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Tierschutz "Gebt den Tieren ein Eigentumsrecht!"

Koala
Koala als Grundbesitzer: Der Philosoph John Hadley plädiert dafür, Tieren Rechte an ihrem Lebensraum zu geben
© mauritius images / Minden Pictures / Roland Seitre
Wenn wir die Lebensräume bedrohter Arten wirkungsvoll schützen wollen, müssen wir die dort ansässigen Tiere zu Grundbesitzern machen – so die These des Ethikers John Hadley

Ob Koalas in Australien, Orang-Utans auf Borneo, Fischkatzen in Indien oder irgendeine andere der zahlreichen bedrohten Tierarten auf unserem Globus: Die größte Gefahr für den Fortbestand einer seltenen Spezies ist die Vernichtung ihres natürlichen Lebensraumes. Wir holzen Wälder ab, wir verschmutzen Feuchtgebiete – wir zerstören die Heimat der Tiere.

Was wir bisher zum Schutz der Habitate unternehmen, reicht bei Weitem nicht aus, um den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen. Wir müssen das System überdenken – wir müssen die Eigentumsrechte an Naturlandschaft neu definieren.

Da es kaum realistisch ist, dass Landbesitzer im Dienst des Naturschutzes enteignet werden, bleibt uns nur, im Rahmen der bestehenden Besitzverhältnisse mehr für die Natur herauszuholen. Die Idee ist ja nicht ganz neu: Schon jetzt müssen Eigentümer bei der Nutzung ihres Landes Kompromisse eingehen. Behörden setzen Grenzen für die Nutzung des Grundund Oberflächenwassers, untersagen das Abholzen alter Bäume, entschädigen Landbesitzer, deren Vieh gerissen wurde. Wir sollten auf diesem Weg weitergehen und das existierende System radikal umbauen: indem wir bedrohten Wildtierarten ein Besitzrecht an dem Land zusprechen, auf dem sie leben. Damit erhielten sie eine eigene Stimme und, indirekt, einen Platz am Tisch, an dem die Menschen über die Nutzung naturnaher Flächen entscheiden.

Da Tiere nun einmal nicht unmittelbar mitreden können, müsste ein Vormund für sie sprechen. Solche Verfahren sind ja durchaus erprobt – etwa wenn es um die Eigentumsrechte eines Kindes oder einer dementen Person geht. In ähnlicher Weise könnte ein Sachwalter die Interessen der Tiere vertreten.

Wenn ein menschlicher Landnutzer nun also plant, in den Lebensraum bedrohter Tiere einzugreifen, dann müsste zunächst dieser Treuhänder gehört werden – schriftlich oder mündlich, vielleicht in einem Schlichtungsverfahren, in dem alle Beteiligten an einem runden Tisch säßen. Der Vormund erhielte zunächst Gelegenheit, die Landnutzer über alle Konsequenzen ihres Vorhabens zu informieren. Schon ein solcher Gütetermin würde verhindern, dass Erschließungsmaßnahmen von heute auf morgen durchgepeitscht werden. In der Intervention des Vormundes läge zudem die große Chance, dass ein Entwicklungsplan modifiziert, vielleicht auch mal ein Projekt ganz gestoppt würde.

Das deutsche Naturschutzgesetz, das den Umweltverbänden ein Mitspracherecht einräumt, ist hier ein Schritt in die richtige Richtung.

Gesucht: ein Vormund der Tiere. Voraussetzung: Streitlust

Die naheliegende Frage: Wer könnte eigentlich als Advokat der Tiere auftreten? Der potenzielle Kandidat oder die Kandidatin müsste idealerweise fundierte Kenntnisse und Erfahrungen als Ökologe, Raumplaner, Tierschützer und/oder Verwaltungsjurist mitbringen. Da wir davon ausgehen dürfen, dass eine Sitzung zwischen Landnutzern und den Sachwaltern der Tiere potenziell konfliktreich und emotional aufgeladen verläuft, wären Sprachgewandtheit und Standhaftigkeit von großem Vorteil.

Allerdings sollten wir das Konfliktpotenzial zwischen menschlichen und tierischen Landeigentümern auch nicht zu hoch veranschlagen. Etliche Eigentümer sind den Belangen des Naturschutzes gegenüber aufgeschlossen. Und manche menschlichen Aktivitäten wie biologischer Landbau oder Ökotourismus sind ja durchaus in Grenzen mit tierischen Eigentumsrechten vereinbar.

Ein Klagerecht für Tiger?

Ein Eigentumsrecht für Tiere würde zu einem völlig neuen, viel effektiveren Schutz der Lebensräume führen. Denn der Vormund ist ja keineswegs ein unparteiischer Schlichter. Im Gegenteil: Er tritt als unerbittlicher Anwalt der Tiere auf, ist allein ihren Interessen verantwortlich. Er ist als ihr Vertreter vor Ort; dort, wo die Entscheidungen fallen.

Das ist der große Unterschied zum bisherigen System, in dem nur auf Verwaltungsebene verhandelt, oft auch gekungelt wird: Der Sachbearbeiter einer Behörde wirft einen Blick auf den Antrag des Landnutzers und setzt seinen Stempel auf das Papier. Die in dem betroffenen Gebiet lebenden Tiere mögen bei der Planung eine Rolle spielen oder auch nicht, sie sind keinesfalls aktive Mitspieler im Poker um das Land. Sie sind, wenn überhaupt, nur ein Faktor unter vielen in einem häufig undurchsichtigen Geflecht von Interessen. Ihr Wohl steht kaum je ganz oben in einer komplexen Kosten-Nutzen-Rechnung, deren Ergebnis allzu oft von politischem Druck und Lobbyismus beeinflusst ist. In dem neuen System würden die Gewichte sich deutlich verschieben, in ihm nämlich hätten auch die ortsansässigen Tiere ihre Lobby. Es herrschte Waffengleichheit.

Wie aber ließe sich dieses Konzept umsetzen? Ist es nicht reine Utopie? Keineswegs. Die alte Idee eines ökonomischen Akteurs, der mit seinem Besitz verfährt, wie es ihm beliebt – sie ist ja ohnehin nur eine liberale Modellvorstellung. In der Realität wird der Zugang zu Wald und Wasser, wird die Nutzung von natürlichen Ressourcen längst schon von außen, vom Gesetzgeber reguliert. Wie schwer die Eigentumsrechte der Tiere schließlich wiegen werden, das ist eine Frage des politischen Willens und wird sicher, je nach Region und Nation, sehr stark variieren. Entscheidend ist letztlich, welche Bedeutung wir, die Öffentlichkeit, dem gesamten Thema Artenvielfalt beimessen.

Klar ist: Tierrechte bekommen mehr und mehr Gewicht. Es ist ein weltweiter Trend erkennbar, Tiere in immer stärkerem Maße als juristische Subjekte aufzufassen. In den USA gab es einige sehr ernst zu nehmende Versuche, eine Klageberechtigung für in Gefangenschaft gehaltene Schimpansen und Wale zu erwirken. In Argentinien vertritt ein Anwalt die Rechte von Zoo-Elefanten, die nicht artgerecht gehalten werden. Einige Länder stärken die Rechte der Tiere in der Gesetzgebung, nehmen sie gar in ihre Verfassung auf.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, wirtschaftliche Entwicklungen zu blockieren. Es geht um nachhaltige Entwicklung; um eine Entwicklung, in der das Recht der wilden Kreatur auf Leben stärker berücksichtigt ist. Noch immer werden Infrastrukturprojekte geplant, als wäre die Landschaft nur eine leere Fläche. Wir brauchen aber ein Denken, in dem Naturräume als das gewürdigt werden, was sie in Wirklichkeit sind: Heimat der dort lebenden Tiere.

GEO NR. 03/2017 - Dalai Lama

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