GEO.de: Herr Varrica, sind Sie stolz auf Ihren Erfolg?
Adriano Varrica: Natürlich. Es ist nicht leicht, für ein Thema auf EU-Ebene eine Million Unterschriften zu sammeln. Und das mit einem Budget von nicht einmal 20.000 Euro. Möglich war das nur mithilfe zahlreicher NGOs und eines großartigen Teams von freiwilligen Helfern. STOP VIVISECTION ist schon jetzt die bis dato größte demokratische Aktion gegen Tierversuche.
Warum sind Sie eigentlich gegen Tierversuche?
In Europa werden jedes Jahr mehr als zwölf Millionen Tiere im Experiment getötet - viele von ihnen in toxikologischen, medizinischen und pharmazeutischen Tests. Aber Tierwohl und menschliche Gesundheit dürfen im 21. Jahrhundert keine Gegensätze sein. Darum plädieren wir für tierversuchsfreie Verfahren. Wir wollen eine EU, die in puncto wissenschaftlicher Innovation weltweit führend ist. Das erreichen wir nur über entsprechende Gesetze, die den schrittweisen Ausstieg aus dem Tierversuch ermöglichen.


Was oder was gab den Anstoß zur Initiative?
Ich war, genau wie viele andere, enttäuscht über die EU-Gesetzgebung zum Thema Tierversuche. Die Direktive 2010/63/UE lässt keinerlei politische oder juristische Bemühung erkennen, aus dem Tierversuch auszusteigen. Schon die Diskussionen im Vorfeld ihres Inkrafttretens machten deutlich, dass es vor allem darum ging, wirtschaftliche Interessen zu wahren. Die Frage, ob Tierversuche nützlich oder effektiv sind, spielte keine Rolle. Also schlug ich der Europaabgeordneten Sonia Alfano und Gleichgesinnten aus anderen EU-Ländern vor, das neue Instrument der EU-Bürgerinitiative zu nutzen, um dem Willen europäischer Bürger Ausdruck zu verleihen. Von der Idee waren alle sofort begeistert.
Wie schwierig war die Umsetzung?
STOP VIVISECTION ist eine der ersten EU-Bürgerinitiativen überhaupt. Wir leisten quasi Pionierarbeit und mussten zahlreiche Hürden überwinden. Ein besonderes Problem war für uns die Bereitstellung des Online-Sammelsystems. Das war für uns natürlich besonders wichtig, weil sich online weitaus mehr Unterschriften sammeln lassen als auf Papier. Es hat trotz der Unterstützung der EU-Kommission und unserer eigenen Anstrengungen einige Monate gedauert, bis es lief.
570.000 Unterschriften hat allein Italien beigesteuert, gefolgt von Deutschland mit knapp 160.000 Unterschriften ...
In Italien gibt es eine große Aufmerksamkeit für das Thema Tierversuche, es gibt hier viele NGOs und Privatpersonen, die sich engagieren. Das ist in Deutschland nicht anders. Und in den Ländern, in denen wir unsere Ziele nicht erreicht haben, hoffen wir immerhin Hunderttausende Bürger auf unser Anliegen aufmerksam gemacht zu haben.
Wie geht es jetzt weiter?
Bis März 2014 werden die Unterschriften offiziell ausgezählt. Danach wird die Europäische Kommission einen Termin für eine öffentliche Anhörung festsetzen. Dann werden André Menache und Gianni Tamino aus unserem Wissenschaftskomitee Gelegenheit haben, unser Anliegen der Kommission zu präsentieren. Danach hat die Kommission drei Monate Zeit, schriftlich und öffentlich dazu Stellung zu nehmen - und rechtliche Maßnahmen vorzuschlagen, die dem Willen von über einer Million EU-Bürgern Rechnung tragen.