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Kuriose Wissenschaft: Wie die Lemminge

Dr. Edmund Ramsden, Medizinhistoriker der Universität Exeter, hat die Geschichte des Tierselbstmords untersucht

1845 berichtete eine Londoner Zeitung von einem Hund, einem Neufundländer, der sich nach mehreren Versuchen selbst ertränkt hat. Glauben Sie das? Solche Anekdoten sind oft sehr fantasiereich, und meistens lassen sich auch andere Erklärungen finden. Als der schottische Psychiater William Lauder Lindsay 1879 angebliche Belege für Tiersuizide veröffentlichte, ging ein Kritiker die Fälle durch. Und zeigte, dass Krankheiten oder Unfälle viel plausiblere Gründe abgaben - wie im Fall einer Katze, die sich nach dem Tod ihrer Jungen angeblich am Ast eines Baumes stranguliert hatte.

Halten Sie es denn überhaupt für möglich, dass Tiere sich den Tod wünschen? Denkbar ist das natürlich; manche Labortiere bringen sich zum Beispiel selbst Wunden bei. Aber eine definitive Antwort wird es kaum geben. Denn wir haben keinen Zugang zum Bewusstsein der Tiere.

Im schottischen Dunbartonshire verstarben angeblich etwa 50 Hunde beim Sprung von einer „Hunde-Selbstmordbrücke“. Wie es heißt, aus Mitgefühl mit ihren unglücklichen Haltern. Hunde gelten als treu, und die Erklärung, dass die „suizidalen“ Hunde von Dunbartonshire auf die Verzweiflung ihrer Herrchen reagierten, passt genau in diese Vorstellung, ganz egal, was der Hintergrund für diese Legende ist. Wir projizieren unsere eigenen sozialen Werte auf die Tierwelt.

Also ist die „Selbstmord-Neigung“ von Tieren vor allem eine menschliche Projektion? Ja. In der Viktorianischen Epoche etwa gab es starkes Interesse an „romantischen“ Formen von Tierselbstmord - wie dem Hund, der sich am Grab seines Herrchens zu Tode trauert. Aber auch am Skorpion, der sich selbst zu Tode stach, wenn er vom Feuer eingeschlossen war: Lieber ehrenvoll sterben als elend. Im 20. Jahrhundert war es die Mär vom Massensuizid der Lemminge - auch das ein zeitgemäßes Symbol für die automatisierte Selbstzerstörung des Menschen.

GEO Nr. 07/10 - Paar-Forschung

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