Nicht am Amazonas, nicht am Great Barrier Riff – an der Aachquelle nördlich des Bodensees haben Forscher eine bislang unbekannte Fischart entdeckt, die Höhlenschmerle. Die Art konnte bis heute unentdeckt bleiben, weil sie in einem sehr schwer zugänglichen, unterirdischen Höhlensystem lebt. Und sie ist nicht nur die erste bislang entdeckte höhlenbewohnende Fischart in Europa. Sie ist auch die am nördlichsten vorkommende Höhlenfischart überhaupt.
"Ihre Augen sind stark reduziert, fast als wären sie nach innen gestülpt. Auch die Färbung ist fast verschwunden. Die Fische haben verlängerte Tastfortsätze am Kopf, sogenannte Barteln, und die Nasenöffnungen sind größer als bei ihren oberirdischen Verwandten", sagt Jörg Freyhof vom Leibnitz-Institut für Gewässerschutz und Binnenfischerei (IGB) Berlin.
Rekordverdächtig sind auch die Umstände ihrer Entdeckung: Denn der Fundort der unscheinbaren Schmerle, die sich vermutlich von Krebstieren und Schnecken ernährt, liegt 600 Meter von der Aachquelle entfernt. Eine Distanz, für die speziell ausgebildete Höhlentaucher eine Stunde brauchen. Denn die Taucher schwimmen in vollkommener Dunkelheit gegen den Strom, Schlamm kann die Sicht zusätzlich trüben, und auf dem Weg ist ein Schacht zu überwinden, der sich 40 Meter in die Tiefe stürzt und spezielle Luftmischungen erforderlich macht.

Der Fund erstaunte die Forscher, weil die Gletscher der jüngsten Eiszeit alles höhere Leben unter sich erstickten. Die Schmerle muss also, so vermutet Arne Nolte von der Universität Oldenburg/Max-Planck Institut für Evolutionsbiologie Plön, vor zirka 20.000 Jahren in den Untergrund gegangen sein. Dort hätte sie sich in einer für Evolitionsbiologen rekordverdächtigen Zeit an das Leben in vollkommener Dunkelheit, aber dafür ohne Feinde, angepasst. „Mit dem Rückzug des Gletschers ist das System für Fische erst besiedelbar geworden. Irgendwann nach dem Ende der Würmeiszeit, vor maximal 20.000 Jahren, müssen sie dort eingewandert sein, und zwar aus der Donau, das können wir aus unseren genetischen Analysen klar sehen“, sagt Arne Nolte.
Das 12,5 Kilometer lange, unterirdische Röhrensystem zwischen Immendingen und Möhringen und der Aachquelle ist bis heute weitgehend unerforscht. "Wir wissen nicht genau, wie das System aussieht, aber es muss weitere unterirdische Flüsse und Seen geben", vermutet Roland Berka, der die geologischen Formationen der Region seit vielen Jahrzehnten untersucht.