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Hassobjekt der Schafzüchter
Das größte fleischfressende Säugetier des australischen Kontinents war das Opfer einer gezielten Ausrottungskampagne.
Und wahrscheinlich war Thylacinus cynocephalus - der "Beutelhund mit dem hundeartigen Kopf", so die Bedeutung des wissenschaftlichen Namens - schon selten gewesen, als 1803 die ersten Europäer Tasmanien besiedelten; schon damals dürften kaum mehr als 1500 bis 2000 der Tiere dort gelebt haben. Denn die Aborigines der Insel jagten den bis zu 35 Kilogramm schweren Raubbeutler - wohl um ihn zu verzehren. Nachdem die Urbevölkerung von den europäischen Siedlern schon um 1830 weitgehend ausgerottet oder umgesiedelt worden war, stellten Pelzjäger dem Beutelwolf nach.
Hassobjekt der Schafzüchter
Das endgültige Unheil aber kam mit der Schafzucht, die ab 1820 auf Tasmanien zunehmend an Bedeutung gewann; das Land war bestens zur Woll- und Fleischgewinnung geeignet. Känguruhs wurden als Nahrungskonkurrenten der Schafe dezimiert; der Beutelwolf, so wird berichtet, stellte sich indes rasch auf die veränderte Lage ein und soll von nun an auch Schafe und Lämmer gerissen haben. Forschungen australischer Wissenschaftler lassen heute jedoch Zweifel daran aufkommen, ob der Beutelwolf wirklich ein so großer Schafskiller war. Sein Nahrungsspektrum dürfte eher dem des Fuchses entsprochen haben.
Verhängnisvoller Ruf Dennoch: Das Tier kam schnell in den Ruf, ein erbarmungsloser Schafsmörder zu sein; sogar von einer "Tigerplage" war die Rede. Dabei töteten wildernde Hunde nachweislich mehr Schafe als der Beutelwolf; von Menschen begangene Viehdiebstähle waren wohl für die größten Verluste in den Schafherden verantwortlich.
Warnungen überhört
Im Jahr 1830 wurden erstmals Belohnungen auf tote Beutelwölfe - die man auch als "Hyänen" bezeichnete - ausgesetzt. Auch der typische Lebensraum des "Tigers" schwand schnell dahin; trockene Baumsavannen und lichte Wälder wurden in Weideflächen umgewandelt. Schon 1863 warnte daher der Naturforscher John Gould: "Wenn die verhältnismäßig kleine Insel Tasmanien stärker bevölkert sein wird, werden sich die Bestände dieses einzigartigen Tieres rasch verringern, und es wird dann über es gesprochen werden als von einem Tier der Vergangenheit." Doch darauf wollte noch niemand hören: Von 1886 bis 1909 wurden mehr als 2000 Prämien für erlegte Beutelwölfe bezahlt.
Der Letzte seiner Art
Bis 1905 wurden alljährlich noch etwa hundert Tiere eingeliefert, dann kam der plötzliche Einbruch: 1909 wurde die letzte Prämie ausgegeben. Manche Forscher glauben, dass eine Seuche die verbliebenen Beutelwölfe so dezimierte, dass die schon angeschlagene Population sich nie wieder erholte. Für alle muß ersichtlich gewesen sein, dass nun eine einzigartige Spezies unwiederbringlich ihrer Ausrottung entgegeneilte - doch die Jagd auf die verbliebenen Tiere ging weiter. Schließlich erschoß 1930 ein junger Farmer im Nordwesten Tasmaniens den letzten Beutelwolf in freier Wildbahn.
Fieberhafte Suche
Nun begann die Zeit der Gerüchte und Spekulationen. Mit größerem Eifer als je zuvor versuchten schon in den dreißiger und vierziger Jahren Expeditionen irgendwo in der unberührten tasmanischen Wildnis versprengte Exemplare des "Tigers" aufzustöbern oder zumindest Beweise für sein Überleben zu finden - vergebens. Seit über sechzig Jahren widersetzt sich der Beutelwolf hartnäckig seiner Wiederentdeckung auf der Insel. Keinerlei wissenschaftlich verwertbare Beweise seiner Existenz wurden dort gefunden. Es gibt aber immer wieder Hinweise dafür, dass er überlebt haben könnte, wo er nach herrschender Lehrmeinung seit langem ausgestorben sein soll: auf dem australischen Festland nämlich.
Fragwürdige Beweise
Bislang wurden über 2000 solcher Sichtungen des "Tigers" vom Festland gemeldet. Doch damit nicht genug: Die ausgerotteten, verloren geglaubten Raubbeutler scheinen gerade dabei zu sein, sich unbemerkt wieder auszubreiten und ihr gesamtes ehemaliges Verbreitungsgebiet zurückzuerobern. Zumindest, wenn man Berichten Glauben schenkt, die jüngst aus Neuguinea kamen: Im wenig erforschten Lorentz-Nationalpark Irian Jayas sollen wiederholt hundeartige Tiere mit schwarzen Streifen auf dem Rücken gesehen worden sein.
Ausgestorben oder unentdeckt?
Sollte eine der am meisten gesuchten kryptischen Spezies der Welt gerade dort wiederentdeckt werden, wo sie schon seit Jahrtausenden ausgestorben sein soll? Oder ist das nur Wunschdenken derjenigen, die der Realität nicht ins Auge sehen wollen, sondern weiter gegen den Strom des Artensterbens anträumen?
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Weitere Informationen
Buchtipp
Lothar Frenz Riesenkraken und Tigerwölfe. Auf der Spur mysteriöser Tiere Gebundene Ausgabe 249 Seiten Rowohlt, Berlin, 2000 ISBN 3871343900