Wer in diesen Tagen aufmerksam durch die (Stadt-)Natur geht, kann Seltsames beobachten: Kaum ist das frische Grün ausgetrieben, sehen einige Sträucher aus wie geisterhafte, endzeitliche Skulpturen im öffentlichen Raum. Womöglich ein Angriff von eingewanderten Schädlingen?
Bei näherem Hinsehen zeigen sich in den Gespinsten kleine, schwärzliche bis gelbliche Raupen – die sich an dem jungen Grün von Pfaffenhütchen, Traubenkirsche, Schlehe oder Weißdorn gütlich tun. Und sich ihrerseits mit einem faszinierend dichten Fadengewirr vor Fressfeinden schützen.
Auch wenn die Fressorgie zunächst gruselig anmutet: Die Raupen und die Falter sind vollkommen harmlos – und zwar nicht nur für Mensch und Tier, sondern auch für die Pflanzen, die sie befallen. Denn die haben sich im Lauf der Evolution an die Fress-Attacken im Frühjahr gewöhnt. Und treiben einfach neu aus, wenn die lästigen Bewohner das Weite gesucht haben, erklärt der Schmetterlingsforscher Andreas Segerer von der Zoologischen Staatssammlung München. Ein Phänomen, das auch als "Johannistrieb" bekannt ist.

Maßnahmen gegen die hungrigen Raupen seien daher völlig überflüssig, erklärt Segerer. Und ergänzt: "Es ist vielmehr ein Grund zur Freude, wenn es in unseren Tagen überhaupt noch häufige Schmetterlingsarten gibt". Allein in Bayern seien mehr als 400 Schmetterlingsarten nicht mehr nachweisbar, auch die Bestände häufiger Arten seien mancherorts um mehr als 90 Prozent geschrumpft. Gründe dafür sind laut Segerer die intensive Landwirtschaft mit ihrem übermäßigem Pestizideinsatz und der Überdüngung der Felder.