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Workshop-Bericht: Im Wald der Vampire

Drei Wochen hockte das Team des Nachts und bei Dauerregen schwitzend vor hohlen Urwaldstämmen, um Fledermäuse zu filmen. Hier erzählt Fernsehreporter Peter Moers von den Dreharbeiten in Costa Rica
Die Fledermäuse haben sich längst daran gewöhnt, dass Detlev Kelm mit der Infrarotkamera in ihren Bäumen herumstöbert.
Die Fledermäuse haben sich längst daran gewöhnt, dass Detlev Kelm mit der Infrarotkamera in ihren Bäumen herumstöbert.
© MedienKontor GmbH

"Es ist Nacht. In Gummistiefeln stapfen wir durch den Matsch des Regenwaldes von Costa Rica, übermüdet und verschwitzt. Nur wenn die Blitze des aufziehenden Gewitters flackern, kann man für Sekunden etwas sehen. Kameramann Michael weiß schon, was gleich kommt: Sobald er seine Lampe anschaltet, um den deutschen Biologen Detlef Kelm beim Aufbau seiner Fledermausnetze zu filmen, werden sich die Moskitos über die unerwartete Beleuchtung freuen und hemmungslos über ihn herfallen. Michael hat aufgehört, die Stiche zu zählen. Costa Rica zählt nicht zu den klassischen Malaria-Gebieten, und wir wissen, dass die Gefahr nicht in der Luft, sondern am Boden lauert.

Für "360° - die GEO-Reportage" drehen wir einen Bericht rund um die Tropenforschungsstation La Selva. Die Gegend gilt als extrem schlangenverseucht. Detlev Kelm, der hier als Forscher lebt, warnt uns jeden Abend, bevor wir mit der Kamera-Ausrüstung losziehen: Zieht eure Gummistiefel an, bleibt dicht hinter mir und geht nie ohne angeschaltete Kopfleuchte in den Wald.

Kelm kennt gruselige Geschichten vom "Buschmeister", einer unangenehmen und manchmal ziemlich aggressiven Würgeschlange, die hier gern durchs Dickicht schleicht. Die erste Schlange, die ich selbst zu sehen bekomme, ist glücklicherweise ein kleines, nur etwa 50 Zentimeter langes Exemplar, dunkelgrün. Die Tropenforscher nennen die Spezies "Suicide Snake" - Selbstmord-Schlange, weil sie die rätselhafte Angewohnheit hat, sich unter vorbeifahrende Mountain-Bikes zu schlängeln. Geglaubt habe ich diese Geschichte nicht, bis ich mit eigenen Augen gesehen habe, wie Jens, unser Kameraassistent und Tonmeister, mit seinem Fahrrad versehentlich über eine dieser Schlangen geholpert ist. Jens selbst hat sie nicht gesehen, und er glaubt mir die Geschichte bis heute nicht.

Drei Wochen leben wir im Regenwald, um unseren Film zu drehen. Drei Wochen, in denen wir uns dem Lebensrhythmus der Fledermäuse anpassen, so gut es geht. Michael, Jens und ich haben schon einige TV-Reportagen zusammen gedreht. Aber noch nie waren wir so oft nachts auf den Beinen. Nie sind wir so oft samt Kamera-Ausrüstung eingeregnet. Überdimensionale Regenschirme, Plastikplanen und Regenschutz gehören zu unserer Standardausrüstung.

Immer wieder wundern wir uns, mit welch schlafwandlerischer Sicherheit unser Fledermausforscher Kelm die Baumquartiere seiner Tiere mitten im dichten Regenwald findet. Und irgendwie scheint er auch ihren Flugplan genau zu kennen: "Wartet mal bis kurz vor sechs, dann starten einige aus diesem Baumloch dort."

Also die kleine Digitalkamera vor das Nachtsichtgerät basteln, Baumloch anvisieren und warten. Manchmal wagen wir uns auch mit der Kamera direkt in die riesigen, hohlen Urwaldbäume, in denen die Fledermäuse leben. Wir versuchen mit einer kleinen Infrarotlampe zumindest etwas Licht ins Dunkel zu bringen, aber leicht machen uns die Fledermäuse die Sache nicht. Sie sind nicht nur klein, schnell und lichtscheu, sondern auch extrem lärmempfindlich. So verständigen wir uns vor den Baumquartieren stundenlang nur flüsternd, um die Tiere nicht zu verschrecken.

Detlef Kelm selbst hat eine eigene Methode entwickelt, um die Tiere zu filmen. Davon profitieren wir: Nachts, wenn die Flieger ihre hohlen Bäume verlassen haben, bauen wir eine kleine lichtempfindliche Überwachungskamera in die Stämme ein. Tagsüber, wenn die Tiere schlafen, wird die Kamera aktiviert. Viel Aufwand, der sich aber lohnt: Wir sehen, wie ein Fledermausbaby am Bauch seiner Mutter hängt, beobachten eine Haremsgruppe von Blattnasen-Fledermäusen und bekommen einen intimen Einblick in das Alltagsleben von Vampiren.

PS.: Kameramann Michael hatte als Andenken an die Drehreise noch zwei Wochen nach unserer Rückkehr mit einer Parasiteninfektion zu kämpfen."

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