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Vogelzug: Stelldichein nach Flugplan

Isländische Uferschnepfen-Paare überwintern getrennt, finden sich aber im Frühjahr auf den Tag genau am Brutplatz ein. Unpünktlichkeit wird mit einem Partnerwechsel quittiert

Haben Sie mal versucht, sich mit Ihrem Partner nach Monaten der räumlichen Trennung an einem bestimmten Ort zu treffen? Ohne Verabredung, Kompass, Karte, GPS, Uhr, ohne Telefon, Fax, E-Mail oder SMS? - Was für Menschen unvorstellbar ist, gelingt manchen Zugvögeln offenbar ohne jede Anstrengung: Die getrennt reisenden Partner der Isländischen Uferschnepfe (Limosa limosa islandica) verbringen den nahrungsarmen Winter in unterschiedlichen Quartieren im westlichen Europa. Und jedes Frühjahr treffen sich die Partner auf den Tag genau am Brutplatz wieder; von zehn untersuchten Partnerschaften gingen nur zwei in die Brüche - weil die Partner sich um mehr als eine Woche verpassten. Das hat jetzt ein Forscherteam um den Biologen Tómas G. Gunnarsson von der Universität von East Anglia in Norwich (England) herausgefunden.

Was löst die Frühjahrs-Wanderung nach Norden aus?

Isländische Uferschnepfe: Nicht nur die Farbe der Ringe, auch deren Höhe verrät die Identität seines Trägers
Isländische Uferschnepfe: Nicht nur die Farbe der Ringe, auch deren Höhe verrät die Identität seines Trägers
© Daniel Bergmann

Dass die filigranen Flieger in jedem Frühjahr eine Punktlandung mit perfektem Timing hinlegen, überraschte die Wissenschaftler. Immerhin trennt einige der Paare in den Wintermonaten eine Distanz von knapp 2000 Kilometern: "er" in Südspanien und "sie" in Südengland - oder umgekehrt. Was den Vögeln das Signal gibt, gegen Ende März gleichzeitig in Richtung Island aufzubrechen, wissen die Forscher nicht. Gunnarsson vermutet, dass ähnliche Umweltbedingungen in den Überwinterungsgebieten den Startpfiff für den Zug über die Nordsee geben könnten. Auch andere bisher unbekannte genetische oder physiologische Merkmale kommen für ihn in Betracht. Telepathie und verwandte Phänomene schließen die Naturwissenschaftler allerdings aus.

Die "Operation Godwit"

Den Beobachtungen der Ornithologen liegen nicht nur eigene Beobachtungen zu Grunde. Um die Bewegungen der Vögel möglichst lückenlos nachverfolgen zu können, spannen sie ein Netz von professionellen und privaten Birdwatchern rund um die Überwinterungsplätze der Spezies. Die einlaufenden Beobachtungsdaten der "Operation Godwit (Uferschnepfe)" sammeln sie in einer zentralen Datei. Mehr als 8000 Mal sind die geselligen Schnepfenvögel bisher aktenkundig geworden - so oft wurde sie auf Island und in Westeuropa gesichtet und identifiziert.

Ausgeklügelte Beringung

Ermöglicht wurden diese Erfolge nicht zuletzt durch ein neuartiges Beringungssystem: Statt der herkömmlichen Metallringe mit eingestanzter Nummer verwendeten die Vogelkundler farbige Ringe aus Plastik. Mit diesen Ringen in unterschiedlichen Farbkombinationen an beiden Beinen können die Tiere schon mit einem einfachen Fernglas oder einem Teleskop sicher identifiziert werden und müssen nach dem Beringen nicht ein zweites Mal eingefangen werden.

Die Sichtungsrate der beringten Vögel ist sensationell: Von 175 Uferschnepfen, die im Jahr 2000 in Island beringt wurden, wurden mehr als 90 Prozent ein- oder mehrmals an ihren Überwinterungsorten gesichtet. Dabei kommt den weniger geschulten Beobachtern zugute, dass die Unterart Limosa limosa islandica von anderen Schnepfenarten gut zu unterscheiden ist und immer in kleinen Verbänden auftritt.

Die Population nimmt zu

Zwei Prozent der gesamten Population, so schätzen die Ornithologen, sind derzeit beringt. In ihrer Langzeitstudie wollen die Forscher klären, welche Faktoren die Entwicklung der Population beeinflussen. Sie stellten nämlich fest, dass die Zahl der Isländischen Uferschnepfen und ihrer Brutgebiete rund um die Insel in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen hatte. War Limosa limosa islandica noch in den zwanziger Jahren ein seltener Vogel, der nur in geschützten Gebieten im Süden der Insel brütete, bevölkern heute nach neuesten Schätzungen 15-20 000 Paare die küstennahen Marschen Islands. Dafür könnte der Klimawandel verantwortlich sein, so Gunnarsson - oder dass der langbeinige Vogel in seinen Überwinterungsgebieten weniger intensiv bejagt wird.

Viele der Uferschnepfen werden schon als Küken beringt
Viele der Uferschnepfen werden schon als Küken beringt
© Daniel Bergmann

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