2000-fach höhere Strahlungsdosen
  • als der Mensch und würde wohl dem UV-Bombardement auf dem
  • Mars standhalten.

Christopher McKay, den Pionier der Astrobiologie, treibt es immer wieder in die Antarktis, um jene Mikroben zu jagen, die Eiseskälte lieben. Denn, so sagt er, "alle Orte im Sonnensystem, die wie der Mars oder der Jupitermond Europa Leben bergen könnten, sind auf ihrer Oberfläche kalt und eisig". Der Forscher und seine Kollegen sind am Südpol fündig geworden: Einige Einzeller wachsen bei minus zwölf Grad Celsius und überdauern zumindest minus 20 Grad. Es gibt sogar Hinweise, wonach ein Stamm der Bakterie Colwellia psychrerythraea einen Kälteschock von minus 196 Grad verkraftet.

Ohne Wasser kein Leben

Die Wissenschaftler haben allerdings auch gelernt, wie schwierig es ist, das untere Temperaturlimit zu ermitteln. Je tiefer die Temperaturen, desto mehr verlangsamen Bakterien ihren Stoffwechsel und damit ihr Wachstum - bis zu einem Punkt, an dem die Lebensvorgänge scheinbar erlöschen. Das heißt aber nicht, dass die Organismen abgestorben sind. Gefangen im Eis, können sie Tausende, vielleicht sogar Millionen Jahre überdauern.

Ohne Wasser kein Leben

McKays wichtigste Lehre seiner fast 30-jährigen Mikrobenhatz in trockenkalten Umwelten lautet: Zumindest das Leben auf der Erde wird begrenzt durch die Existenz von Wasser in flüssiger Form. "Wir haben immer wieder nach Organismen gesucht, die ohne auskommen" - bislang ohne Erfolg. In Wasser diffundieren Nährstoffe in Zellen hinein und Abfälle wieder hinaus. Die Flüssigkeit stabilisiert die Eiweiße und dient als perfektes Lösungsmittel für die vielfältigen Stoffwechselvorgänge. Der Fahndung nach extraterrestrischem Leben hat die amerikanische Raumfahrtbehörde deshalb die Losung vorgegeben: "Follow the water" - folgt dem Wasser.

Immer mehr bewohnbare Himmelskörper

Die Liste der Planeten und Monde, auf denen Wasserreserven vermutet werden, wächst dabei stetig. So enthüllte etwa die Raumsonde "Galileo" unter der Eiskruste des Jupitermonds Europa einen salzigen Ozean. Aus dem Saturnmond Enceladus schießen Geysire aus Eispartikeln Hunderte Kilometer weit ins All; neue Berechnungen unterstützen die Vermutung, dass flüssiges Wasser die gewaltigen Fontänen speist.

Womöglich aber ist das Leben, biochemisch gesehen, noch erfindungsreicher und robuster als irdische "Extremisten" es vermuten lassen. Das glaubt etwa Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University in Pullman. "Angesichts der Milliarden von Sternen und Milliarden von Planeten sollte es Orte geben", meint der Forscher, "an denen Leben auch in einem anderen Lösungsmittel als Wasser vorkommt." Ohne zu wissen, wonach genau sie suchen sollen, dürfte es für die Astrobiologen allerdings noch schwieriger werden, dieses Leben zu erkennen.

GEO Nr. 03/09 - Die zweite Welt

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