Anzeige
Anzeige

Kuriose Forschung Warum Grabsteine für Libellen tödlich sein können

Libellen
Reflexionen von dunklen Oberflächen irritieren Libellen bei ihrer Eiablage so sehr, dass sie weniger werden
© mauritius images / Tierfotoagentur / D. Vorbusch
Der Ig-Nobelpreis ist eine Ehrung für Forschung, die auf den ersten Blick kurios erscheinen mag. In diesem Jahr gewann in der Kategorie „Physik“ ein Beitrag über die tödliche Gefahr für Libellen, die von schwarzen Grabsteinen ausgeht. Wir haben dazu ein Mitglied des Siegerteams von der Eötvös-Universität in Budapest befragt

GEO: Herr Dr. Horváth, worin genau besteht denn die Gefahr?

Horváth: Libellen verwechseln oft die spiegelnd schwarze Oberfläche von liegenden Grabsteinen mit jener von Gewässern, in denen sich die Insekten entwickeln. Denn Wasser reflektiert das gleiche horizontal polarisierte Licht wie die polierten schwarzen Steine. Das führt mitunter dazu, dass die Tiere ihre Eier fatalerweise auf dem Trockenen ablegen statt in der feuchten Umgebung.

Aber die paar wenigen Grabsteine bedrohen doch wohl nicht das Überleben der gesamten Spezies?

Nein, das sicher nicht; aber das Problem geht weit über diesen Bereich hinaus. Unser Team und auch andere Kollegen beschäftigen sich schon lange mit dem Einfluss, den künstliche Oberflächen auf die Orientierung der sogenannten polarotaktischen Insekten haben. Denn aufgrund dieses speziellen Sinnes haben Insekten über Millionen von Jahren Gewässer gefunden – weil sie in der Natur die einzige Quelle für horizontal polarisiertes Licht sind. Das ist heutzutage völlig anders.

Inwiefern? Welche anderen gewässerähnlichen Flächen gibt es denn?

Es gibt heute eine ganze Reihe solcher Flächen, die wir als „ökologische Fallen“ bezeichnen: Eintagsfliegen zum Beispiel wird glänzender Straßenasphalt zum Verhängnis; auch schwarze Plastikplanen, Solarkollektoren, dunkle Autos und Ölteppiche ziehen Insekten in großer Zahl an, die eigentlich auf der Suche nach Wasser sind. Und das nur, weil all diese künstlichen Flächen für Insekten wie Teiche oder Flüsse aussehen. Wir nennen das Problem „polarisierte Lichtverschmutzung“; diese ist ein Teil der globalen Lichtverschmutzung, die zum Beispiel auch Vögel verwirrt.

Sind Insekten wirklich so dumm, dass sie Wasser nicht auf andere Art erkennen können?

Das hat nichts mit Intelligenz zu tun, sondern mit unzureichender biologischer Anpassung – denn dafür fehlte den Insekten offenbar die Zeit. Insofern kann man an den biologischen Voraussetzungen nichts ändern. Andererseits lassen sich unsere Erkenntnisse über Polarotaxis durchaus praktisch nutzen. Zum Beispiel haben wir einen effektiven Schutz gegen blutsaugende Bremsen entwickelt, die schwarze Pferde mehr belästigen, weil diese mehr linear polarisiertes Licht reflektieren als weiße. Den besten Schutz bietet ein Pferdemantel mit Zebrastreifung und entsprechend geringer Reflexion von polarisiertem Sonnenlicht. Mittlerweile können Pferdehalter solche Kleidung kaufen. Ein Erfolg unserer Forschung!

GEO Nr. 12/2016 - Unser Sonnensystem

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel