Zum ersten Mal seit 150 Jahren hat sich wieder ein Rudel von Canis lupus in Deutschland angesiedelt. Die beiden Leitwölfe (ein männliches und ein weibliches Alphatier) sind eingewandert aus Westpolen, wo schon seit Mitte der 80er Jahre mehrere Rudel leben, die vermutlich aus Ostpolen stammen. Dort gehört der Wolf längst wieder zum Alltag.
Doch ist auch Deutschland wieder reif für ihn? In einer Umfrage unter deutschen Forst-, Jagd- und Naturschutzverbänden ermittelte die Biologin Gesa Kluth eine überwiegend wohlwollende Haltung dem Wolf gegenüber: "Das liegt vor allem daran, dass die Wölfe auf natürlichem Wege zurückgekehrt sind." Einzelgänger seien im Grenzland schon seit ein paar Jahren unterwegs gewesen. Die Menschen hätten dadurch Zeit gehabt, sich an den neuen Nachbarn zu gewöhnen, sagt die 31-jährige Koordinatorin der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in Sachen Wolf.
In Norwegen und in der Schweiz hingegen ließen Behörden jüngst bereits wieder Tiere abschießen - sie hatten zahlreiche Schafe gerissen.
Sorge um Menschen besteht kaum: Denn seit über 60 Jahren gab es in Europa keinen einzigen glaubhaft dokumentierten Angriff eines wild lebenden Wolfes auf Menschen - selbst in Ländern mit großen Populationen, wie Rumänien mit etwa 3000 oder Russland mit knapp 20 000 Tieren.
"Wölfe haben in den letzten 500 Jahren so schlechte Erfahrungen mit den Menschen gemacht", sagt der schwedische Wolfexperte Dr. Erik Zimen, "dass nur die Tiere überlebten, die ausreichende Scheu vor uns entwickelt haben." Übergriffe auf Menschen, wie sie aus amerikanischen Nationalparks von Schwarzbären berichtet werden, sind von Wölfen daher nicht zu erwarten.
Dem Internationalen-Tierschutz-Fonds (IFAW) bereiten die Wölfe derzeit andere Sorgen: Untersuchungen ermittelten einen dramatischen Schwund des Bestands in Westpolen. Neben Krankheiten und Abschüssen ist wohl der verstärkte Straßenbau mit ein Grund, dass sich allein dort innerhalb von 20 Jahren die Zahl der Wölfe von 40 auf zwölf reduziert hat - die Tiere werden vom Kontakt mit anderen Rudeln abgeschnitten.
"Es ist ein Wunder, dass sich die wenigen Wölfe im deutsch-polnischen Grenzgebiet überhaupt halten", sagt Gesa Kluth. Wenn sie in Deutschland eine Chance haben sollen, müssen die Tiere in der Muskauer Heide weiterhin streng geschützt werden.