+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Robby darf – oder muss – bleiben. Das entschied jetzt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Das Urteil markiert das Ende eines Jahrelangen Rechtsstreits zwischen Behörden und dem Zirkusdirektor Klaus Köhler um den wohl letzten Zirkus-Schimpansen in Deutschland. Im Vorfeld der Entscheidung kochten die Wogen in dem jahrelangen Rechtsstreit noch einmal hoch.
Fernsehbeiträge zeigten den Zirkusdirektor mit dem ungefähr 43-jährigen, kastrierten Schimpansen knuddelnd, den Tränen nahe, voller Unverständnis für die drohende Trennung. Robby, so die Botschaft, kennt nun mal kein anderes Leben, er fühlt sich in seiner gewohnten Umgebung wohl. Ein erzwungener Umzug in eine Auffangstation wäre grausam für Mensch und Tier, würde den betagten Schimpansen gefährlich stressen, wenn nicht töten.
Eine Tierärztin aus Bremen, die dem Zirkusdirektor in seiner Not beispringt, bestätigt den Eindruck: Robby gehe es „richtig gut“. Auch ein Magdeburger Zoodirektor meint, Robby wirke „sehr entspannt“. Wollen hier also herzlose Tierschutz-Dogmatiker, die sich weigern, das Offensichtliche zu sehen, ein sinnloses Exempel statuieren?
Gerichte entscheiden, nicht Tierschützer
Wenn man sich die Mühe macht, sich mit den Hintergründen des Falles zu beschäftigen, ergibt sich ein anderes Bild.
Schon 2015 verfügte das zuständige Veterinäramt: Robby muss mit Artgenossen zusammenleben. Nicht irgendwo, sondern in der auf Schimpansen spezialisierten Auffangstation AAP in den Niederlanden. Und zwar sofort. Köhler legte Beschwerde ein. Ein gerichtlich bestellter Gutachter bestätigte daraufhin: Robby sei zwar in guter körperlicher Verfassung, weise aber eine „schwerwiegende Verhaltensstörung“ auf. Und: Er könne trotz seiner problematischen Lebensgeschichte resozialisiert werden. Das bestätigte auch der Leiter der niederländischen Auffangstation AAP. 2017 dann die Bestätigung vom Verwaltungsgericht Lüneburg: Robby muss weg. Köhler ging in Berufung.
Inzwischen hatte sich sogar Jane Goodall, die wohl renommierteste Schimpansenforscherin weltweit, in den Streit eingeschaltet. 2015 schrieb sie zum Fall Robby: Sie sei entschieden gegen die kommerzielle Ausbeutung von Schimpansen, Robby müsse in eine spezialisierte Einrichtung wie AAP gebracht werden.
Auch andere Experten kritisierten, dass ein zum Stall umgebauter, 25 Quadratmeter großer LKW-Anhänger keine angemessene Unterbringung für einen Menschenaffen sei. Und dass Menschen und Hunde für einen Schimpansen keine adäquaten Sozialpartner seien.

Der Streit um Robby lenkt vom eigentlichen Problem ab
Jetzt urteilt das Oberverwaltungsgericht, dass Robby, der wohl letzte Menschenaffe in einem deutschen Zirkus, bleiben soll, wo er ist. Zwar werde der Schimpanse nicht artgerecht gehalten, und auch gegen das Tierschutzgesetz werde „in Einzelfällen“ verstoßen. Doch seine Fehlprägung auf den Menschen sei nicht zurückzuentwickeln, so der Vorsitzende Richter in seiner Begründung.
Ist damit der Fall geklärt? Leider nein. Denn zum einen steht in der Sache weiterhin Expertenmeinung gegen Expertenmeinung. Zum anderen lenkt die Debatte, so wie im Vorfeld der Urteilsfindung geführt wurde, von einer viel weiter reichenden Frage ab: Nämlich, ob Wildtiere überhaupt in einem Zirkus oder einem Delfinarium richtig aufgehoben sind. Ob die Haltung unter fragwürdigen Umständen, die Dressur und Zurschaustellung gegen Geld moralisch legitim sind. Nach allem, was wir über unsere nächsten Verwandten – und über immer mehr sozial lebende Wildtiere, etwa auch Delfine – wissen, müssen wir das verneinen.
Noch vor 30 Jahren haben wir uns über einen kostümierten Schimpansen als Moderator einer TV-Show amüsiert. Nicht in irgendeinem asiatischen Lokalsender, sondern im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wer sich daran erinnert, wird feststellen: Die Zeiten haben sich gewandelt. Wir haben heute ein anderes, besseres Verständnis für das Verhalten und das Denken von Wildtieren. Und ja, auch für ihre besondere Würde.
Im günstigsten Fall bringt das Urteil im Fall Robby nun neuen Schwung in die Debatte über einen längst überfälligen Schritt. Nämlich das generelle Verbot der Zurschaustellung von Wildtieren in Zirkussen und Delfinarien. Das haben bislang nur eine Reihe von Kommunen ausgesprochen. In Österreich dagegen ist so etwas schon seit 2005 komplett verboten. Die Bundesrepublik gehört neben Spanien, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Litauen zu den wenigen EU-Ländern ohne ein nationales Verbot.
Das muss sich ändern: Es ist an der Zeit, dass wir unsere Faszination an der Unterwerfung aufgeben.