Geradschnabelkrähen (Corvus moneduloides) sind bekannt für ihren Erfindungsreichtum - zumal, wenn es darum geht, an Futter zu kommen. Sie trennen geschickt Blattränder ab, die mit kleinen Widerhaken bewehrt sind, und angeln damit Maden aus morschen Baumstämmen. Doch damit nicht genug: Forscher der Universität Oxford haben nun bei in freier Wildbahn aufgewachsenen Exemplaren beobachten können, dass sie Werkzeuge benutzen - nicht um damit an Futter zu gelangen, sondern um damit an andere, besser geeignete Werkzeuge heranzukommen. Forscher nennen das sequenziellen Werkzeuggebrauch.
Der Umweg zum Ziel

Die Forscher konfrontierten die Krähen mit verschiedenen Problemen unterschiedlicher Schwierigkeit. Der kniffligste Versuchsaufbau: Hinter eine Plexiglasscheibe mit einem Loch, unerreichbar für den bloßen Schnabel, liegt ein Stück Fleisch. In vier Plexiglasröhren befinden sich Holzstäbchen, in drei Röhrchen liegen mittellange und in einem (im Video ganz rechts) ein langes. Außerdem liegt ein frei verfügbares kurzes Stäbchen herum. Auch die mittellangen Stäbchen sind mit bloßem Schnabel nicht zu erreichen, das lange aber liegt noch weiter von der Öffnung entfernt.
Hand aufs Herz: Selbst wir Menschen müssten in dieser Situation - wenn auch nur kurz - grübeln. Die Krähe Betty macht auf Anhieb alles richtig. Die Krähe versucht gar nicht erst, ohne Werkzeug an das Futter zu kommen, sondern "greift" sofort zum kurzen Stäbchen - aber nicht, um es nun damit zu versuchen, sondern um sich ein besseres Werkzeug zu organisieren.
Erfolg mit System
Vier von sieben Krähen fanden die Lösung ohne viel Herumprobieren und ohne lange Lernprozesse. Das überraschte die Forscher denn doch. Und dass die Erfolge der Vögel nicht dem Zufall geschuldet waren, beweisen die Videoaufnahmen. In den meisten Fällen waren die nacheinander ausgesuchten Werkzeuge tatsächlich die für den nächsten Schritt geeigneten.
Der Gebrauch von Werkzeugen, die nicht unmittelbar der Futterbeschaffung dienen, gilt als ein Charakteristikum der menschlichen Intelligenz - wenn nicht gar als Meilenstein in der Entwicklung des menschlichen Geistes. Zwar benutzen viele Tiere Werkzeuge, wie etwa verschiedene Affenarten. Doch sequenzieller Werkzeuggebrauch mit bis zu drei Werkzeugen ist im Tierreich außer beim Menschen bisher nur bei Geradschnabelkrähen belegt.
Die Forscher warnen allerdings vor zu weit reichenden Schlussfolgerungen. Das erstaunliche Verhalten sei noch kein Beweis für höhere kognitive Fähigkeiten wie logisches Denken oder Planen.