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Walstrandungen "Das ist ein trauriger Rekord"

An den Küsten der Nordsee strandeten so viele Wale wie nie zuvor. Über die Ursachen sprachen wir mit dem Biologen David Pfender von der Walschutzorganisation Whale and Dolphin Conservation
Walstrandungen: Auch vor Helgoland strandeten zwei junge Pottwal-Bullen
Auch vor Helgoland strandeten zwei junge Pottwal-Bullen
© Jochen Dierschke

GEO.de: In den letzten Wochen sind insgesamt 29 Pottwale an den Küsten der Nordsee gestrandet. Ist so etwas schon mal vorgekommen?

David Pfender: Nein, das ist ein trauriger Rekord. Und es sind ja nicht nur die Pottwale, sondern auch noch ein Orca, ein Zwergwal, ein Gemeiner Delfin und zwei Streifendelfine.

Können Sie schon etwas zu den Ursachen sagen?

Leider noch nicht. Wir warten noch auf die Untersuchungsergebnisse. Nur bei dem jungen Orca kann man annehmen, dass er im Sturm von seiner Mutter getrennt wurde und gestrandet ist. Für alle anderen Strandungen kommt ein ganzes Bündel von Ursachen in Betracht.

Welche?

Eine mögliche Ursache ist Unterwasserlärm. Wale haben einen sehr empfindlichen Hörsinn, und Druckwellen, wie sie bei Sprengungen, Erdöl- und Erdgas-Erkundungen oder Sonarübungen der Marine entstehen, können, wenn sie nicht tödlich sind, ihr Gehör stark schädigen. Und damit wäre auch ihre Orientierung beeinträchtigt. Es gab im vergangenen Dezember auch ein Erdbeben in der Nordsee. Auch das könnte Stress und Desorientierung verursacht haben.

Walstrandungen: Der Biologe David Pfender ist Kampagnenreferent bei der Whale and Dolphin Conservation (WDC)
Der Biologe David Pfender ist Kampagnenreferent bei der Whale and Dolphin Conservation (WDC)
© WDC / Jens Kramer

Eine etwas esoterisch anmutende These bezieht sich auf Sonnenwinde ...

Es gab im vergangenen Jahr eine besonders heftige Sonneneruption. Solche Eruptionen führen regelmäßig dazu, dass durch geomagnetische Stürme das Magnetfeld der Erde abgeschwächt wird. Es gibt wissenschaftliche Autoren, die einen Zusammenhang mit den Strandungen immerhin für möglich halten. Denn Wale orientieren sich auf ihren Wanderungen sehr wahrscheinlich auch am Magnetfeld der Erde.

Aber auch an ihrer Nahrung ...

Richtig. Pottwale sind in der Nordsee nicht heimisch. Wir wissen aber, dass sich ihre Hauptnahrung, die Kalmare, in Richtung Nordsee ausbreiten. Es könnte also sein, dass die Wale einfach ihrem Futter gefolgt sind und dann in den unbekannten Gewässern die Orientierung verloren.

Aber warum schwimmen so viele dieser klugen Tiere in die falsche Richtung?

Bei den gestrandeten Pottwalen handelte es sich um eine Junggesellengruppe im Alter von ungefähr 10-20 Jahren. Pottwale bilden von Zeit zu Zeit engere Verbände, die sich zeitweilig gegenüber einem Anführer loyal verhalten. Wenn der sich, aus welchen Gründen auch immer, verirrt, oder eben falsch in die Nordsee abbiegt, folgen ihm die anderen.

Was muss passieren, um solche Massenstrandungen in Zukunft zu verhindern?

Man kann schwer Maßnahmen fordern, wenn man die Ursachen nicht genau kennt. Grundsätzlich ist aber die Lärmbelastung in der Nordsee viel zu hoch. Und die Belastung durch Müll. In den Mägen der Pottwale wurden Fischernetze gefunden, und weil die Tiere am Ende der Nahrungskette stehen, sammeln sich in ihnen Schadstoffe an. Das schwächt ihr Immunsystem und ihre Reproduktionsfähigkeit. Diese Probleme müssen wir jetzt anpacken.

Die Website der Whale and Dolphin Conservation mit weiteren Informationen: www.whales.org

Walstrandungen: Experten nehmen an, dass die gestrandeten Wale im nordöstlichen Atlantik falsch in die zu flache Nordsee "abgebogen" sind
Experten nehmen an, dass die gestrandeten Wale im nordöstlichen Atlantik falsch in die zu flache Nordsee "abgebogen" sind
© WDC

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