Es sind Bilder, die Tierfreunden seit vielen Jahren die Tränen in die Augen treiben: In einer Bucht des japanischen Küstenortes Taiji winden sich Hunderte Delfine im Todeskampf. Fischer haben sie in die Enge getrieben. Netze verwehren den Delfinen die Flucht. Von den Booten aus stechen die Fischer mit Lanzen, Harpunen und Messern in das brodelnde, blutrote Wasser. Sie können ihr Ziel gar nicht verfehlen, so dicht gepackt zappeln die Leiber im flachen Küstengewässer. Panisch suchen die Delfine nach einem Fluchtweg. Doch den gibt es nicht.

Taiji ist das Synonym für einen Kampf verschiedener Kulturen. Auf der einen Seite sind die Fischer, die das alljährliche Gemetzel als althergebrachtes Ritual begründen - und mit dem zeitgemäßen Zusatz, die Delfine würden ihnen die Fische wegfressen und dadurch den Küstenbewohnern ihre Lebensgrundlage rauben. Auf der anderen Seite sind die - vor allem westlichen - Tierschützer, die dem Gemetzel jeglichen Sinn absprechen: An der Überfischung des japanischen Meeres seien die Fischer selbst schuld. Ihnen gehe es nicht um Folklore, sondern einzig ums Geld.
Tatsächlich ist die Blutorgie ein profitables Geschäft für die Delfin-Schlächter, nicht nur in Taiji. Denn bevor im Morgengrauen das Gemetzel beginnt, betrachten die Gesandten von Zoos aus aller Welt die zusammengetriebenen Delfine, um Nachschub für ihre Delfinarien zu ordern. Da Delfine sich in Gefangenschaft nicht fortpflanzen, müssen dauernd neue Exemplare gekauft werden - für angeblich bis zu 200 000 Dollar pro Stück. Nirgendwo ist die Auswahl größer, der Einkauf bequemer als zur Walfangsaison in Orten wie Taiji. Haben die Handelsreisenden ihre Wahl getroffen, sind die Prachtexemplare geborgen, beginnt für die Übriggebliebenen der Todeskampf.
Taiji ist nicht der einzige Ort in Japan, wo Delfine abgeschlachtet werden. Nach Schätzungen dürften jedes Jahr, während der sechsmonatigen Walfangzeit, mehr als 30 000 Tiere an Japans Küste getötet werden. Wie viele weitere in den Schleppnetzen der japanischen Trawlerflotten verenden, weiß niemand genau. Übers Jahr gerechnet vielleicht drei Mal so viele wie in den Buchten. Die japanische Regierung stellt sich taub, wenn Tierschützer alljährlich zum Stopp des Delfin-Mordens aufrufen. Und auch in Taiji hat man sich an die Demonstranten aus dem westlichen Ausland gewöhnt: Die Fischer halten sie vom Ort des Massakers fern, oft unter Androhung von Gewalt bis hin zu Morddrohungen.
Was passiert mit den Kadavern? Längst hat sich auch in Japan herumgesprochen, dass Delfinfleisch mit Quecksilber belastet ist. Das hat zum Zusammenbruch des nationalen Marktes geführt. Nur in den Küstenorten mögen viele Familien geradezu trotzköpfig auf den zweifelhaften Genuss nicht verzichten: Sie lassen sich Delfinfleisch viel Geld kosten. Der überwiegende Rest der blutigen Ernte wandert allerdings in den Schredder: Aus Delfinen machen die Japaner Hundefutter.