Schätzungsweise 70 Millionen Jahre schon hat die neuseeländische Heuschreckengruppe der Wetas unverändert überlebt - für den Berliner Biologen Hans-Joachim Pflüger und seinen Kollegen Laurence Field aus Christchurch der Grund, die von der einheimischen Bevölkerung wetapunga oder taipo ("Teufel der Nacht") genannten Geschöpfe eingehend zu untersuchen.
Die Wetas, entfernte Vorfahren der Wanderheuschrecken, haben Antennen, die viermal so lang wie ihr Körper sein können. Der besteht zur Hälfte aus dem riesigen, mit kräftigen Mandibeln bewehrten Kopf. Mit diesem "Essbesteck" tragen die zuweilen 50 Gramm schweren Insekten heftige Balzkämpfe aus, in deren Verlauf sich die Rivalen einander in Beine und Antennen zwicken. Größere Verletzungen allerdings sind selten, weil die Insekten offenbar nicht dazu neigen, ihre Kräfte auch auszuspielen. Der ritualisierte Kampf ist zu Ende, sobald es einem Männchen gelingt, den Kopf des anderen mit seinen Mandibeln zu packen. Anders als bei uns lebende Grillen verfolgen Wetas die Unterlegenen nicht.
Der Verlierer wird sogar als Voyeur beim Liebesspiel des Gewinners mit der eroberten Partnerin geduldet. Das Weibchen verbleibt schließlich im Harem des kräftigen Männchens, das mit drei bis elf erwachsenen oder noch nicht geschlechtsreifen Partnerinnen in einem bis zu einen Meter großen Tunnelbau lebt. Dieses unterirdische System von Gängen ist von Larven des Manuka-Käfers (Ochrocydus huttoni) gebaut worden.
Es sind vermutlich die Weibchen, welche die Entscheidung zur Paarung treffen. Denn obwohl sie meist vom Haremsbesitzer begattet (und beschützt) werden, locken weibliche Wetas mit einem Duftstoff auch heim- und haremslose Einzelgänger als Sexualpartner an. Es dauert zwischen eineinhalb und zwei Jahre, bis sich aus dem Ei das erwachsene Tier entwickelt hat; dazwischen liegen bis zu zehn Häutungen. Ausgewachsene Wetas können aber noch mehr als fünf Jahre leben, eine sehr lange Zeitspanne für Insekten.
Dass die Art schon so lange überlebt, verdankt sie vermutlich ihrem komplexen Sozialverhalten. Denn im Gegensatz dazu ist etwa der "Gesang" der Wetas relativ rückständig. Zwar erzeugen sie Zirpgeräusche durch Reiben der Beine und besitzen - wie Laubheuschrecken - vier Ohren an den Vorderbeinen; dennoch erscheint das musikalische Repertoire der neuseeländischen Insekten monotoner und weniger rein tönend als das ihrer modernen Verwandten. "Als ob man mit dem Daumennagel über einen Kamm streicht", so beschreibt Hans-Joachim Pflüger den Klangeindruck. Vermutlich sollen die Töne im Spektrum von 2000 bis 3000 Hertz Rivalen imponieren und diese fern halten.