Landung auf dem Hamburger Flughafen. Neben der Wiese auf der Rollbahn sitzen ein paar Krähen. Aber die gibt es ja nahezu überall. Ansonsten scheint das Gelände nicht besonders attraktiv zu sein für Tiere. "Das ist schon eine recht monotone und laute Lebenswelt", bestätigt Markus Musser, zuständig für Jagd und Vogelschlag. "Trotzdem ist der Flughafen für viele Tiere deutlich attraktiver als beispielsweise der Hamburger Stadtpark", sagt Musser. Schließlich gibt es auf den Flugbetriebsflächen keine Menschen, die die Tiere wesentlich mehr stören als startende oder landende Flugzeuge. Die Wiesen bieten eine große Vielfalt an Kräutern und Gräsern. Hier fühlen sich verschiedenste Insekten wohl, aber auch Kriechtiere, kleine Nager und zahlreiche Vögel - vom Zaunkönig bis zum Graureiher ist alles vertreten. Ab und zu verirrt sich auch ein Austernfischer oder früher sogar ein Reh auf das Gelände des Flughafens.
Die meisten der kleinen Tiere stören den Flughafenbetrieb nicht. Zum Problem werden sie erst dadurch, dass sie Fressfeinde anlocken. Da dies auch große Vögel sein können, spielt die Regulierung dieser Tiere eine große Rolle. Denn Kollisionen auf dem Rollfeld oder in der Luft können für motorisierte Flugobjekte und deren Insassen im Desaster enden. Vor allem Gänse, Schwäne und Greifvögel können erhebliche Schäden an den Maschinen verursachen. Im Jahr 2009 geriet in New York ein Airbus A 320 nach dem Abheben in einen Vogelschwarm - beide Triebwerke vielen aus, der Pilot musste auf dem Hudson River spektakulär notlanden. Die 155 Menschen an Bord kamen mit dem Schrecken davon. Meist jedoch gehen solche Kollisionen glimpflich aus - mit kleinen Beulen und Löchern im Cockpit und kleineren Triebwerksschäden.
"An erster Stelle steht für uns die Unversehrtheit der Passagiere", so Musser. Zum Gewehr greift der Förster nur im Notfall. Stattdessen versucht er, das Gelände des Hamburger Flughafens für tierische Vier- und Zweibeiner so unattraktiv wie möglich zu gestalten und die Tiere mit Schreckschüssen zu vergrämen.
"Das Auftreten bestimmter Vogelarten können wir relativ leicht über das Nahrungsangebot steuern. Bei der Anpflanzung von Bäumen am Flughafen werden so zum Beispiel nur Gehölze gepflanzt, die keine Beeren tragen. Außerdem wird die Nahrungssuche durch ein spezielles Verfahren der Grünlandbewirtschaftung erschwert. Bei anderen Vögeln ist das viel schwieriger", erklärt Markus Musser. "Es besteht aber beispielsweise die Möglichkeit, ihnen den Nestbau zu erschweren."
Vor allem Mäuse sind eine begehrte Mahlzeit für Greifvögel wie den Mäusebussard und den Turmfalken. Sinkt die Zahl der Mäuse, so verringert sich die Gefahr von Vogelschlägen auf Start- und Landebahn. Hier lässt sich Musser von einem anderen natürlichen Feind der Nager helfen: "Der Rotfuchs ist unser Partner. Seit wir Füchse auf dem Gelände schonen, also nicht mehr bejagen, gibt es deutlich weniger Probleme mit Vogelschlag."
Auch am Stuttgarter Flughafen sind Füchse im Einsatz. "Sie lösen unser Problem mit den Rebhühnern. Die stehen unter Naturschutz und dürfen nicht bejagt werden", erläutert Hans-Peter Schmid. Der Fachbereichsleiter für Infrastrukturelles Management lässt die Wiesen nur zwei Mal im Jahr mähen und spart dabei immer einen Anteil aus. In den nicht gemähten Grünstreifen finden Mäuse und andere Kleintiere genügend Deckung. In der Folge weichen Greifvögel auf vielversprechendere Jagdgebiete wie umliegende Felder aus. Größere Tiere wie Dachse und Wild hält ein drei Meter hoher Zaun samt 60 Zentimeter tiefem und ebenso breitem Betonfundament ab.
Doch auch die Tierwelt außerhalb von Start- und Landebahn muss Schmid im Auge haben: "Nur wenige Meter neben der Einflugschneise befindet sich ein kleiner Baggersee - ein idealer Lebensraum für Wasservögel wie Kraniche. Die hohen Bäume um das Gewässer versperren im wahrsten Sinne des Wortes die Landebahn", erklärt der Sicherheitsexperte. Diese Bäume werden ganz bestimmt nicht gefällt.
Auch in Stuttgart wird es wenn irgend möglich vermieden, zur Waffe zu greifen. Um einzelne Vogelschwärme aufzuscheuchen, setzt Schmid ab und zu Schreckschüsse ein. "Zu oft darf man das aber nicht machen, da sich vor allem die Krähen und Dohlen daran gewöhnen und nicht mehr reagieren."
Die schlauen Rabenvögel wissen den Flughafen für ihre Zwecke zu nutzen: Sie können nicht nur Geschwindigkeit und Flugbahn der Maschinen einschätzen und rechtzeitig ausweichen, in Hamburg nutzen sie sogar rollende Fahrzeuge, um Walnüsse zu knacken. "Die Krähen verbringen die Nüsse aus umliegenden Gärten und lassen sie auf den Boden fallen. Dort werden die Nüsse dann teilweise durch das überrollen geknackt", erklärt Markus Musser.
Auch andere Vogelarten machen sich die stark vom Menschen beeinflusste Fläche zunutze. So spießt der Neuntöter seine Beute - Insekten, Mäuse und Eidechsen - statt auf Pflanzendornen auf die Zinken des Flughafen-Sicherheitszauns. Turmfalken haben an den Simsen der Hangars günstige Brutstätten gefunden. "Immer wieder stürzen Jungtiere aus den Nestern ab. Die nehme ich mit nach Hause und ziehe sie dort prägungsfrei auf. Wenn sie alt genug sind, fliegen sie wieder aus", verrät Musser über seinen privaten Einsatz für die Greifvögel. "Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es sich hier nicht um ein Naturschutzgebiet, sondern um eine Verkehrsfläche handelt, auf der der Flughafen Hamburg allerdings so viel wie möglich für die Natur macht."