Winzige Algen im offenen Meer haben einen erstklassigen Sonnenschutz entwickelt. Trifft zu viel ultraviolette Strahlung auf die Einzeller, setzen sie Schwefelverbindungen frei, die in der Luft als Keime für Wassertröpfchen dienen. Die entstehenden Wolken halten dann einen Teil der schädlichen Strahlung von den Algen fern. "Sie machen sich quasi ihr eigenes Wetter", sagt David Siegel von der University of California in Santa Barbara, der dem Mechanismus zusammen mit seiner Kollegin Deirdre Toole von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts auf die Spur kam. "Die Algen reagieren unglaublich schnell auf den UV-Stress, innerhalb weniger Tage."
Das entscheidende Spurengas für den Wetterzauber ist Dimethylsulfid (DMS), eine organische Schwefelverbindung. Wenn die im Meer treibenden Algen unter Stress geraten, produzieren sie das so genannte Dimethylsulfonpropionat (DMSP), eine Vorläuferverbindung von DMS. Sterben die Algen, wandeln Bakterien im Wasser diesen Stoff in das flüchtige DMS um. Es steigt in die Luft und wird dort vom Sonnenlicht zu Sulfat zersetzt. Sulfat-Schwebeteilchen ziehen wiederum Wasser an und dienen daher als Wolkenkeime. "Es ist schon lange bekannt, dass DMS der Haupt-Wolkenbildner über den Ozeanen ist", berichtet Gunter-Otto Kirst, Meeresbotaniker von der Universität Bremen.
Zunächst bildet sich nur ein Ring um den Wassertropfen, dann ein feines Sinterröhrchen, aus dem schließlich der Stalaktit erwächst. Was bislang jedoch nur vermutet wurde, ist der Zusammenhang zwischen Sonnenschein und Wolkenkeim- Produktion. Toole und Siegel haben jetzt nach mehrjährigen Untersuchungen in der Sargasso-See nachgewiesen, dass die DMS-Produktionsrate besonders eng mit UV-Strahlung von 325 Nanometer Wellen-länge zusammenhängt. Dieses UV-Licht liegt etwa auf der Grenze zwischen der weniger gefährlichen UV-A- und der energiereicheren UV-B-Strahlung, die beim Menschen Sonnenbrand hervorruft.
Der originelle Sonnenschutz spielt womöglich eine wichtige Rolle für das Weltklima. Da die vom Plankton erzeugten Wolken das Sonnenlicht reflektieren, könnten sie einen gewissen Schutz gegen die Überhitzung der Erde bieten. "Dieser Zyklus hat das Potenzial, die globale Erwärmung zu verlangsamen", sagt David Siegel. "Allerdings haben wir bislang keine Ahnung, ob er das wirklich tut und wenn ja, in welchem Ausmaß." Aber "ein Allheilmittel gegen den Treibhauseffekt", so Gunter-Otto Kirst, "ist Dimethylsulfid ganz sicher nicht".