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Norwegen Hunderte Rentiere wurden vom Blitz erschlagen - ihre Kadaver sorgen nun für neues Leben

Rentiersterben, Hardangervidda National Park
Zwei Jahre nach dem Gewittersturm sind von den Rentieren nur noch Gerippe übrig. Ringsherum blüht neues Grün
© Sam Steyaert
Mehr als 300 Rentierdadaver liegen seit zwei Jahren auf einer norwegischen Hochebene. Heute blüht hier das Leben

Vor zwei Jahren im August ging ein dramatisches Bild durch die Medien: 323 Rentiere, dicht an dicht, tot umgefallen auf einem felsigen Plateau im norwegischen Hardangervidda-Nationalpark. Was nach einem sinnlosen Gemetzel aussah, hatte einen meteorologischen Grund: Offenbar hatten sich die Tiere in einem Gewittersturm hier schutzsuchend zusammengedrängt. Und waren dann von einem Blitz getroffen worden. Die extrem hohen Spannungen dürften bei allen Tieren zum Herzstillstand geführt haben.

Die Behörden beschlossen, die Kadaver liegen und der Natur ihren Lauf zu lassen. Ein Glück für die Wissenschaft. Denn zwei Jahre später zeigt sich: Wo massenhaft gestorben wurde, blüht heute ungewohnt üppiges Leben.

Dabei, so schreibt ein norwegisches Forscherteam, sorgten den Kadaver zunächst für weitere Zerstörung. Denn durch die Verwesungsprozesse erhöhte sich der Säuregehalt des Bodens. Und zusätzliche Nährstoffe störten den Stoffwechsel der empfindlichen, an eine nährstoffarme Umgebung angepassten alpinen Pflanzenwelt.

Videoteaser zu dem Forschungsprojekt REINCAR:

Aasfresser sorgen für neues Leben

Für neues Grün sorgten dann vor allem Aasfresser. Mit Wildkameras beobachteten die Forscher Füchse und Vielfraße ebenso wie Raben, Krähen, Adler, Bussarde und kleinere Vögel, die sich nicht nur am verrottenden Fleisch, sondern auch an verschiedenen austretenden Säften labten – und zahllosen Maden. 21 von 24 Proben solcher Ausscheidungen enthielten nicht nur Nährstoffe, sondern auch Samen der Krähenbeere. Die braucht für ihre Ausbreitung Vogelmägen – und zum Keimen genau diese Bedingungen: offenen, nährstoffreichen Boden.

Rentiersterben, Hardangervidda National Park
Raben spielen nicht nur als Aasfresser - sondern auch bei der Verbreitung von Pflanzensamen eine wichtige Rolle
© Statens Naturoppsyn

Mit der Krähenbeere könnte sich, zumindest lokal, das ganze alpine Ökosystem verändern. Denn deren schwarze Früchte dienen vielen arktischen Tierarten als wichtige Nahrungsquelle.

Die Forscher nennen ihr Projekt REINCAR – als Abkürzung für Reindeer carcasses (Rentierkadaver), und als Anspielung auf das Wort „Reinkarnation“. Aus toten Lebewesen – so die Idee – sprießt verwandeltes, neues Leben.

Tote Rentiere - Hardangervidda National Park
Ein Bild des Schreckens: 323 tote Rentiere, vom Blitz getroffen im norwegischen Hardangervidda-Nationalpark
© Sam Steyaert

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