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Paläontologie: Paralleler Zahnwuchs

Der Fund eines fossilen Unterkiefers in Südamerika belegt: Die Entwicklung des Zahnbaus bei Säugetieren hat sich zweimal auf die gleiche Weise vollzogen

Die Welt vor 155 Millionen Jahren: Der große Superkontinent Pangäa bricht auseinander. Ein Urmeer zwängt sich zwischen den Südkontinent Gondwana und Laurasia. Aus Gondwana entstanden später Afrika, Südamerika, Australien, Indien und die Antarktis. Laurasia - das sind das heutige Nordamerika, Europa und Nordasien.

Über 100 Millionen Jahre blieben die Nord- und Südkontinente voneinander getrennt. Tier- und Pflanzenwelt entwickelten sich daher in beiden Hemisphären weitgehend eigenständig. So auch die ersten Säugetiere: Auf der Nordhalbkugel entstanden im Laufe der Jahrmillionen lebend gebärende Spezies. Auf der Südhalbkugel legten auch die Säuger Eier; von diesen Arten - den Monotremata - sind heute nur noch das Schnabeltier und die Schnabeligel erhalten. Die übrige Säugerfauna des Südens ist mittlerweile von Nordsäugern völlig verdrängt worden. Zu letzteren zählen auch die für Australien so typischen Beuteltiere; sie sind, wie die Plazenta-Tiere, vom Norden zugewandert.

Bisher führte man den großen Erfolg der Nordsäuger unter anderem auf deren mahlende und quetschende Backenzähne und die sich daraus ergebende intensivere Futterverwertung zurück. Jedenfalls verfügen weder Schnabeltiere noch Schnabeligel noch die Relikte der gemeinsamen Vorfahren der Nord- und Südsäuger über solche Kauwerkzeuge.

Doch nun bringt der Fund eines zwölf Millimeter langen und 155 Millionen Jahre alten Unterkiefers eines spitzmausgroßen Säugetieres namens Asfaltomylos diese Lehrmeinung ins Wanken. Forscher des Paläontologischen Museums im argentinischen Trelew und des Instituts für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin entdeckten diesen ältesten bekannten Säugetier-Überrest Südamerikas in der argentinischen Provinz Chubut in Ost-Patagonien.

"Eine Sensation", schwärmt der Berliner Paläontologe Thomas Martin. "Mehr als hundert Jahre haben wir geglaubt, dass es eine solch geniale Entwicklung wie die Mahlstruktur der Backenzähne nur einmal gegeben haben kann. Und nun haben wir den Beweis, dass sich dieser moderne Zahnbau der Säugetiere zuerst im Süden und dann unabhängig davon im Norden entwickelt hat."

Der Unterkiefer stammt aus der Zeit des Mittleren Jura und bestätigt eine vage Vermutung, die Paläontologen aus den USA und Polen vor wenigen Jahren geäußert hatten - ohne eindeutige fossile Funde.

Dass die Säuger der Südhalbkugel im Vergleich zu ihren Verwandten der Nordhalbkugel so schlecht abgeschnitten haben, liegt somit wohl einzig daran, dass für sie Lebendgebären effizienter ist als Eierlegen. An den schlechteren Zähnen kann es jedenfalls wohl nicht gelegen haben.

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