Wer Vögel bei der Futtersuche beobachtet, könnte glauben, dass wahllos alles gefressen wird, was essbar ist. Doch weit gefehlt: Auch Vögel verfügen über einen Geschmackssinn, der ihnen verrät, was lecker und was eklig, was nährstoffreich und was potenziell schädlich ist. Das ist wichtig für insektenfressende Arten. Denn bestimmte Sechsbeiner schützen sich (beziehungsweise ihre Art) durch Giftstoffe oder einen besonders widerlichen Geschmack.
Bei der Frage "Aufpicken oder liegen lassen?" orientieren sich Vögel aber nicht nur an ihren eigenen Erfahrungen. Sie lernen auch von anderen – seien es Artgenossen oder Vertreter anderer Arten.
Von Kohlmeisen etwa war schon bekannt, dass sie sich von anderen Vogelarten abschauen, was lecker ist – und um was man besser einen Bogen macht. Denn ein energisches Schnabel-Abwischen und Kopfschütteln sind im Vogelreich weit verbreitet, als Reaktionen auf einen widerlichen Geschmack.
Jetzt berichten Forscher im Fachblatt der British Ecological Society, dass sowohl Kohl- als auch Blaumeisen sogar von Videos lernen, die man ihnen zeigt.
Futtersuche wie die Leinwand-Vorbilder
Die Forscher der Konnevesi Research Station in Finnland verpackten Mandel-Flocken in unterschiedliche Boxen mit jeweils knapp einem Zentimeter Kantenlänge. In Boxen mit einem Kreuz legten sie einwandfreie Leckereien, in Boxen mit einem Quadrat dagegen Flocken, die sie zuvor mit einer ungiftigen Lösung ungenießbar gemacht hatten.
Bevor sich die Tiere im wirklichen Leben für "Kreuz" oder "Quadrat" entscheiden konnten, zeigten die Forscher ihnen Videos von anderen Meisen, die ihre Mahlzeit nach dem Öffnen der Box genießen – oder sich vor Ekel schütteln.
Das Ergebnis: Wer die "Lehrfilme" angeschaut hatte, entschied sich deutlich seltener für das schlechte Futter. Doch es gab Unterschiede bei den Meisenarten: Während die Blaumeisen sich beim Fressen eher an den Erfahrungen der eigenen Artgenossen orientierten, war für die Kohlmeisen auch relevant, wie die Blaumeisen im Video auf das Futter reagiert hatten.
"Indem sie andere beobachten", sagt Hauptautorin Liisa Hämäläinen, lernen Blau- und Kohlmeisen schnell, was sicher gefressen werden kann." Das spare Zeit- und Energieaufwand bei der Futtersuche.