2010, das war das offizielle internationale Jahr der biologischen Vielfalt. Und es war tatsächlich ein Jahr, in dem Naturschutz und Artenvielfalt ganz oben auf der politischen Agenda standen. Den Anfang machte im März die Konferenz zum Artenschutzabkommen CITES im arabischen Emirat Katar. Das zentrale Ereignis war die UN-Naturschutzkonferenz Ende Oktober im japanischen Nagoya.
Dieser Gipfel löste im Vorfeld viele kleinere Aktionen aus: Feierlichkeiten nationaler Regierungen, Kampagnen von Umweltverbänden - und Medien: Das Magazin GEO organisierte "Tage der Artenvielfalt" in 38 Ländern. Die öffentliche Debatte schürten auch Symposien und Veröffentlichungen rund um die TEBB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), die Deutschland und die EU in Auftrag gegeben hatten, um den "Wert der Natur" umfassend zu untersuchen. Und so eine wirtschaftliche Perspektive in die Naturschutzpolitik einzubringen.

Zwiespältige Ergebnisse
Was haben nun all die Konferenzen gebracht? Die Bilanz ist zwiespältig, denn es gab enttäuschende Blockaden und unerwartete Fortschritte - bei denen Nagoya herausragt. Kaum jemand hätte für möglich gehalten, dass sich die 193 Parteien der Biodiversitätskonvention (CBD) dazu durchringen, die marinen Schutzgebiete von einem Prozent der Meeresoberfläche auf zehn Prozent auszuweiten. Dass Firmen aus reichen Ländern künftig einen Vertrag mit ärmeren Staaten aushandeln müssen, wenn sie aus dessen Flora oder Fauna Wirkstoffe für Medikamente oder Kosmetika entnehmen. Es geht immerhin um einen 350 Milliarden Dollar-Markt, den das Nagoya-Protokoll nun verändert.
Auch für einzelne Arten wurde erstaunlich viel erreicht: 13 Staaten mit Tiger-Vorkommen haben sich in St. Petersburg auf einen Rettungsplan für die Großkatze geeinigt. Bis 2022 soll die verbliebene Population von 3200 Tigern verdoppelt werden. China und Russland haben sich zudem auf ein Schutzgebiet in der Amur-Region geeinigt. Der WWF spricht von einem "historischen Moment für den Artenschutz".
Internationaler Naturschutz ist möglich

Die beiden Konferenzen, vor allem aber Nagoya, zeigen, welche Faktoren Verhandlungserfolge für die Natur ermöglichen: Sie rücken dann in Reichweite, wenn die Bedrohungsszenarien von dramatischen Zahlen untermauert werden, es eine so geschickte Verhandlungsführung wie die des japanischen Umweltministers in Nagoya gibt. Und eine Institution wie die UN eine Debatte lanciert, die sie durch Konferenzen und Studien geschickt nährt. Und wenn eine weitere Bedingung hinzukommt: enormer Erfolgsdruck. Nagoya durfte nicht scheitern, nachdem 2009 die Kopenhagener Weltklimakonferenz zum Desaster geworden war und damit das UN-Verhandlungssystem insgesamt einen massiven Vertrauensverlust erlitt. In Nagoya war also klar, wie viel auf dem Spiel stand - nicht nur in politischer Hinsicht.
Denn die dort feierlich abgeschlossene TEBB-Studie hatte gezeigt, was die Naturzerstörung kostet: Zwischen zwei und fünf Billionen Dollar verliert die Welt jedes Jahr durch die Zerstörung von Wäldern und Feuchtgebieten samt deren natürlicher Dienstleistungen. Derlei Zahlen lagen in Japan erstmals mit auf dem Tisch - und erhöhten den Verhandlungsdruck auf neue Weise.
Der Wert der Natur - ein zweischneidiger Begriff
Internationaler Naturschutz kann nicht nur gelingen, sondern sogar überraschen. Das ist die eine Erkenntnis des Jahres 2010. Die andere besteht darin, dass der Wert der Natur ein zweischneidiger Begriff ist: Er steht für eine neue Betrachtungsperspektive auf den Naturschutz - und beschreibt dessen größtes Hindernis: das Geschäft, das mit Arten gemacht wird. Und das auf der Konferenz zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen in Doha (Katar) wieder zu beobachten war.
Ob Nordatlantischer Blauflossenthunfisch oder vom Aussterben bedrohte Haie - Anträge für Handelsbeschränkungen fielen reihenweise durch. China und Japan verhinderten die nötigen Mehrheiten, da sie wertvolle Märkte nicht verlieren wollen: für Haifischflossen und Thunfischfleisch. Der Fang des Blauflossenthuns hat sich zu einem Riesengeschäft entwickelt, an dem vor allem japanische Konzerne wie Mitsubishi verdienen. Allein die illegalen Fänge sind vier Milliarden Dollar wert, wie das Consortium of Investgative Journalists recherchiert hat.
Die endlose Thunfisch-Tragödie
Die Tragödie scheint kein Ende zu nehmen: Auf der jüngsten Sitzung der nordatlantischen Thunfisch-Kommission in Paris haben deren 48 Vertragsstaaten erneut die Fangquoten nicht drastisch gesenkt - und damit alle Ratschläge aus der Wissenschaft missachtet. Fischerei-Länder wie Frankreich und Spanien, die am Thunfischfang verdienen, ziehen in diesem Kreis die Strippen. Immerhin gelang es, auch China und Japan zu überzeugen, den Fang einiger bedrohter Haiarten im Atlantik zu verbieten.
Mit diesem Teilerfolg endet das Naturschutzjahr jedoch noch nicht. Eine Frage steht noch aus: Wird Tansania eine geplante Fernstraße durch die Serengeti tatsächlich bauen - und damit riskieren, die weltgrößte Tierwanderung in Afrikas bekanntestem Nationalpark an ihr Ende zu bringen? Die Zeichen stehen nicht gut. Noch schließen Experten ein Einlenken der Regierung Tansanias allerdings nicht aus.